Fotos von Jan Stel Ausstellung in Königswinter zeigt "Lost Places"

KÖNIGSWINTER · Die Lieblingsmotive des Niederländers Jan Stel sind „Lost Places“. Die Continuum Gallery in Königswinter zeigt nun in einer Ausstellung seine Fotos, die komplett ohne künstliches Licht entstanden sind.

 Fasziniert vom morbiden Charme verlassener Gemäuer: Jan Stel am Wintermühlenhof mit einem kleinen Teil seines Equipments.

Fasziniert vom morbiden Charme verlassener Gemäuer: Jan Stel am Wintermühlenhof mit einem kleinen Teil seines Equipments.

Foto: Frank Homann

Für manch einen mögen es nur Ruinen sein, verfallene Relikte vergangener Zeiten; für Jan Stel jedoch besitzen viele „Lost Places“ eine Seele – ein inneres Wesen, das dem Zahn der Zeit widersteht und das er mit seiner Kamera sichtbar macht. Der niederländische Künstler ist stets auf der Suche nach diesen geheimnisvollen Plätzen, nach alten Industrieanlagen und verlassenen Gemäuern aus vergangenen Epochen, nach stummen Zeitzeugen unserer Geschichte, wie zum Beispiel der Zeche Hugo in Gelsenkirchen, einem alten Casino in Rumänien oder dem „Steel-Giant“, eine im wahrsten Sinne des Wortes gigantische Stahlfabrik in Frankreich. Die eindrucksvollen Fotos, die dort und andernorts entstanden sind, sind noch bis Juni in der Continuum Gallery von Wiktor und Magdalena Borowski im Wintermühlenhof in Königswinter zu sehen.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – auf die Werke von Stel trifft dieses Sprichwort in besonderem Maße zu. Selbst wer die „Lost Places“ persönlich besucht, wird kaum all das entdecken, was der Fotograf mit seiner Kamera offenbart: die vielen architektonischen Details, den Zauber der Farben und des Lichts, die faszinierende Schönheit des im Verfall Begriffenen.

Ohne künstliches Licht

Das Besondere: Stel arbeitet ohne künstliches Licht, das heißt, er verzichtet auf Lampen oder Scheinwerfer, um seine Objekte in Szene zu setzen. Die Suche beziehungsweise das Warten auf das rechte Licht kann Stunden, Tage, manchmal Monate dauern. Den „Stahl-Giganten“ zum Beispiel hat er so lange immer wieder besucht, bis an einem Nachmittag im Herbst die einfallende Sonne die uralten Hochöfen scheinbar zum Glühen brachte.

„'Lost Places' sind ja derzeit ein ganz aktuelles Thema“, sagt Victor Borowski. „Der Unterschied zu anderen Fotografen ist Jan Stels künstlerische Herangehensweise. So kreiert er unglaublich starke Bilder.“ Bilder aus einer alten spanischen Textilfabrik zum Beispiel, die anscheinend sehr plötzlich aufgegeben wurde und seitdem im Dornröschenschlaf liegt.

Stels Fotos zeigen vergilbte Aktenordner, die in einem Holzregal immer noch darauf zu warten scheinen, hervorgeholt zu werden, oder einen verrosteten Webstuhl, auf dem violettes Garn die Zeit beinahe unbeschadet überdauert hat. Ebenso surreal wirken die Fotos aus dem niederländischen „Meer en Berg Hospital“: Während das Treppenhaus mehr und mehr verfällt, leuchtet die Decke des hohen Raums in einem frischen Himmelblau, als hätten die Maler gerade erst Hand angelegt.

Interessante Geschichte

„Die Orte, die ich auswähle, müssen nicht nur eine interessante Geschichte oder Architektur haben, sie müssen mich vor allem gefangen nehmen“, so der Künstler. Ein solcher Ort ist ein alter Gasometer in Belgien. Einen ganzen Tag hat Stel in dem riesigen finsteren Gasspeicher verbracht, hat sich im Dunkeln auf einem schmalen Metallsteig ohne jegliche Sicherung, dafür aber mit einem klammen Gefühl in der Magengegend, in schwindelerregende Höhen gewagt. „Wenn ich ein neues Objektiv aus der Tasche holen wollte, durfte ich mich nicht einfach nach vorne bücken, sondern musste in die Knie gehen – den Blick immer geradeaus gerichtet, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren“, erzählt er.

Viele solcher „Lost Places“ in ganz Europa hat Stel besucht und ist selbst immer wieder überrascht von dem, was diese Orte zu bieten haben – „Orte, die einst voller Leben waren und in denen heute Stille herrscht. Orte, die aber immer noch viel von ihrer Geschichte verraten“. Der Künstler hofft, durch seine Arbeiten dazu beizutragen, diese Plätze vor der Zerstörung zu bewahren: „Ich hoffe, dass der verblasste Ruhm dieser 'Lost Places' wieder hergestellt wird und sie zu einem Ort werden, an dem Jung und Alt Geschichte erleben können.“

Die Ausstellung „Lost Places“ mit Fotos von Jan Stel ist noch bis zum 1. Juni in der Continuum Gallery, Wintermühlenhof 11 in Königswinter, zu sehen. Mehr Infos im Internet unter www.continuum-gallery.com

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