Neschen an der Autobahn 3 „Die Verunsicherung der Bürger ist verständlich“

Neschen · Gute Verkehrsanbindungen werden über Landesgrenzen hinweg zum Nachteil: Bestens vernetzte Banden machen sie sich zunutze.

 Können die Sorgen der Bürger verstehen: Gerhard Bast (links) und Werner Zorn auf der Raststätte Fernthal. Sie sehen allerdings keinen Brennpunkt in Neschen.

Können die Sorgen der Bürger verstehen: Gerhard Bast (links) und Werner Zorn auf der Raststätte Fernthal. Sie sehen allerdings keinen Brennpunkt in Neschen.

Foto: Axel Vogel

Wie kommentiert die Polizei die Vorkommnisse in Neschen und Scharenberg? Ansprechpartner sind Werner Zorn, Dienststellenleiter der für beide Orte zuständigen Polizeiinspektion Straßenhaus, und Gerhard Bast, der die Autobahnpolizeistation Montabaur leitet. Zu deren Zuständigkeitsbereich gehört die A 3 inklusive der Raststätte Fernthal. Sowohl Zorn wie auch Bast waren zu einem Gespräch mit dem General-Anzeiger auf dem Raststättengelände bereit, weil sie unisono sagen: „Wir können die Verunsicherung der Bürger vor Ort verstehen.“

Fakt ist aber für die Polizei zunächst: Die Zahlen der Bürgerinitiative zum Einbruchsaufkommen in Neschen und Scharenberg unterscheiden sich grundlegend von der Kriminalitätsstatistik. So will Zorn die 36 Einbrüche in den vergangenen 15 Jahren auf 400 Metern Straße in Neschen weder bestätigen noch dementieren.

Er sagt: „Aufgrund sich ändernder kriminologischer Rahmenbedingungen erscheint nur eine Langzeitbetrachtung der letzten fünf Jahre für sinnvoll.“ Die Statistik der Polizeiinspektion Straßenhaus beginnt erst ab 2012 und besagt: In dem Jahr gab es in Neschen zwei Einbrüche, drei Taten wurden 2013 registriert, zwei im Jahr 2014, neun im Jahr 2015 und eine seit Anfang dieses Jahres.

Neschen: Ein Ort wehrt sich
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Unbestritten etwas Besonderes war aber auch aus Sicht von Werner Zorn die Situation im vergangenen Jahr: „Zwischen dem 6. Oktober und dem 27. Dezember hatten wir allein acht von neun Einbrüchen in Neschen und Scharenberg zu verzeichnen.“ Davon wiederum seien fünf Straftaten im Zuge einer Serie in Scharenberg begangen worden, und zwar in der Nacht vom 26. auf den 27. Dezember 2015. „Bezogen auf die geringe Einwohnerzahl der Orte ist das schon eine auffällige Sache“, sagt Zorn. „Das sollte man nicht herunterspielen.“ Schließlich schränkten die Einbrüche die Wohnqualität ein.

Doch er sagt auch: „Neschen ist kein Brennpunkt im Bereich der Polizeiinspektion Straßenhaus was Einbruchsdelikte angeht.“ Dabei verweist er auf Statistikzahlen zum gesamten Kreis Neuwied, der von den Polizeiinspektionen Neuwied, Linz, Straßenhaus und der Kriminalinspektion Neuwied betreut wird. Hier sei eine insgesamt hohe Zunahme von Einbrüchen festzustellen.

Schwerpunkt ist laut Zorn die Inspektion Straßenhaus, in dessen Zuständigkeitsbereich allein im vergangenen Jahr knapp die Hälfte aller aktenkundigen Delikte im Kreis Neuwied verübt wurden, nämlich 210 von 430. „Das ist schon eine enorme Zahl“, sagt der Polizist und kann Gründe dafür nennen.

Vier Anschlussstellen zur vielbefahrenen A3

Der knapp 400 Quadratkilometer umfassende Bereich der Polizeiinspektion Straßenhaus ist laut Zorn „sehr ländlich geprägt“, gleichzeitig aber auch mit einer sehr guten Verkehrsanbindung ausgestattet. Und das sei genau das, was „hochmobile, bestens organisierte und vernetzte Banden“ zu schätzen wissen. Bei denen sind nach Zorns Aussage vor allem südosteuropäische Täter aus Rumänien, Bulgarien und Georgien aufgefallen. Zudem Schrottsammler und „Bettlergruppen“ aus dem Köln-Siegburger Raum, „von denen einige bereits polizeibekannt waren“, so Zorn.

Was Einbrecher gleichermaßen anzieht ist, dass das Gebiet an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen von den Bundesstraßen 8 und 256 durchzogen wird; ferner gibt es vier Anschlussstellen zur vielbefahrenen A 3.

Entlang solcher Verkehrstrassen häufen sich nach Erfahrung von Inspektionsleiter Zorn auch die Einbrüche. Dabei überschreitet das Phänomen aus Sicht von Autobahnpolizist Gerhard Bast die Landesgrenzen: „Entlang der A 3 kann man in der Nähe der Ausfahrten bis nach Hessen hinein weitere Einbruchsschwerpunkte beobachten.“ Natürlich ist laut Bast diese wichtige und gut ausgebaute Autobahn „auch für die Bewegung von Straftätern wichtig“. Schließlich seien täglich rund 100.000 Fahrzeuge auf der A 3 unterwegs, davon etwa ein Drittel Lastwagen.

Ob die Einbrecher für die Diebestouren in Neschen die Raststätte Fernthal als Ausgangspunkt genutzt haben, wie Betroffene glauben, kann Bast nicht sagen: „Dafür haben wir keine Anhaltspunkte.“ Wohl aber sind der Autobahnpolizei andere Delikte aufgefallen, für die die Täter sich gezielt die Raststätte aussuchten.

Gerhard Bast verweist vor allem auf die sogenannten „Planenschlitzer“: So nennt die Polizei Ladungsdiebstähle, für die die Täter Lastwagenplanen aufschneiden. Wegen einer erhöhten Anzahl solcher Delikte habe die Autobahnpolizei ihre Kontrollen erhöht. Aber Bast räumt auch ein: „Nachts sind oft die Parkplätze auf der Raststätte hoffnungslos überfüllt, so dass polizeiliche Maßnahmen ganz schwer durchzuführen sind.“ Anders formuliert: Es gibt zu wenig Beamte.

Auch die Dienststellen der Polizeidirektion Neuwied haben auf die steigende Zahl der Einbruchsdelikte im Landkreis reagiert. Nach 85 Taten allein im Januar und Februar dieses Jahres wurden im Februar und März mobile Kontrollen mit vielen Kräften durchgeführt. Der Erfolg war unmittelbar messbar. Zorn: „Die Fallzahlen gingen sofort deutlich zurück und lagen schließlich bei null.“ Allerdings sei dieser Aufwand nur befristet zu leisten: „Wir sind personell nicht in der Lage, das durchzuhalten.“

Schuld sei eine seit Jahren ausgedünnte Personaldecke, die dafür gesorgt habe, „dass wir in der Polizeiinspektion Straßenhaus deutlich zu wenig Beamte zur Verfügung haben“, so Zorn. Dieses Problem hätten aber mehr oder weniger alle Polizeidienststellen im Land. Das bestätigt man auch bei der Autobahnpolizei Montabaur.

Zwar war Dienststellenleiter Bast nach der Schließung der Wache auf der Raststätte Fernthal vor vier Jahren versichert worden, dass diese Maßnahme „kompensiert wird“. Doch Fakt ist angesichts einer angespannten Personalsituation: „Es könnte zukünftig fraglich sein, ob wir wie bislang ein Fahrzeug zur Überwachung unseres nördlichen Bereiches vorhalten können.“ Im Fall eines Einsatzes an der Raststätte Fernthal könnte das bedeuten, dass ein Streifenwagen aus Montabaur eine 55 Kilometer lange Anfahrt hat.

Stichwort: Planenschlitzer

Bei sogenannten Planenschlitzern, wie die Polizei Ladungsdiebstahl nennt, werden geparkte Laster ausgekundschaftet, deren Fahrer schlafen. Die Täter schlitzen die Plane der Ladefläche auf. Oft steht dann schon ein weiterer Laster der Diebe bereit, um die Beute schnell umladen zu können.

Aus Sicht von Gerhard Bast, Leiter der Autobahnpolizei Montabaur, handelt es sich beispielsweise für die Diebe um einen lohnenden Raubzug, „wenn ein schwach gesicherter Lkw Elektronikteile im Wert von 100.000 Euro geladen hat“. 2014 und 2015 habe man jeweils 20 solcher Fälle registriert, seit Anfang des Jahres bis Ende März waren es aber schon 29 Fälle. „Seitdem ist aber nichts mehr passiert“, so Bast. Allerdings seien viele Taten im Versuch steckengeblieben.

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