Mittelalterlicher Brauch Beierkonzert zum Winzerfest in Königswinter

KÖNIGSWINTER · Es ist ein mittelalterlicher Brauch, der in einigen Orten im Siebengebirge auch heute gepflegt wird: das Glockenbeiern. Zum Abschluss des Winzerfests ist erstmals auch ein Beierkonzert in Sankt Remigius geplant.

Der Bacchus wird sich wundern. Zum Abschluss des Winzerfests in Königswinter erklingen die Glocken der Pfarrkirche Sankt Remigius – eine Stunde lang. Die Glockenfreunde Winfried Clarenbach, Ariane Toffel, Georg Wagner und Rolf Linden steigen dann in den Turm und geben ein Beierkonzert.

Während in Nieder- und Oberdollendorf, in Oberpleis und seit wenigen Jahren auch in Heisterbacherrott dieser mittelalterliche Brauch gepflegt wird, war das Beiern in Sankt Remigius nicht mehr üblich – bis Winfried Clarenbach wieder in seine Heimatstadt zurückkehrte. Er ist im Wortsinn „glockenverrückt“ und besitzt eine Sammlung von Schiffsglocken. Sogar das Handy bimmelt bei ihm. In Georg Wagner und dessen Frau Ariane, die in der Bergregion beiern, sowie in Rolf Linden aus Küdinghoven fand er Gleichgesinnte.

Zur Geschichte des Beierns in der Pfarrkirche Sankt Remigius konnte Clarenbach keine Hinweise entdecken. Auch Beiersprüche sind nicht überliefert. Aber: Mit dem Vorsitzenden des Kirchenvorstandes Ulrich Fuchs und Küster Michael Menden stellte er fest, dass Zugvorrichtungen an den Glocken vorhanden sind. Vor einigen Monaten setzten die Glockenfreunde sie wieder instand. Das Winzerfest, das auch gleichzeitig Patrozinium der katholischen Pfarrgemeinde ist, bietet einen passenden Anlass für einen Auftritt.

Wer die vier großen Glocken im Turm erreichen will, muss zwar drei steile Treppen und eine Leiter überwinden. Abenteuerliche Kletterübungen sind jedoch in der 1779/80 errichteten Kirche nicht erforderlich. Nur ein bisschen staubig ist es.

„Beiern nennt man das rhythmische Anschlagen der ruhenden Glocke“, erklärt Clarenbach. „Der Klöppel wird kurz vor den Glockenrand gezogen und mit Seilen arretiert. Dann braucht der Glöckner nur noch fest am Seil zu ziehen und die Glocke erklingt. Er kann so die Abfolge und die Anschlagstärke des Tons beeinflussen.“ Die Beiersprüche sind Merkreime für die Beierleute, mit denen sie Rhythmen und Tonhöhen erhalten.

Witzige Merkreime

Zumeist sind sie sehr witzig. So verulkten die Oberdollendorfer einst die Nachbarn: „Nederdolendörper Bök han Flüü em Röck, schprenge esu huu wie de Hietsebök.“ Rolf Linden ergänzt: „In Küdinghoven gibt es einen Beiervers, der sich darauf bezieht, dass die Beiermänner nach getanem Spiel ein Reisbreigericht serviert bekamen. Daher könnte der Spruch stammen: 'Bränk Löffele heer, bränk Löffele heer'.“

Zwar sind Beiersprüche aus der Königswinterer Altstadt nicht überliefert. Aber es grenzt schon fast an ein Wunder, dass die alten Glockenschätzchen aus Bronze noch im Turm hängen. Denn: Die dem heiligen Remigius und dem heiligen Donatus geweihten Glocken, die in den Jahren 1781 und 1791 bei Urban Mabilot in Saarburg gegossen worden waren, kehrten im August 1946 vom Glockenfriedhof – zwar ohne Klöppel, aber unbeschädigt – aus Hamburg zurück. Sie waren im Sommer 1940 als die damals beiden schwersten Glocken in Königswinter zum Einschmelzen für die Rüstungsindustrie aus dem Turm geholt worden. Vier Glocken befinden sich insgesamt im Turm; eine fünfte von 1862 steht in der Sakristei.

Zur Erstausstattung von 1781 gehört neben der 950 Kilo schweren Glocke auch noch ein 790-Kilo-Exemplar. 1791 kam die 1450-Kilo-Glocke hinzu. Und 1967 wurde das Schwergewicht von 1850 Kilo auf den Namen Sankt Jakobus geweiht. Stifter war Büdchenbetreiber Jaques Lammertz. Die Inschrift lautet: „Läuten möchte ich nur in Friedenszeiten. Mein Klang soll unserer Heimat niemals Leid bereiten.“

Im Jahr 1965 wurde der Glockenstuhl erneuert, hinter dem nun die Beiersleute mit Händen und Füßen an Seilen agieren. Sie müssen aufpassen, die zweitgrößte Glocke tanzt ein wenig aus der Reihe. Clarenbach: „Wegen ihrer Dissonanz klingt das separate Spiel auf den beiden unteren Glocken mit den beiden oberen abwechselnd besser. Beim Läuten der gesamten Disposition fällt die Dissonanz nicht ganz so auf.“ In Küdinghoven hat es Rolf Linden besonders schwer. Er hat es dort mit Eisenhartguss-Glocken zu tun, und die Seile sind dick wie Taue.

Es gibt viele Anlässe zum Beiern. So wie das Patrozinium. Am Dienstag, 3. Oktober, 17 Uhr geht es los. Direkt neben dem Weindorf. Mal sehen, ob Bacchus Peter Giesen dann auch Reisbrei zur Belohnung parat hält.

Wer Interesse am Beiern hat, kann sich an Winfried Clarenbach per E-Mail an die Adresse winni@hotmail.de wenden.

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