Viele Infos aus der Praxis "Dem Sterben Leben geben"

Heisterbacherrott · Monika Müller berichtet in einem Vortrag beim Ökumenischen Hospizdienst über ihre Erfahrung in der Begleitung.

 Monika Müller war zu Gast in der Emmauskirche.

Monika Müller war zu Gast in der Emmauskirche.

Foto: Horst Müller

"Dem Leben Sterben geben." Ein bisschen Sigmund Freud war offensichtlich mit im Spiel, als Rita Schmitz, die Koordinatorin des Ökumenischen Hospizdienstes Königswinter, den Vortrag von Monika Müller in der Emmauskirche ankündigte.

Das Buch der Therapeutin und Autorin, die zuweilen auch als "Grande Dame der Hospizarbeit" bezeichnet wird, trägt den Titel "Dem Sterben Leben geben". Aber ganz falsch sei der Versprecher auch nicht, da die Mitarbeiter des Hospizdienstes in ihrem eigenen Leben ja ständig mit dem Sterben konfrontiert seien, meinte Müller.

Mehr als 100 Menschen, viele selbst in der Hospizarbeit aktiv, manche aber einfach nur an dem Thema interessiert, waren der Einladung gefolgt. Und sie mussten ihr Kommen nicht bereuen. Müller referierte nicht nur zu ihrem Vortragsthema "Spiritualität in der Begleitung sterbender Menschen", sondern erzählte auch ganz viel aus der Praxis.

20 Jahre - von 1992 bis 2012 - war sie Leiterin der Ansprechstelle in NRW für Palliativmedizin, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung.

Wie zum Beispiel ein Schriftsteller mit seiner letzten Lebensphase umging, illustrierte die 70-Jährige zu Beginn ihres Vortrags anhand eines Gedichts von Robert Gernhardt, das dieser im Angesicht des Todes schrieb. Gernhardt starb vor elf Jahren an Darmkrebs, der vier Jahre zuvor diagnostiziert worden war.

War einst viel Glück. Ist jetzt viel Not. Bin jetzt viel schwach. Wirst bald viel tot" lauten die letzten Zeilen. Jeder hat seine eigene Art, mit dem bevorstehenden Tod umzugehen.

Die vornehmste Aufgabe der Begleiter sei es, Sterbenden bei der Gestaltung ihrer letzten Lebenszeit zur Seite zu stehen. "Hinsehen. Handeln. Helfen!" nannte Müller als Schlagworte. Dabei gehe es weniger um Mitleid als um Bei-Leiden, eben bei dem Leidenden zu sein.

Erst Bei-Leiden gebe dem Mitmenschen Bedeutung und Wert. Begleiter könnten zwar oft keine Antworten geben, aber sie könnten immer Antwort sein und damit dem Anderen ermöglichen, in seine eigene Antwort hineinzuwachsen.

Müller ermutigte die Zuhörer auch, sich nicht aus Rücksicht auf die sterbenden Menschen zu verstellen oder in Sack und Asche zu gehen. "Solche Gedanken gehen von der Vorstellung aus, als gäbe es auf der einen Seite die Sterbenden und auf der anderen die Lebenden. Als trügen wir nicht schon heute den Keim des Seitenwechsels in uns, als ob das Sterben kein Bestandteil des Lebens wäre."

Sie berichtete auch, wie sie als junges Mädchen in den Ferien in einer Universitätsklinik gearbeitet habe. Dort habe ihr ein älterer Mann, dessen beide Füße amputiert waren, von seinen alpinen Klettertouren erzählt, die er unternahm, als er noch laufen konnte.

Als sie gesehen habe, wie sich die Oberschenkelmuskeln des Patienten dabei an- und entspannten, als würde er gerade klettern, sei sie in Tränen ausgebrochen. Darauf habe der Patient sie lange angesehen und dann gefragt: "So viel bedeute ich Ihnen? Dass Sie um meinetwillen weinen?"

Anschließend habe er sich bei ihr bedankt. Auch so könne Begleitung aussehen.

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