Aktion "Zeit schenken" Ein Nachmittag im Haus der Jugend zwischen Billard und Pizza

Niederdollendorf · GA-Mitarbeiter Alexander Hertel hat im Rahmen der Aktion "Zeit schenken" im Haus der Jugend in Niederdollendorf ausgeholfen. Neben viel Sport und Spaß sind die Mitarbeiter auch immer Ansprechpartner für Probleme der Kinder und Jugendlichen.

Es wirkt wie die Ruhe vor dem Sturm im Haus der Jugend in Niederdollendorf. In der Großraumküche kocht noch nichts, die Tischtennisplatten stehen in der kleinen Sporthalle in der Ecke, die Billardkugeln ruhen, die Sofas im Aufenthaltsraum sind verwaist. Einrichtungsleiter Norbert Lehr arbeitet bereits in seinem Büro. Erst in einigen Minuten öffnet der offene Kinder- und Jugendtreff seine Türen, als Pierre Lorenz und Farzana Khan hereinkommen. Die beiden Mitarbeiter stellen Getränke und Trinkbecher bereit, werfen die Spülmaschine, treffen letzte Vorbereitungen.

Ich frage den Leiter, was mich an diesem Nachmittag erwartet. Doch eine eindeutige Antwort hat er für mich nicht. „Wir wissen mittags nie, wie viele kommen“, so Lehr. Manchmal sind es 15 Kinder, manchmal um die 50. An diesem Tag bleibt der Sturm aus, in der ersten halben Stunde kommen lediglich zwei Jugendliche. „Das liegt auch am schlechten Wetter“, erklärt Farzana Khan und blickt auf das nass-krau-kalte Draußen. Im Sommer würden die Jugendlichen teilweise schon vor der Tür warten, bevor das Haus überhaupt öffnet, erzählt sie.

An vier Nachmittagen in der Woche haben die beiden offenen Kinder- und Jugendhäuser in Niederdollendorf und Oberpleis jeweils geöffnet, dazu kommen verschiedene Angebote in den Oster-, Sommer- und Herbstferien sowie mit der „Black Box“ eine Art Spielemobil. Das Angebot richtet sich an alle, die zwischen sechs und 27 Jahre alt sind. „In der Praxis beginnt das jedoch ab acht Jahren und endet mit Anfang 20“, so Lehr. Träger der Häuser ist die Katholische Jugendagentur Bonn.

Respektvolles Miteinander

Einer der ersten an diesem Nachmittag ist der zehnjährige Andreas. Auf der Suche nach einem Billardpartner wird er schließlich bei mir fündig. Er komme öfters hierher, sagt er und versenkt dabei zielsicher eine Kugel. Kaum ist die Partie vorbei, guckt er sich nach der nächsten Aktion um. Eine Runde Fifa auf der Playstation soll es sein, Khan rollt dazu den Fernsehschrank in den Aufenthaltsraum.

Für mich geht es derweil in den Keller zum Pädagogen Pierre Lorenz und Patrick, wo Mikrofon, Boxen und einen Laptop aufgestellt sind. Der 19-Jährige will einen Rapsong aufnehmen, so wie schon an zahlreichen Tagen zuvor. Doch statt gerappt wird zunächst diskutiert. Der Inhalt einer Zeile erscheint dem Pädagogen fragwürdig. Eine Lösung finden sie an diesem Nachmittag nicht. „Es liegt in unserer Verantwortung, was hier aufgenommen wird“, so Lorenz.

Respektvolles Miteinander wird im Haus der Jugend groß geschrieben. Es ist eine der fünf Regeln, die auf einem Plakat im Flur aufgelistet sind. Dazu gehört auch, dass sich die Besucher immer begrüßen und auch verabschieden.

Keine festen Strukturen

Wann die Kinder und Jugendlichen kommen und gehen, steht ihnen völlig frei. „Das Besondere hier ist, dass man mit Jugendlichen arbeitet, die freiwillig herkommen“, erklärt Norbert Lehr, der das Haus seit Oktober 2013 leitet. „Die Hauptaufgabe ist zu gucken, welche Jugendlichen hier sind und was sie wollen. Danach richtet sich dann, wie die Tage aussehen.“ Nur einige Termine sind fest eingeplant. Einmal in der Woche kommt derzeit eine Freizeitgruppe der Caritas, da sind noch Plätzchenbacken und ein Weihnachtsmarktbesuch geplant. Auch eine Halloweenparty gab es, „auf Wunsch der Kinder“, wie Lehr betont.

Eine feste Struktur gibt es ansonsten nicht. Und so ergibt es sich auch spontan, dass an diesem Tag Pizza gebacken wird. Doch wirklich helfen und eingreifen brauche ich hier nicht, die Kinder sollen das selbst machen, erklärt mir Khan, die vor drei Jahren als Praktikantin im Haus angefangen hat und nun als Sozialarbeiterin sowohl hier als auch in Oberpleis tätig ist. Erst als die Pizza aus dem Ofen geholt wird, werde ich tätig und verteile. „Das gemeinschaftliche Kochen und Essen wird sehr geschätzt“, so Lehr.

Ansprechpartner für die Jugendlichen

Mindestens zwei Mitarbeiter sind an den Nachmittagen da, die auch Ansprechpartner für die Kinder und Jugendlichen sind. Egal, ob es um persönliche Probleme oder um die Suche nach einer Feier-Location geht. „Die Kinder hier sind aus allen Schichten“, sagt Lehr mit Blick auf die soziale Herkunft. Dementsprechend vielfältig sind die Fragestellungen.

„Es ist manchmal schon anstrengend“, gesteht Khan. Doch anmerken tut man es ihr nicht. Freudestrahlend macht sie sich daran, die Tischtennisplatten aus der Sporthalle zu rollen. Am nächsten Tag findet hier die Adventsfeier statt. Jetzt am Abend herrscht in den Räumen die Ruhe nach dem an diesem Tag eher schwachen Sturm. Doch das kann morgen schon wieder ganz anders sein.

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