Prozess wegen Leichengeruchs „Es war ein Grusel“

Ittenbach/Bonn · „Es war ein Grusel“, bringt ein 51-jähriger Polizeibeamter als Zeuge vor der 1. Bonner Zivilkammer auf den Punkt, was er und seine Kollegen Ende Oktober 2013 in dem Haus in Ittenbach erlebten: Die Beamten mussten die fünf Jahre zuvor von ihrem Ehemann getötete und einbetonierte Sigrid Paulus freilegen, und der Leichengeruch, der sich dabei ausbreitete, war kaum zu ertragen.

 Die Polizei musste in dem Haus in Ittenbach die fünf Jahre zuvor einbetonierte Leiche von Sigrid Paulus freilegen und bergen.

Die Polizei musste in dem Haus in Ittenbach die fünf Jahre zuvor einbetonierte Leiche von Sigrid Paulus freilegen und bergen.

Foto: Axel Vogel

Noch immer beschäftigt der Fall die Justiz, denn die Eigentümerin des Hauses, in dem die Tat geschah, hat das Land NRW als Dienstherrn der Polizei auf Entschädigung für Sanierungsarbeiten verklagt mit der Begründung: Die Beamten hätten beim Bergen der Toten nicht dafür gesorgt, dass sich der Leichengeruch nicht im gesamten Haus festsetzt.

Doch an diesem zweiten Verhandlungstag verstärkt sich zunehmend der Eindruck, dass die Klägerin den Prozess kaum gewinnen kann. Und dazu trägt vor allem ein Sachverständiger für Geruchsbelästigung bei. Denn in dem Rechtsstreit geht es um die Frage: Hätte die Polizei das massive Ausbreiten und Festsetzen des „unerträglichen Leichengeruchs“ verhindern können, wenn sie nach getaner Arbeit die Türen im Haus geschlossen hätte? Denn das behauptet die Hauseigentümerin und fordert vom Land 26 223 Euro Schadensersatz.

Mehr als fünf Jahre hatte niemand geahnt, dass Sigrid Paulus tot in dem von ihrem Mann gemauerten Betonsockel im Keller lag, neben dem Raum, in dem die Tochter ihr Zimmer hatte. Am 14. Februar 2008 war die 40-Jährige spurlos verschwunden, und ihr Ehemann hatte seinen beiden Kindern und aller Welt weisgemacht, seine Frau habe sich mit einem anderen Mann abgesetzt.

Doch die Tochter, die besonders unter dem Verschwinden der Mutter litt, hatte immer wieder Polizei und auch die Öffentlichkeit um Hilfe bei der Suche gebeten. Und nachdem die Tochter 2013 wieder einmal Polizei und Medien eingeschaltet hatte, kam Bewegung in den Fall: Am 30. Oktober 2013 rückte die Polizei nach Hinweisen mit einem Bagger an, um den Garten des Hauses in Ittenbach zu durchsuchen. Und da gestand der heute 54-jährige Ehemann, er habe seine Frau im Keller eingemauert. Er wurde am 17. März 2014 wegen Totschlags zu acht Jahren Haft verurteilt.

„Wir hatten nicht damit gerechnet, dass im Keller eine einbetonierte Leiche lag“, sagt einer der damals ermittelnden Kripobeamten nun im Zeugenstand. Der Ehemann habe sie zu einem Sockel geführt – 60 Zentimeter tief, einen halben Meter breit und 1,90 Meter lang. „Als das erste Loch in den Sarkophag geschlagen war, trat der entsprechende Geruch aus“, sagt der Polizist. Alle Türen und das Kellerschachtfenster seien geöffnet gewesen: „Es war sonst unzumutbar, dort zu arbeiten.“

Wie schwierig und belastend diese Arbeit war, beschreibt auch ein damaliger Spurensicherer als Zeuge: Bis zu zehn Leute hätten mit Pressluftbohrer und anderen Geräten den ganzen Tag gearbeitet und sich abgewechselt, bis die Leiche geborgen gewesen sei. Anders sei es nicht möglich gewesen. „Der Geruch war auch in meinen Klamotten drin. Das ist etwas, was man mit nach Hause nimmt“, sagt der Beamte. Anwohner hatten berichtet, der Geruch habe sich in der ganzen Straße verbreitet. Auch am folgenden Tag musste die Polizei weiter Spuren sichern. Und als sie fertig war, ließ sie die Türen offen.

Dass genau das aber zu einer Verstärkung des bis dahin schon massiven Leichengeruchs im Haus geführt habe, ist dem Geruchsgutachter zufolge nicht festzustellen. Im September will das Gericht sein Urteil verkünden.

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