Kandidatencheck in Königswinter CJD-Schüler fühlen Politikern auf den Zahn

Königswinter · Der Kandidatencheck hat am CJD in Königswinter mittlerweile Tradition: Rund zwei Wochen vor der Bundestagswahl hatten sie fünf Direktkandidaten des Wahlkreises 98 in die Aula geladen, um ihnen ihre Fragen zu stellen.

 Den Fragen der Schüler stellten sich die Bundestagskandidaten im Wahrkreis 98 in der Aula der Jugenddorf-Christophorusschule.

Den Fragen der Schüler stellten sich die Bundestagskandidaten im Wahrkreis 98 in der Aula der Jugenddorf-Christophorusschule.

Foto: Frank Homann

Kommt eine Obergrenze für Flüchtlinge? Wie geht's weiter mit Griechenland? Deutschlands Verhältnis zur Türkei und die Lage in Syrien: Die CJD-Schüler der Realabschlussklassen und der Oberstufe packten am Donnerstag umgehend die großen Themen der Bundespolitik auf den Tisch. Beziehungsweise auf die Pulte. Hinter denen saßen Bettina Bähr-Losse für die SPD, Michael Droste (Linke), Martin Metz (Grüne), für die CDU Norbert Röttgen und Nicole Westig für die FDP.

Den Direktkandidaten für den Wahlkreis 98 fühlten die Jugendlichen rund zwei Wochen vor der Bundestagswahl engagiert auf den Zahn. Von Politikmüdigkeit keine Spur. Etwa zur Halbzeit der rund zweistündigen Veranstaltung bat Nikita Grünwald in der Aula um das Mikrofon. „Bislang herrscht bei Ihnen auf dem Podium eine so große Einigkeit, dass ich mich schon frage, warum wir den Bundestag nicht einfach auflösen und die Politiker die Verwaltung bei ihrer Arbeit unterstützt?“, fragte er provokant. Damit hatte der Oberstufenschüler die Lacher aus dem Plenum auf seiner Seite und die Gäste auf dem Podium ein Stück weit aus der Komfortzone herausgelockt.

Gleichwohl: Völlig Übereinstimmung hatte bis dahin unter den Politikern nicht geherrscht. Die Flüchtlingskrise stand im Mittelpunkt der Diskussion, die CJD-Oberstufenschülerin Mirabella Knoben und der Journalist Andreas Teska moderierten. In den Politikkursen hatten sich die Jugendlichen zuvor Fragen überlegt und sie an das Moderatorenduo weitergeleitet. Und absoluter Spitzenreiter unter den Themen war die Flüchtlingskrise, so Teska.

Kommt die Obergrenze?

Gegen eine Obergrenze und für ein geregeltes Einwanderungsgesetz sprach sich Westig aus. Auf eine „umfassende Kooperation mit Europa und Nordafrika“ setzte unter anderem Röttgen. „Wir müssen offen sein für politische Zuwanderung und viel mehr tun für die Integration“, sagte der langjährige Politikprofi. Und ergänzte schließlich, als Teska nachhakte: „Eine Obergrenze halte ich für nicht praktikabel.“

Eine Obergrenze für Kriegsflüchtlinge lehnten auch Metz und Bähr-Losse ab, beide befürworteten ein Einwanderungsgesetz. „In der Abschiebepraxis läuft einiges verkehrt“, kritisierte der Grünen-Politiker. Und brachte auch das Thema Fluchtursachen ins Spiel: „Solange wir im Supermarkt billiges Hähnchenfleisch und bei Primark das T-Shirt für fünf Euro kaufen, wird sich nichts daran ändern, dass die Menschen vor der Armut in ihrem Land fliehen. Wir müssen auch unsere Art zu leben ändern.“

Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, vernünftig behandeln: Das ist für Bähr-Losse ein Anliegen, die zugleich die wichtige Rolle der Ehrenamtlichen bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise betonte. „Wir dürfen aber nicht alles bei ihnen abladen.“ Eine Einschätzung, die alle Politiker auf dem Podium teilten. „Ehrenamt braucht Hauptamt“, ergänzte Westig. Für die Liberale lautete ein Stichwort: Entbürokratisierung. „Da müssen wir in unserem Staatswesen eine Menge entrümpeln.“

Für verfassungswidrig hielt Michael Droste die Obergrenze und machte die deutsche Wirtschaftspolitik für die Krise mitverantwortlich. Er riet den Schülern auch, sich selbst ein Bild von den Vorgängen zu machen. „Verlasst euch nicht immer auf das, was ihr in den Nachrichten vorgesetzt bekommt“, sagte er. Der Linken-Politiker sprach sich dafür aus, Flüchtlinge, die schwere Straftaten begangen haben, nicht abzuschieben, sondern sie bei einer Verurteilung die Strafe im Gefängnis absitzen zu lassen. „Es gibt keine Sonderbehandlung für Straftäter.“

Kommt ein Wahlrecht mit 16 Jahren?

Drostes Politikkollegen taten sich da schwerer: „Bei einer schweren Straftat würde man sagen: Das Gastrecht erlischt sofort“, so Röttgen. „Als Jurist muss ich sagen: Das kommt drauf an.“ Ähnlich sahen das auch Westig, Bähr-Losse und Metz: „Wohin schiebe ich jemanden ab, der seine Papiere verloren oder entsorgt hat?“, gab Bähr-Losse zu bedenken. „Was passiert, wenn wir jemanden abschieben, den in seinem Heimatland die Todesstrafe erwartet?“, fragte Metz. „Da müssen wir in der Praxis genau hingucken.“

Nach rund zwei Stunden Diskussion und zahlreichen Fragen aus dem Plenum votierten die CJD-Schüler per Stimmkarte für den Bundestagskandidaten, der sie am meisten überzeugt hat. Apropos abstimmen. Für ein Wahlrecht mit 16 Jahren hatten sich zuvor alle Kandidaten auf dem Podium ausgesprochen. Bis auf Röttgen. „Ein Absenken wäre nach fachlicher Einschätzung, aber auch nach meiner persönlichen Ansicht falsch.“

Seine „unpopuläre“ Antwort schadete ihm nicht: Er und Metz erhielten am Ende von den Schülern die meisten Stimmen, Platz drei sicherte sich Bettina Bähr-Losse. Inwieweit die CJD-Schüler damit das Ergebnis der Bundestagswahl vorweggenommen haben, wird sich am 24. September zeigen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort