Menschen im Siebengebirge Dieter Streve-Mülhens ist Gentleman und Weltenbummler

Königswinter · Seit Generationen lebt die Familie von Dieter Streve-Mülhens auf dem Wintermühlenhof in Königswinter. Der 74-Jährige Weltenbummler blickt auf die lange Geschichte seiner "4711"-Familie zurück.

Er ist ein Gentleman alter Schule. „Bitte passen Sie gut auf, die Terrassenstufen sind hier ein bisschen uneben“, sagt Dieter Streve-Mülhens und lächelt freundlich. Es ist ein heißer Sommertag, der 74-Jährige trägt ein weißes Leinenhemd mit kurzem Arm, weiße Lederslipper zur schwarzen Hose und steuert auf eine schattige Sitzgruppe in der Parkanlage des Wintermühlenhofs zu. Rechts und links veranstalten Hortensien ein Farbfeuerwerk, über dem Lavendel tanzen weiße Schmetterlinge, hinter der langen Baumallee und meterhohen Hecke ist der Verkehr auf der Ferdinand-Mülhens-Straße nur mehr ein fernes Rauschen.

Über eine Holzbrücke – einem Van-Gogh-Gemälde nachempfunden – geht es zu der kleinen Insel mitten im See mit Teaktisch, Bänken und Aussicht auf den Petersberg. „In der Familie nennen wir das hier die Insel der Seligen“, sagt Streve-Mülhens. Kein anderer Name könnte den Ort besser beschreiben.

Seit 200 Jahren mit dem Siebengebirge verbunden

Mülhens und Königswinter. Seit rund 200 Jahren sind die „4711“-Familie mit dem Stammhaus an der Kölner Glockengasse und die Stadt im Siebengebirge miteinander verbunden. Wenn man Streve-Mülhens nach Episoden aus der Familiengeschichte fragt, muss er nicht lange überlegen. „Mein Urgroßvater war ein äußerst sparsamer Mensch“, sagt er etwa. „Wenn er mit dem Zug aus Köln am Königswinterer Bahnhof ankam, verhandelte er immer mit dem Kutscher der Pferdedroschke über den Fahrpreis zum Wintermühlenhof. Meistens war ihm das dann zu teuer und er ging zu Fuß.“

Weltweiter Verkaufsschlager

Urgroßvater Ferdinand Mülhens war es, der Kölnisch Wasser Ende des 19. Jahrhunderts zu einem weltweiten Verkaufsschlager machte, der in keiner Damenhandtasche fehlen durfte. Er erweiterte die Produktpalette des Unternehmens, entdeckte den Wert der Werbung. Und baute den Wintermühlenhof in Königswinter zum Wohnsitz für sich und seine Familie um. „Er war trotz aller Tradition ein offener, moderner Mensch“, sagt Streve-Mülhens und es klingt eine Mischung aus Stolz und Hochachtung in seiner Stimme mit.

„Er ist viel gereist, brachte Pflanzen aus China nach Königswinter, Italien inspirierte ihn zu der Tempelarchitektur im Park und er elektrifizierte den Wintermühlenhof.“ Außerdem war er Eigentümer der Drachenfelsbahn, ließ – unter anderem – die später nach ihm benannte Straße zwischen Altstadt und Ittenbach, die heutige L 331, bauen und das Hotel auf dem Petersberg. „Er sagte: Das billigste ist, wenn man teuer baut“, so Streve-Mülhens und trinkt einen Schluck Apfelschorle.

Rückkehr ins Siebengebirge

Ferdinands Urenkel kam 1943 in Salzburg zur Welt. Während des Krieges hatte es die Familie nach Bayern verschlagen, erst 1947 kehrte sie zurück ins Siebengebirge und auf den Wintermühlenhof. „Ich weiß noch, dass ich als kleiner Junge bei einem Bad im Mirbesbach, der durch unseren Park fließt, einen Munitionsgürtel und Soldatenhelme fand“, sagt er. „Meine Mutter war außer sich.“ Das Herrenhaus war im Krieg beschädigt worden, die vom Urgroßvater angelegte Parklandschaft komplett verwildert.

„Meine Eltern gingen im Park spazieren und schlugen mit Spazierstöcken rechts und links gegen meterhohe Brennnesseln“, erinnert er sich. 1949 war der heute 74-Jährige i-Dötzchen in der Volksschule in der Altstadt, besuchte das Ernst-Kalkuhl-Gymnasium und später bis zur Matura ein Internat in der Schweiz. Dann zog es ihn in die Welt.

"Natur und Rheintal sind absolut einmalig"

New York, Großbritannien, Südfrankreich. Streve-Mülhens hat an vielen Plätzen der Welt gelebt, viel gesehen. „Mit dem Siebengebirge verbindet mich natürlich auch meine Familiengeschichte“, räumt er ein. „Aber die Natur und das Rheintal sind absolut einmalig.“ Auch deshalb ist er wieder mit seiner Familie auf den Wintermühlenhof zurückgekehrt. Heute lebt seine Tochter mit ihrer Familie im Herrenhaus, er selbst mit seiner Frau und zwei Hunden im ehemaligen Gärtnerdomizil. „4711“ spielt in seinem Leben nur noch eine Nebenrolle.

Gemeinsam mit seinem Cousin leitete er ab 1988 das Unternehmen. Allein, die Chemie zwischen beiden stimmte nicht, juristische Auseinandersetzungen und schließlich der Verkauf der Firma waren die Folge. „Wir waren von Grund auf unterschiedlich“, sagt Streve-Mülhens heute. „Ich hatte noch die Feier zum 200-jährigen Firmenjubiläum ausgerichtet und dachte nur: Das kann doch eigentlich nicht sein, dass das alles jetzt endet.“

Natur, Tiere und Jazz

Es konnte. Seit mehr als zehn Jahren gehört das Unternehmen zum Aachener Parfümproduzenten Mäurer & Wirtz. „Natürlich haben wir noch immer 4711-Produkte im Haus“, sagt Streve-Mülhens und lächelt. Die Natur liebt er, die Tiere und seit seiner frühesten Jugend den Jazz. Seit Monaten plant Streve-Mülhens das Benefizkonzert, das an diesem Sonntag vor der mittelalterlichen Kulisse der Chorruine Heisterbach stattfindet: Das Barbara Dennerlein Trio, Karolina Strassmayer & Drori Mondlak spielen zugunsten des Bunten Kreis Rheinland, der Familien mit schwerstkranken Kindern unterstützt.

„Es sind fantastische Musiker, die sich darauf freuen, in dieser unglaublichen Atmosphäre spielen zu können“, schwärmt er. „Ich hoffe, es wird ein positives Erlebnis für alle, vielleicht ja mit einer Fortsetzung im nächsten Jahr.“

Der Tradition verbunden

Das Faszinierende am Jazz sei doch, dass alles aus dem Moment heraus geschehe, das Gehirn im Bruchteil einer Sekunde etwas improvisiere, das der Körper mit dem Instrument umsetzt. Und sich genauso nie wiederholen lässt. „Wissen Sie“, sagt Streve-Mülhens nachdenklich und nimmt noch einen Schluck Apfelschorle, „meine Eltern waren konservative Menschen, sehr der Tradition verbunden, sehr klar in dem, was geht und was nicht. Und es hieß immer: Für was, muss was.“ Also: Nichts ist gratis auf der Welt. „Als Kind findet man das naturgemäß eher unpraktisch. Vielleicht war der Jazz meine Art, damit umzugehen.“

Enzo allerdings hat Streve-Mülhens dann doch gratis bekommen. Der italienische Rennesel mit Ursprung in Umbrien war nämlich ein Geburtstagsgeschenk seiner beiden Kinder zu seinem 50. Geburtstag. „Er hat allen Mitbewohnern schnell klar gemacht, wer der Herr im Stall ist“, sagt Streve-Mülhens. Ob ihm seine Kinder mit dem ungewöhnlichen Präsent etwas sagen wollten? „Könnte sein“, sagt er und zwinkert freundlich.

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