Bevölkerungsentwicklung Bürger sehen neue Baugebiete in Königswinter kritisch

Königswinter · Königswinter möchte seine Einwohner bei der Bevölkerungsentwicklung mitnehmen. Die Zielgröße lautet: 46 000 Einwohner bis zum Jahr 2035. Die Bürger üben Kritik.

Über mangelnde Kontakte zu Bürgern kann sich der Technische Dezernent der Stadt Königswinter, Theo Krämer, nicht beklagen. Allein mit den Vertretern der Bürgerinitiative und dem Bürgerverein Vinxel hat er in den vergangenen Monaten mehrere Male zusammengesessen. Seit die Stadt neue Gewerbeflächen und Wohngebiete für neue Einwohner im Bergbereich der Stadt zur Diskussion gestellt hat, sind viele Menschen, die hier bereits wohnen, besorgt.

Die Vinxeler fühlen sich besonders benachteiligt, weil ihr Ort gleich doppelt betroffen ist: durch den Bebauungsplan Kapellenweg/Holtorfer Straße mit einer Fläche von vier Hektar, für den bereits Baurecht besteht; und mit einem Areal westlich und östlich der Holtorfer Straße, das unter den so genannten Potenzialflächen des im vergangenen Jahr vom Stadtrat beschlossenen Handlungskonzeptes Wohnen auftaucht. Auch für diese neun Hektar große Fläche, auf der irgendwann einmal Häuser gebaut werden könnten, wurde von der Politik ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gefasst, was die Bürger in Rage brachte.

Zu Unrecht, wie Krämer versichert. Die Benennung möglicher Potenzialflächen sei doch lediglich ein allererster Schritt, um das von der Politik erklärte Ziel zu erreichen, auch in Königswinter einen Beitrag zur Deckung des großen Bedarfs an Wohnraum in der Region zu leisten. Sonst würden die Immobilienpreise noch weiter steigen. Allerdings hat auch die Zahl von 46 000 Einwohnern bis zum Jahr 2035, die im Empirica-Gutachten genannt und von der Politik als Orientierungsgröße akzeptiert wurde, Kritiker auf den Plan gerufen. Dabei haben die Fachleute festgestellt, dass sich die Alterung ohne Wohnungsneubau beschleunigen und die Bevölkerung schrumpfen würde (siehe Infokasten). Was sie vor Jahren bereits einmal getan hat. Ende 2012 zählte Königswinter nur noch 40 786 Bürger. Nach Jahren der Stagnation bis hin zum Bevölkerungsrückgang war zuletzt wieder eine Steigerung festzustellen: Ende 2017 hatte die Stadt 42 202 Einwohner mit Hauptwohnsitz in Königswinter, 42 844 mit Nebenwohnsitz.

Unklar ob Wert von 46 000 Einwohnern erreicht wird

„Im Handlungskonzept Wohnen wurden verschiedene Entwicklungsszenarien betrachtet, die als Orientierungsgröße für die zukünftige Stadtentwicklung dienen. Die maximal bis zu 46 000 Einwohner stellen dabei das obere Ende der Bandbreite dar“, sagt Markus Theuerkauf. Theuerkauf ist der zuständige Mann in der Stadtverwaltung für das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK), dessen Name ähnlich sperrig klingt wie seine Beschreibung. Ob der Wert von 46 000 Einwohnern in Zukunft erreicht werde, hänge von vielen Faktoren, insbesondere aber von der Verfügbarkeit der Bauflächen ab.

Neubaugebiete sind in der Bürgerschaft schließlich ähnlich beliebt wie Minenfelder. Die Stadt hat daher das ISEK ins Leben gerufen, um den Wachstumsprozess auf solide Füße zu stellen und die Menschen frühzeitig in den Prozess einzubinden. „Die Bürger können sich mehrfach beteiligen, beim ISEK und bei künftigen Änderungen des Flächennutzungsplans und der Aufstellung von Bebauungsplänen“, sagt Theuerkauf.

„Es geht darum, die Stadtentwicklung für die nächsten 20 bis 30 Jahre professionell vorzubereiten und strategisch auszurichten. Wir wollen das nicht dem Zufall überlassen“, meint auch Krämer über das ISEK. Die Überarbeitung des bestehenden Flächennutzungsplans, der noch aus den 1970er Jahren stamme und inzwischen rund 90 Änderungen und Berichtigungen aufweise, sei überfällig. „Wir diskutieren auch nicht darüber, wo morgen die Bagger auftauchen, sondern ob und vielleicht innerhalb der nächsten 25 Jahre“, so der Dezernent. Mit den Informationsveranstaltungen im vergangenen Herbst sei dieser Prozess für die Bürger erstmals greifbar geworden. Ihre Anregungen werden zurzeit noch ausgewertet.

Mehr Menschen bedeuten auch mehr Verkehr

Da Politik und Verwaltung klar ist, dass mehr Menschen auch mehr Verkehr bedeuten, hat der Planungs- und Umweltausschuss im Mai beschlossen, eine Verkehrsuntersuchung für die gesamte Stadt in Auftrag zu geben. Eine erste Einschätzung soll im Herbst vorliegen, die umfangreiche Expertise dann im kommenden Jahr. Dem wird sich möglicherweise ein Verkehrsentwicklungsplan anschließen. Zudem wird eine umweltfachliche Ersteinschätzung für die möglichen neuen Bauflächen erstellt. Untersucht wird aber zum Beispiel auch, ob die hydraulische Leistungsfähigkeit der Regenwassersammler im Bergbereich für größere Baugebiete noch ausreichend ist.

Im alten Flächennutzungsplan sind rund 150 Hektar, das entspricht einer Fläche von 1000 mal 1500 Metern, dargestellt, wo Wohnbauland entwickelt werden könnte. „Davon liegen aber rund 70 Hektar in Schutzgebieten“, sagt Theuerkauf. Auch wenn aus den verbleibenden 80 Hektar die Potenzialflächen entwickelt wurden, tragen diese jede Menge Unwägbarkeiten in sich. So handelt es sich fast ausschließlich um private Flächen, und niemand weiß, ob die Eigentümer wirklich verkaufen wollen. Häufig sind auch Immissionsbelastungen vorhanden, die die Entwicklung teuer oder unmöglich machen. Klar sei aber auch, dass es im Bergbereich der Stadt und dort besonders im Raum Stieldorf/Vinxel die größten Potenziale gebe.

Es geht bei der Stadtentwicklung jedoch nicht nur um Flächen außerhalb der Ortslagen wie in Vinxel. Ebenso im Fokus steht das Schließen von Baulücken, die so genannte Innenverdichtung. „Wir haben viele Potenziale im Bestand“, sagt Cornelia Gamm, Servicebereichsleiterin für Stadtplanung. Empirica hatte ermittelt, das es allein in Thomasberg und Ittenbach noch rund 280 Baulücken mit 20 Hektar Fläche gibt.

Leitbild für einzelne Handlungsfelder wird erarbeitet

Zurzeit wird an gesamtstädtischen Leitzielen in den einzelnen Handlungsfeldern gearbeitet. Auch hier werden die Bürger – voraussichtlich im kommenden Winter – wieder eingebunden. Am Ende dieses Prozesses steht ein Leitbild, das wiederum die Politik beschließen muss. Diesem wiederum wird sich ein konkreter Maßnahmenkatalog in den einzelnen Handlungsräumen anschließen, der bis zum Sommer 2019 vorliegen soll. Darin soll dann zum Beispiel stehen, ob Königswinter einen Verkehrsentwicklungsplan für die Gesamtstadt braucht. „In dem Katalog werden sich viele bekannte Flächen wiederfinden. Es müssen aber nicht alle im ISEK auftauchen“, sagt Theuerkauf. Auch hier hat die Politik das letzte Wort. Auf diesem Konzept bauen dann die Änderungen des Flächennutzungsplans und das Aufstellen von Bebauungsplänen auf.

„Die Wegstrecke ist lang. Wir befinden uns noch im ersten Drittel“, sagt Krämer. Er vergleicht den Prozess mit einer Autofahrt. „Es kommen noch so viele Kreuzungen“. Eines sei aber auch klar. „Politik, Verwaltung und Bürger haben diese Aufgabe jetzt vor der Brust“, sieht er alle in der gemeinsamen Verantwortung. Schließlich gehe es um das Ziel, Königswinter fit für die Zukunft zu machen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort