Winterdienst im Siebengebirge Mit dem Streuwagen auf Frühschicht unterwegs

Königswinter · GA-Redakteurin Heike Hamann hat in aller Herrgottsfrühe die Männer vom Königswinterer Winterdienst begleitet. Und ist dafür mit Karl-Willi Weber in seinem 340 PS starken Streufahrzeug durch den Oberhau gefahren.

4.10 Uhr ist nicht meine Zeit. Dietmar Amrein, stellvertretender Leiter des Königswinterer Baubetriebshofs, klingt dagegen schon erstaunlich munter. Seit 3 Uhr hat er mit einem Kollegen ausgewählte Punkte in der Stadt abgefahren und den Straßenzustand kontrolliert. 3.28 Uhr, Wolfsgasse, Oberdollendorf, Temperatur: minus 1 Grad, Straßenzustand: nass. 3.40 Uhr, Hardtweg, Ittenbach, Temperatur: minus 3 Grad, Straßenzustand: leichte Reifglätte. 3.57 Uhr, Quirrenbacher Straße – Wald, Quirrenbach, Temperatur: minus 4 Grad, Straßenzustand: nass. Um 4.10 Uhr hat Amrein zum Telefonhörer gegriffen und die Männer der Frühschicht zum Baubetriebshof nach Oberpleis beordert. Mich hat er auch angerufen: Winterdiensteinsatz in Königswinter.

Die Häuser dunkel, kein Mensch auf der Straße, kaum ein Auto unterwegs. Der Weg nach Oberpleis ist an diesem Morgen schnell gemacht – trotz nasser Fahrbahn und leichtem Schneegriesel. „Die Wetterentwicklung war in den vergangenen Stunden ziemlich unsicher“, sagt Amrein. „Mal zeigte die Vorhersage Schnee an, mal sollte das Niederschlagsgebiet an uns vorbeiziehen.“

Der Winterdienst muss raus

Erst nach den Kontrollfahrten war für ihn klar, dass der Winterdienst ausrücken muss. Einsatzort ist an diesem Morgen der Bergbereich: „Wir streuen heute die Schulstrecken und Steilstücke“, erklärt Amrein. „Auch wenn es nicht viel Schnee gibt, bildet sich – sobald es hell wird – schnell Reifglätte. Da gehen wir auf Nummer sicher.“ Nicht, dass Karl-Willi Weber ein Morgenmuffel wäre. Aber im Gegensatz zu Amrein braucht der 56-Jährige aus Eudenbach-Gratzfeld doch ein bis zwei Becher Kaffee, um so früh am Morgen seinen Job zu starten: Er ist einer von drei Fahrern, die heute auf den sogenannten „Sondertouren“ im Einsatz sind und das Salz-Sole-Gemisch aus den Streuwagen auf die Straßen bringen.

Sein Einsatzgebiet: eine rund 50 Kilometer lange Strecke durch und rund um den Oberhau. Auf dem Beifahrersitz: ich samt Protokollbogen. Bei jeder Tour ist der Streckenverlauf genau vorgegeben, werden Uhrzeiten notiert und mögliche Hindernisse vermerkt. „Zum Beispiel, wenn ein Auto so geparkt ist, dass wir mit unseren Wagen nicht durchkommen und nicht streuen können“, erklärt Weber. Dann werde das Kennzeichen notiert und so im Zweifelsfall auch eine rechtliche Handhabe geschaffen.

Einsatz wird genau protokolliert

Neben „Eduard-Rhein-Straße“ notiere ich auf meinem Protokollbogen: 5 Uhr. Im Gewerbegebiet Ruttscheid ist noch alles dunkel. „Jetzt fährt es sich am besten“, sagt Weber. „Noch ist kaum Betrieb auf den Straßen. Richtig anstrengend wird es, wenn der Berufsverkehr einsetzt und es immer weiter schneit.“ 340 Pferdestärken bewegt der 56-Jährige, unter den insgesamt sieben Streufahrzeugen ist seines das derzeit modernste, das seit nunmehr zwei Jahren durch Königswinter fährt – samt Klimaanlage, zuschaltbaren Schleuderketten und Temperaturfühler. „Der misst die Temperatur auf der Fahrbahn, sodass automatisch die richtige Menge an Salz-Sole-Gemisch ausgegeben wird“, sagt Weber. Ob alles funktioniert, überprüft er regelmäßig mit einem Blick in die Rückfahrkamera: An diesem Morgen läuft's.

Es geht nach Frohnhardt, weiter nach Neuglück an der Hennefer Stadtgrenze, Sandscheid, Berghausen, Ortsschilder, die ich teils zum ersten Mal lese. Weber fährt ruhig, routiniert. Kein Wunder: Für ihn ist es mittlerweile der 27. Winter, den er bei der Stadt Königswinter und im Winterdienst arbeitet. „Das Wetter checke ich jeden Tag“, sagt er. „Erst recht ab Herbst: Dann könnte ja jeden Tag etwas kommen.“ Von Mittwoch bis Mittwoch geht der Bereitschaftsdienst. „Dann liegt mein Telefon immer neben dem Bett, falls der Anruf kommt“, erzählt Weber.

Schlafprobleme habe er keine: „Ich gehe abends um zehn oder halb elf schlafen, das passt dann. Allerdings gab es diesen harten Winter vor drei oder vier Jahren, als wir quasi rund um die Uhr im Einsatz waren: Da bin ich dann auch schon mal abends um sechs auf dem Sofa weggeratzt.“

Wetterscheide liegt in Bennerscheid

„Komper Straße: 6.10 Uhr“, vermerke ich gewissenhaft auf meinem Protokollbogen. Die Tour durch den Oberhau kennt Weber wie seine Westentasche. „Die Wetterscheide liegt in der scharfen Kurve in Bennerscheid“, hat er etwa ausgemacht. Die kritischste Stelle ist an der Unterdorfstraße in Eudenbach: Das Gefälle hat es in sich. Auch der Anstieg an der Schnepperother Straße ist nicht ohne. „Wenn man hier hängenbleibt, ist es allerdings zumeist ein Fahrfehler“, sagt Weber. Dann kann es einem Streuwagenfahrer passieren, dass er aussteigen und die Straße von Hand abstreuen muss, um voranzukommen.

Mittlerweile brennt in einigen Häusern Licht, Pendler machen sich auf den Weg zur Arbeit. „Ach, da geht ja der Wilfried mit seinem Hund.“ Weber grüßt kurz aus dem Fenster. Und nickt gleich darauf drei Frauen zu, die bei Sassenberg strammen Schrittes, mit Stirnlampen und Nordic-Walking-Stöcken, die Straße entlangeilen. „Bei jedem Wetter, immer zu dieser Uhrzeit“, zeigt sich Weber beeindruckt. Und dann wird es plötzlich noch einmal eng: Am Basaltweg hat ein Wagen auf der rechten Seite ungünstig geparkt, für den Streuwagen wird es knapp. „Passt es?“, fragt mich Weber. „Ja“, sage ich und denke „hoffentlich“. Es passt.

Manchmal wird es eng

„Dahlhausener Straße: 7.00 Uhr“ protokolliere ich die letzte Station an diesem Morgen. Wenige Minuten später fahren wir wieder am Baubetriebshof in Oberpleis vor. „Wie war's?“, fragt Amrein. „Entspannt“, sagt Weber und greift schon mal nach seiner Butterbrotdose. An einem Tag mit starkem Schneefall oder Eisregen würde er jetzt Salz und Sole nachladen und zur zweiten Runde in den Oberhau aufbrechen, dann auch inklusive aller Nebenstraßen.

Für heute gibt das Regenradar Entwarnung. Gleich wird Weber noch seinen Streuwagen mit Wasser reinigen, auftanken und für den nächsten Einsatz vorbereiten. Sein Telefon wird er auch morgen Nacht wieder neben sein Bett legen. Der Anruf morgens um 4 Uhr könnte allerdings ausbleiben: Schnee oder Eisregen sind in den kommenden Tagen nicht in Sicht. Weber hat das Wetter schon gecheckt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort