Dorfkneipe in Bockeroth macht zu Der gesellschaftliche Mittelpunkt geht verloren

Bockeroth · Ob Karneval, große Familienfeiern oder das Feierabendbier: In der Gaststätte „Op de Hüh“ trafen sich Generationen von Dorfbewohnern. Es wird händeringend nach einem Pächter gesucht.

Vor zwei Wochen hat Bockeroth sein Herz verloren. So dürften es zumindest viele der 730 Einwohner des Dorfes nach dem Aus für das Gasthaus Friedrichshöhe sehen. Am 25. März endete mit dem traditionellen Leertrinken der Bierleitungen zumindest vorerst die Geschichte des Lokals, das in Bockeroth eigentlich nur unter dem Namen „Op de Hüh“ bekannt ist und zu dem ein Veranstaltungssaal für 270 Personen gehört.

Für den Bürgervereinsvorsitzenden Holger Willcke ist das eine mittlere Katastrophe. „Wir sind geradezu getrieben, dass der Saal weiterläuft, weil unser gesamtes gesellschaftliches Leben von ihm abhängt“, sagt er.

Viereinhalb Jahre waren für Pächter Holger Deutschmann allerdings genug. „Er wollte nicht seinen Lebensabend hinter der Theke fristen“, sagt Lothar Lehmacher, dem das Gasthaus zusammen mit seiner Mutter gehört. Der Vertrag sei bereits im September ausgelaufen. „Wegen Karneval hat er aber noch weitergemacht, damit die Vereine während der Session noch eine Anlaufstelle haben“, so Lehmacher.

Anzeigen in Fachzeitschriften hatten keinen Erfolg

Weil er im Prinzip seit viereinhalb Jahren wusste, dass es mit dem Pächter nach dem Ende der Vertragslaufzeit nicht weitergehen würde, suchte er bereits seit neun Monaten nach einem geeigneten neuen – aber ohne Erfolg. „Wir haben Privatanzeigen in Gastrozeitschriften geschaltet. Aber man findet selten jemanden, der eine Dorfgaststätte führen möchte, während andere Freizeit haben.“ Im Prinzip könne er das sogar nachvollziehen. Schließlich habe er sich selber dagegen entschieden, den elterlichen Betrieb fortzuführen und einen anderen Beruf ergriffen. Bei den Brauereien sei seine Suche nach einem neuen Pächter auch nicht erfolgreicher gewesen. „Die wollen auch zuerst mal ihre eigenen Objekte an den Mann bringen.“

Dazu komme die schwierige Ausgangssituation für eine Gaststätte in Bockeroth. „Wir leben von der Dorfbevölkerung. Früher hatten wir einen gewissen Kundenstamm, der sonntags zum Frühschoppen kam oder nach der Arbeit auf ein Feierabendbier – auch schon mal zum Unwillen der Ehefrau.“ Dies habe immer mehr nachgelassen, was mit dazu geführt habe, dass der letzte Pächter verstärkt auf jüngere Leute gesetzt habe. Dies sei dann wiederum zu Lasten des älteren Publikums gegangen. „Das war zuletzt eine ganz andere Klientel, was für die Dorfbevölkerung schwierig war“, so Lehmacher. Bei Festen seien zum Teil 80 Prozent der Gäste im mit 270 Personen ausverkaufen Saal von außerhalb von Bockeroth gekommen.

Vereine wollen den Saal behalten

Wie es nun weitergeht? „Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich bin aber skeptisch“, sagt Lehmacher. Er werde noch eine Weile weiter nach einem Pächter suchen. Sicher werde er das Objekt aber nicht jahrelang leer stehen lassen. „Da muss man irgendwann Realist sein und sagen, es hat keinen Sinn mehr.“ Eine Nutzungsänderung zu Wohnnutzung könnte eine solche Option sein. Ob diese – wie zum Beispiel in Ittenbach bei der „Alten Post“ – mit einem Abriss des Gebäudes verbunden sein könnte, ist völlig offen. Das Gebäude, das um das Jahr 1900 erbaut und oft erweitert und umgebaut worden sei, sei zwar alt, aber nicht baufällig, meint Lehmacher. In den vergangenen Jahren sei hier auch einiges Geld investiert worden, unter anderem in ein neues Dach.

Bürgervereinsvorsitzender Holger Willcke sieht hingegen den Festausschuss und seinen Verein in der Pflicht, den Eigentümer bei der Suche nach einem Nachfolger für Deutschmann zu unterstützen. Vor allem die in Bockeroth besonders aktiven Karnevalsgruppen würden mit dem Saal ihren einzigen Proberaum verlieren. Der HSV Bockeroth sei mit seinen Gymnastikgruppen bereits nach Rauschendorf und Stieldorf ausgewichen. Statt eines Seniorenfestes könne man in diesem Jahr wegen des fehlenden Saals nur eine Seniorenfahrt anbieten. „Wir waren bisher ohnehin eines von wenigen Dörfern im Kirchspiel mit einem eigenen Dorfsaal“, sagt Willcke. Im gesamten Kirchspiel gebe es jetzt nur noch das Dorfgemeinschaftshaus in Oelinghoven.

Das Thema stehe aus aktuellem Anlass jetzt auch auf der Tagesordnung der nächsten turnusmäßigen Sitzung der Vorstände der Bürgervereine des Kirchspiels am 25. April im Rauschendorfer Hof. Den Weggang von Pächter Holger Deutschmann bedauert Willcke dabei außerordentlich: „Wirt und Vereine waren eine echte Einheit.“ Deshalb sei der scheidende Gastwirt auch gebührend verabschiedet worden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Hell und licht
Renovierung der Pfarrkirche in Oberdollendorf Hell und licht