Tierschutzeinsatz in Aegidienberg Vernachlässigte Rinderherde: Halter weist Vorwürfe zurück

Aegidienberg · Bei einem Großeinsatz holten Mitarbeiter des Kreis-Veterinäramtes 32 Tiere ab, die unter katastrophalen Bedingungen auf einer Weide in Himberg lebten. Der Halter kündigt an, gegen das "überzogene" Vorgehen des Kreises juristisch vorzugehen.

Für einige Tiere kam diese Hilfe zu spät: Mit einem Großeinsatz holten Mitarbeiter des Kreis-Veterinäramtes am Mittwoch 32 völlig vernachlässigte Rinder von einer Weide in Aegidienberg. Ein Bulle musste an Ort und Stelle von seinen Leiden erlöst werden. Ein Kalb war bereits elendig verendet. Die übrigen verwilderten Tiere wurden eingefangen und isoliert in einem Stall untergebracht und werden von einem Tierarzt behandelt, hieß es gestern.

„Den Halter der Herde erwartet wegen der erheblichen Vernachlässigung seiner Rinderherde eine Strafanzeige“, teilte Rita Lorenz, Pressesprecherin des Kreises mit. Zu dem Einsatz kam es, nachdem Anwohner Tierschutzanzeige gestellt hatten. Der Eigentümer der Herde wies gestern die Vorwürfe zurück und sagte dem GA, er wollte gegen die Beschlagnahme juristisch vorgehen. Die Tiere seien von einem Arzt behandelt worden, auf der Weide habe alles seine Ordnung gehabt. Das Vorgehen des Kreises sei überzogen.

Einsatz dauerte bis in die Nacht

Die Szenerie an der Hubertusstraße in Himberg gestern morgen: Rot-weißes Flatterband und Sperrbaken zeugen von dem Einsatz, der 30 Mitarbeiter von Veterinäramt, Ordnungsamt, Feuerwehr und Polizei am Vortag vom Nachmittag bis gegen zwei Uhr nachts in Atem gehalten hatte. An der Tür zum nahen Hof, der in diesem Moment verwaist ist, steht zu lesen: Der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums fördert hier Agrarumweltklimamaßnahmen.

Die ländliche Idylle täuscht: Was die Kreismitarbeiter am Mittwoch vorgefunden haben, klingt selbst in nüchternem Behördendeutsch alarmierend. Die Rinder seien unter „katastrophalen Bedingungen“ gehalten worden, heißt es. Und: „Ein Kalb war im tiefen Morast stecken geblieben und bereits verendet, ein Bulle war so schwer verletzt, dass er noch vor Ort eingeschläfert werden musste.“ Das Amt habe nach der Ortsbesichtigung entschieden, dass sofortiger Handlungsbedarf bestehe.

„Manchmal kann man mit Auflagen noch Missstände beheben, aber in diesem Fall war klar, dass die Tiere dort nicht bleiben können“, so Lorenz. Für manchen Himberger ist das keine Überraschung, wie Passanten und Nachbarn dem GA berichteten. Seit geraumer Zeit seien die Zustände auf der Weide, auf der seit fünf bis sechs Jahren Rinder gehalten würden, Gesprächsstoff. Anwohner aus Himberg, die namentlich nicht genannt werden wollen, berichteten, es habe bereits „mehrere Anzeigen“ gegeben.

Anwohner berichten, schon zuvor seien Tiere verendet

Dem Vernehmen nach ging es nicht alleine um die Kühe und Bullen, sondern auch um den Allgemeinzustand des Geländes, auf dem früher auch Pferde gehalten worden seien. Bislang aber seien die Beschwerden nicht „auf fruchtbaren Boden gefallen“. Dabei sei vor allem das Leid der Tiere, die sommers wie winters sich selbst überlassen worden seien, offensichtlich gewesen. Von Verletzungen wie gebrochenen Beinen ist da die Rede. Dann auch von Jungkühen, die ihre Kälber nicht alleine zur Welt bringen konnten und unter der Geburt verendet seien.

„Alleine in den vergangenen drei Wochen hat man dort wieder mehrere Tiere sterben sehen“, berichtete ein Himberger. Bürger aus dem Ort hätten sich immer wieder der Tiere erbarmt, manche Futter vorbeigebracht, andere Wasser. „Die Situation sorgt für großes Entsetzen.“ Alle seien froh, dass der Kreis nach eingegriffen und die Aktion „sehr zügig“ umgesetzt habe.

Die Inobhutnahme der Tiere gestaltete sich allerdings schwierig, und so wurde es für die Helfer eine lange Nacht: Immer wieder brachen einige der halb wilden Rinder, die den Umgang mit Menschen offenbar nicht gewohnt waren, aus. Die Helfer verhinderten, dass die panischen Tiere auf die Himberger Straße oder ins nahe Schmelztal liefen. Erst gegen zwei Uhr morgens waren die Tiere verladen. Laut Kreis „ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, das nur aufgrund der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten“ geglückt sei.

Für den Halter wird sein Umgang mit der Herde ein rechtliches Nachspiel haben, so der Kreis. Zudem werde man die Kosten für den Einsatz zwar zunächst vorstrecken, hoffe aber, das Geld vom Halter zurückzubekommen, so Lorenz. Die Anwohner sind derweil froh, dass das Leid der Tiere ein Ende hat. „Es ist wichtig, dass so etwas nicht noch einmal passiert“, sagte ein Himberger.

Gerichte verhängen immer öfter empfindliche Strafen

Der Grundsatz des Tierschutzgesetzes lautet: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen”. Der § 17 des Tierschutzgesetzes sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor, wenn ein Tier mutwillig getötet oder gequält wird. In der Praxis werden Tierquäler so gut wie nie zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Dennoch verhängen in Deutschland Gerichte immer öfter empfindliche Strafen, wenn es um Tierquälerei geht. Und auch die Wegnahme von Tieren aufgrund nicht tiergerechter Haltung wird heute immer häufiger umgesetzt.

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