Sommer:Ferien im Siebengebirge „Vor meinem Antlitz sind alle gleich“

Siebengebirge · Wenn der Drachenfels sprechen könnte – ein fiktives Interview mit einem der beliebtesten Berge Deutschlands.

Sommer:Ferien im Siebengebirge: „Vor meinem Antlitz sind alle gleich“
Foto: martinkiermeier - Fotolia

In fiktiven Interviews geht es unter anderem um einen Sack Grillkohle, der für weniger Fett und mehr Bio plädiert, und ein Paar Flip-Flops, das über sein Schattendasein im Winter philosophiert. Den Auftakt aber macht der Drachenfels, der seine Gefühle als Touristenziel offenbart. Mit dem Wahrzeichen der Region sprach Sven Schneider.

Sind Sie eitel?

Drachenfels: Warum fragen Sie?

Sie sind das meistfotografierte Objekt in der Gegend. Gedichte wurden über Ihr Antlitz geschrieben, Lieder gedichtet. Das muss einem doch irgendwann zu Kopf steigen, oder etwa nicht?

Drachenfels: Wenn es mal so wäre. Aber mein Kopf ist ja bereits besetzt. Seit 878 Jahren thront dort ein ziemlich morsches und kaputtes Gemäuer. Ziemlich unschön, das Ganze.

Aber ist es nicht genau die Ruine, die große Künstler wie Heinrich Heine zu ihren Elogen auf Ihren mythischen Zauber veranlasst hat?

Drachenfels: Den hab ich niemals so richtig ernst genommen. Das war ein Düsseldorfer….andere Rheinseite, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Hatte er also nicht recht mit der Schönheit, die er dem Felsen attestierte? Er sah sogar einen Burggeist dort…

Drachenfels: Als der damals hier mit seinen Kumpeln aufgeschlagen ist, haben die gezecht wie die Ketzer und dadurch noch ganz andere Sachen gesehen. Nebelfrauen … ich bitte Sie! Da ist mir dieser Engländer, der auch mal was über mich geschrieben hat, um einiges sympathischer.

Lord Byron?

Drachenfels: Ja, der. Der war zwar irgendwie auch im Delirium und hat ebenfalls jede Menge Frauen gesehen. Aber dazu noch all die anderen Attraktionen dieser schönen Umgebung: Städte, Berge, Fluss. In der Heimat war ich damals ja schon bekannt. Wer mich da nicht alles bewundert hat: Goethe, Hölderlin, Kleist. Aber mit Byron wurde es international … eine prima Werbung für mich.

Die man vielleicht auch mal wieder ein wenig aufpeppen könnte, oder?

Drachenfels: Wie meinen Sie das?

Naja, die Ruine ist ja schön und gut. Aber eben auch allseits bekannt. Vielleicht könnte man ihr zum 900-jährigen Bestehen eine Generalüberholung gönnen und das Gemäuer restaurieren, auf Hochglanz bringen und somit für einen neuen Anreiz sorgen.

Drachenfels: Bloß nicht. Das soll mal schön alles so bleiben, wie es ist.

Warum?

Drachenfels: Gerade weil man mich so auf der ganzen Welt kennt. Was meinen Sie, wie viele Menschen aus anderen Kontinenten hierher kommen, nur um diesen einmaligen Anblick zu genießen? Japaner, Russen, Amerikaner… das volle Programm. Vor meinem Antlitz sind alle gleich: Das ist doch Völkerverständigung in R(h)einkultur.

Das klingt schon ein wenig eitel…

Drachenfels: Mag sein … aber ich kann es mir auch leisten. Und die Ruine profitiert ja ebenfalls. Sie steht sprichwörtlich auf den Schultern eines Riesen. Wer kann das schon von sich behaupten?

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