1050 Jahre Dollendorf „Wir haben uns stets auf den Arm genommen“

Dollendorf · Einst rangelten Ober- und Niederdollendorfer auf offener Straße, bis heute foppt man sich – Bewohner aus beiden Ortsteilen tauschen mit einem Augenzwinkern Erinnerungen aus.

 Aufgespießt: Die Rangeleien zwischen Nieder- und Oberdollendorfern hat der GA-Karikaturist Burkhard Mohr, selbst Dollendorfer, aufs Korn genommen.

Aufgespießt: Die Rangeleien zwischen Nieder- und Oberdollendorfern hat der GA-Karikaturist Burkhard Mohr, selbst Dollendorfer, aufs Korn genommen.

Foto: Burkhard Mohr

Dass der Rhein im Mai 1983 wieder einmal über die Ufer trat, war für die Niederdollendorfer ein Grund, die Nachbarn aus Oberdollendorf zu ärgern. An der Fähre stellten sie ein Schild auf: Hochwasser-Besichtigung für Hiesige frei, für Fremde zwei Mark. Die „Küzen“, die aus dem Oberdorf, sollten 30 Mark bezahlen.

Was den Heimatdichter Jean Assenmacher zu einem Gedicht in seinem Büchlein „Dolldep on Dolldep eß zweierlei“ inspirierte, ist typisch für den Umgang der Ortsteile miteinander. Mal treiben sie es toller, mal weniger toll. Beim nächsten Weinblütenfest zeigten sich die Oberdollendorfer großzügig. „Auch für Niederdollendorfer kostet das Gläschen Wein 50 Pfennig“, stand dort auf einem Schild.

Wenn es einen Menschen gibt, dem der Brückenschlag zwischen den Ortsteilen gelungen ist, ist das Lothar Vreden. Mitten durch sein Haus an der Petersbergstraße verläuft die Grenze. Vreden wurde 1991 als Niederdollendorfer und Rektor der dortigen Grundschule Vorsitzender des Heimatvereins Oberdollendorf.

„Als ich gewählt wurde, war das für einige Oberdollendorfer, aber genauso für einige Niederdollendorfer, eine bittere Pille. Diese Entscheidung wurde mir jahrelang vorgehalten“, erzählt er. Franz Riscop, von 1964 bis 1969 Bürgermeister in Niederdollendorf, tröstete ihn: „Su eene joode Vorsitzende kann doch nue uss Niededollendorf komme!“.

Streithähne beschossen sich aus Erbsenpistolen

Vreden erinnert sich auch noch daran, wie es ihm in den Jahren nach dem Krieg erging, wenn er etwas zu einer bekannten Familie nach Oberdollendorf bringen sollte. Mit Herzklopfen sei er damals „durch das Feindesland“ gegangen. Besonders an Karneval sei es an der Grenze zu Streitereien gekommen, sogar zu Gerangel. Schauplatz der Scharmützel sei meistens die Heisterbacher Straße in Höhe der Frankenstraße gewesen. Einige schossen dabei auch mit Plättchen- oder Erbsenpistolen. „Für uns Kinder war das aufregend.“

Der „Grenzstreit“ ist bis heute nicht beigelegt. Die Oberdollendorfer bestehen darauf, dass die Linie in Verlängerung der Friedenstraße über den Proffenweg verläuft. Sie berufen sich auf eine Generalkarte aus dem Katasteramt des Siegkreises von 1825. Die Niederdollendorfer verweisen hingegen auf eine Königlich Preußische Landesaufnahme aus dem Jahr 1893 und die Deutsche Grundkarte des Landesvermessungsamts von 1951, die auch in der Dorfgeschichte des Heimatkundlers Willi Gassen abgedruckt sind.

„Die Grenze verläuft dort über die Frankenstraße und nicht den Proffenweg“, betont Herbert Bracht, der Vorsitzende des Heimatvereins Niederdollendorf. Er legt Wert darauf, dass sie nicht in der Mitte der Friedenstraße verläuft, sondern entlang der Häuserfront auf der Oberdollendorfer Seite. Vor dem Ausbau der Straße gab es jedenfalls lange Auseinandersetzungen, wer was zu bezahlen hat.

Die Oberdollendorfer mit ihren wenigen 100 Metern Rheinufer foppten die Nachbarn gern: „Oberdollendorf am Rhein, Niederdollendorf im Rhein“. Dass jener Schaffner der Deutschen Bahn ein Oberdollendorfer gewesen sei, der die Einfahrt nach Niederdollendorf mit den Worten „Nieder mit Dollendorf“ ankündigte, ist hingegen wohl nur ein Gerücht.

Tatsache oder Legende - wer weiß

„Wir haben uns gegenseitig immer auf den Arm genommen“, sagt Bracht. Als im GA kürzlich die Geschichte des Niederdollendorfer Originals Hermann Ott zu lesen war, der sich rühmte, nie einen Fuß nach Oberdollendorf gesetzt zu haben, zweifelte eine Dollendorferin auf Facebook an deren Wahrheitsgehalt. „Dann kann er ja nie seinen Sohn besucht haben, der doch in Oberdollendorf lebt“, schrieb sie. „Otts gibt es sehr viele. Dieser Hermann hatte definitiv keine Kinder in Oberdollendorf“, so Bracht. Damit nur keine Missverständnisse aufkommen.

Ob es sich bei den Erzählungen der Dollendorfer um Legenden oder um reale Ereignisse handelt, lässt sich nicht immer leicht entscheiden. Das mag auch für die Anekdote gelten, die Herbert Bracht über eine Geburt im Hotel auf dem Petersberg erzählt. „Der Beamte wollte damals wissen, ob das Köpfchen auf Königswinterer oder Dollendorfer Gebiet herausgekommen sei.“ Die Grenze verlief damals direkt über den Berg.

Weil man spätestens nach diesem Fall die Diskussion leid gewesen sei, hätten die Niederdollendorfer damals ihren Anteil am Petersbergplateau an Königswinter verkauft. Der Verkauf im Jahr 1939 ist verbürgt, der Anlass vielleicht nur Legende. Bracht berichtet weiter, dass die Friedenstraße von dem Verkaufserlös als erste Nicht-Hauptverkehrsstraße in Dollendorf asphaltiert worden sei.

Ein Scherzkeks sorgte für eine Zeitungsente

Erst in der jüngeren Vergangenheit spielte sich eine Geschichte ab, in der auch die Presse eine Rolle spielte. Bei der Niederdollendorfer Jaasse-Kirmes berichtete ein Oberdollendorfer Scherzkeks einem Vertreter der schreibenden Zunft, wer der neue Niederdollendorfer Schützenkönig sei. Was dann auch so in einer Zeitung stand (nicht im GA). Dummerweise wurde der König jedoch erst Monate später ausgeschossen.

Die Niederdollendorfer Junggesellen revanchierten sich: Sie verplombten bei der Oberdollendorfer Kirmes das Zelt. „Wegen Baufälligkeit gesperrt. Der Stadtrad von Königswinter“ stand darunter. Der Stadtrat war sozusagen unter die Räder gekommen.

Trotz aller Foppereien sieht Lothar Vreden inzwischen viele Gemeinsamkeiten. Das fange bei der evangelischen Kirchengemeinde an, gehe bei der Fronleichnamsprozession von Ober- nach Niederdollendorf weiter und ende bei ortsübergreifenden Vereinen wie dem TuS Dollendorf oder den Hubertusschützen. Und der Niederdollendorfer Karnevalszug führte in diesem Jahr auch durch Oberdollendorf – mit einem Oberdollendorfer Prinzenpaar.

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