Internationale Vorbereitungsklassen Gelebte Integration von Flüchtlingen in der Realschule Oberpleis

OBERPLEIS · Schüler der Internationalen Vorbereitungsklasse an der Realschule Oberpleis werden im Rahmen des Projekts „Schritt für Schritt“ für eine erfolgreiche Integration ins Arbeits- und Berufsleben fit gemacht.

 Auch praktische Übungen und Rollenspiele gehören zum Stundenplan der Internationalen Vorbereitungsklassen.

Auch praktische Übungen und Rollenspiele gehören zum Stundenplan der Internationalen Vorbereitungsklassen.

Foto: Frank Homann

Ali möchte studieren und später einmal ein „guter Arzt sein und den Leuten helfen“, Gabriel Altenpfleger werden und Hamed eine Ausbildung zum Tischler machen. Drei junge Leute mit ganz konkreten Zukunftsplänen, für die aber die Realisierung ihrer Träume ungleich schwerer ist als für viele Altersgenossen. Denn Ali, Gabriel und Hamed sind als Flüchtlinge aus Afghanistan und Eritrea nach Deutschland gekommen. Als Schüler der Internationalen Vorbereitungsklasse an der Realschule Oberpleis werden sie derzeit im Rahmen des Projekts „Schritt für Schritt“ für eine erfolgreiche Integration in das Arbeits- und Berufsleben fit gemacht.

Zusätzlich zum normalen Schulunterricht lernen insgesamt 16 junge Leute aus sechs Ländern hier Vertrauen auf- und Barrieren abzubauen, Sprache anzuwenden, eigene Stärken und Potenziale zu erkennen und sich in Konfliktsituationen richtig zu verhalten. Auch das Kennenlernen der Werte und Kultur ihrer neuen Heimat ist ein wichtiger Schwerpunkt. Finanziert wird das Projekt, das bereits erfolgreich im zweiten Jahr läuft, aus Mitteln des Rhein-Sieg-Kreises, einer Zuwendung des Vereins Frieda Caron und Spenden des Fördervereins der Realschule.

Plakate mit Hobbys und Wünschen

Selbst gestaltete Plakate hängen an den Wänden im Klassenzimmer – Plakate, auf denen die Jugendlichen im Alter von 13 bis 16 Jahren so einiges von sich verraten: ihre Hobbys zum Beispiel und ihre Wünsche. Mal noch in einer unbeholfenen Handschrift verfasst, mal flüssig und nahezu fehlerfrei geschrieben. Manche haben einfach gemalt, wenn die Worte fehlten. Auch Tiere sind auf den Plakaten zu sehen. Nashin zum Beispiel hat einen Delfin gezeichnet. Die jungen Leute sollten das Tier auswählen, dem sie sich am nächsten fühlen. „Der Delfin ist ein liebevolles Tier, es hilft gerne und es malt ein Lächeln auf unsere Gesichter“, erklärt die Syrerin. Hamed wiederum hat es der Gorilla angetan: „Der ist wie ich. Er ist stark, beschützt seine Familie und kann gut Akrobatik“, erklärt der 16-Jährige, der eine Sportskanone ist.

Mittlerweile sind die jungen Leute zu einer guten Gemeinschaft zusammengewachsen. „Es gibt keine Berührungsängste untereinander“, bestätigen Thomas Kirschbaum und Martin Albers von der Initiative für Sozial- und Wirtschaftskompetenz aus Köln, die einmal wöchentlich mit den Schülern arbeiten. Nach der Kennenlernphase stand zunächst das Thema Werte und Normen auf dem Stundenplan. Dabei ging es unter anderem um die Akzeptanz von Regeln, um Aufmerksamkeit und Respekt, Toleranz und Gleichberechtigung. „Gleichberechtigung ist ganz wichtig in Deutschland“, betont Ali: „Eine Frau kann hier zum Beispiel einen genauso guten Job haben wie ein Mann und viel Geld verdienen.“ In ihrer Gruppe haben sich die jungen Leute auch auf Regeln verständigt: „Wir arbeiten zusammen, daher können wir unsere Aufgaben auch schaffen“, erläutert Ali weiter. Auslachen ist tabu: „Wenn jemand etwas falsch sagt, dann verbessern wir das.“

Rollenspiele, um den Alltag zu meistern

Gearbeitet wird viel mit Rollenspielen und praktischen Übungen, um die Schüler bestmöglich auf Alltagssituationen vorzubereiten. „Wir versuchen Erlebnisse zu schaffen, aus denen die Jugendlichen lernen können“, so Kirschbaum. Gleichzeitig lernen sie die Werte und Kultur ihrer neuen Lebensumwelt kennen. Dazu gehört auch der Karneval. Längst wissen Ahmad, Patrycja, Tarek und die anderen, dass Kamelle Süßigkeiten sind, Alaaf so etwas bedeutet wie „Freude“ und dass man an Karneval „einfach glücklich sein muss“.

In den kommenden Monaten wird es auch noch um Potenziale, Konfliktbewältigung und Wege zum Wunschberuf gehen. „Natürlich haben wir noch viel Arbeit vor uns, aber es funktioniert richtig gut. Die Schüler sind motiviert, immer pünktlich und haben Spaß“, betont Kirschbaum.

Bürgermeister Peter Wirtz und Kreisdirektorin Annerose Heinze, die das Projekt gemeinsam besuchten, zeigten sich beeindruckt von dem, was die jungen Leute bereits gelernt haben: „Man kann euch nur ein Kompliment machen, wie gut ihr schon unsere Sprache sprecht. Ihr seid auf einem guten Weg, um hier heimisch zu werden.“ Bildung sei alles, „ohne Ausbildung bleibt man auf der Strecke“. Speziell an die Mädchen gewandt betonte Heinze: „Es ist ganz wichtig, dass auch ihr einen Beruf lernt und auf eigenen Beinen steht“.

Schulleiterin Monika Mattke bedauerte, dass das Projekt mit Auslaufen der Realschule im nächsten Jahr zu Ende gehen wird: „Ich denke, es war das Beste, was euch passieren konnte.“ Kreismittel für eine Fortführung, zum Beispiel an einer anderen Schule, stehen zunächst nicht zur Verfügung. Dabei spricht das Ergebnis für sich: Nach dem ersten Schuljahresprojekt 2016/2017 konnten zahlreiche Teilnehmer in Praktika und Berufskollegs vermittelt werden. Ein junger Mann, der einst als Analphabet nach Deutschland gekommen war, hat inzwischen sogar einen Ausbildungsplatz im Maritim-Hotel gefunden.

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