Herr über 500 Schafe Timm Freymann ist Schäfer im Siebengebirge

SIEBENGEBIRGE · Der 32-jährige Timm Freymann bewirtschaftet mit seinen rund 500 Merino- und Schwarzkopfschafe die Wiesen im Siebengebirge. Die Tiere sind in der Landschaftspflege unerlässlich.

 Auf den hölzernen Schäferstab gestützt steht Timm Freymann inmitten seiner Herde.

Auf den hölzernen Schäferstab gestützt steht Timm Freymann inmitten seiner Herde.

Foto: Frank Homann

Fußballspieler, Polizist oder Pilot – das sind die Traumberufe der meisten Jungen. Nicht so für Timm Freymann. Schäfer wollte er sein, das stand für ihn von klein an fest. Heute ist der 32-Jährige Herr über rund 500 Merino- und Schwarzkopfschafe. Mit seiner Herde zieht er seit Anfang Mai wieder kreuz und quer durchs Siebengebirge – überall dorthin, wo eine Wiese „gemäht“ werden soll. Freymann ist nicht der einzige Schäfer, der im Auftrag der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis unterwegs ist: Gleich drei Schafherden mit mehr als 600 Muttertieren verhindern, dass die Wiesen in den kreiseigenen Schutzgebieten zuwuchern.

Die vierbeinigen Mitarbeiter sind in der Landschaftspflege unerlässlich: Sie arbeiten ökologischer als jede Mähmaschine, liefern kostenlosen Naturdünger, befestigen den Boden und unterstützen sogar die Artenvielfalt, indem sie Samen und Sporen in ihrer Wolle von A nach B transportieren.

Scherkolonne Anfang Juni

Mittagssiesta für Schafe und Schäfer im Siebengebirge: Die Herde drängt sich unter einem großen Baum in den Schatten. Freymann hat große Bottiche mit Wasser befüllt, damit die Tiere trinken können. Es ist heiß für die Jahreszeit, kein Vergnügen für die Schafe mit ihrer dicken Wolle. Erst Anfang Juni rückt die Scherkolonne an. „Vorher können die Nächte noch zu kalt sein“, erläutert Freymann. Auf den hölzernen Schäferstab gestützt, steht er inmitten seiner Herde, die Ärmel aufgekrempelt, einen breitkrempigen Lederhut auf dem Kopf.

Nicht, dass er als gelernter Schäfer die Tiere nicht auch selbst von ihrem Fellballast befreien könnte, „aber bei so vielen Schafen ist das alleine einfach nicht machbar“. Auch so hat Freymann alle Hände voll zu tun – an eine beschauliche Mittagsruhe inmitten einer friedlich grasenden Schafherde ist nicht zu denken. Wer weiß, ob nicht irgendein „schwarzes Schaf“ auf die Idee kommt, einem Wanderer zu folgen und eigene Wege zu gehen.

Die Herde ist ständig in Bewegung

„Die können schneller rennen als wir“, sagt Freymann und schmunzelt. Ohnehin ist die Herde ständig irgendwo in Bewegung – springt ein Tier zur Seite, rennt ein ganzes Dutzend mit. Herdentrieb eben. Aber nicht nur deshalb hat der Schäfer permanent ein wachsames Auge auf seine Tiere. Hat sich vielleicht ein Schaf einen Dorn eingetreten und humpelt? Wirkt eines krank? „Bei so vielen Tieren ist immer etwas zu tun“, so Freymann.

Kommen vielleicht Hunde zu nahe, die die Herde in Angst und Schrecken versetzen könnten? Immer wieder ärgert sich der Schäfer über Hundebesitzer, die ihre Tiere im Naturschutzgebiet verbotenerweise frei laufen lassen: „Das ist jedes Jahr ein großes Problem.“ Hunde im Jagdfieber können ein Schaf mitunter kilometerweit von der Herde weg hetzen.

Drei Hütehunde

Freymann selbst besitzt drei Hütehunde, die er selbst ausgebildet hat: Caro, Till und Raoul halten die Herde zusammen – vor allem, wenn es quer durch den Wald zur nächsten Wiese geht. Zwei bis zweieinhalb Hektar Land beweiden die Schafe tagtäglich, umgezogen werden muss daher jeden Tag. Wanderungen von bis zu zehn Kilometer sind kein Problem für die Merinos, selbst die Lämmchen laufen mit. Neugeborene dürfen die Strecke allerdings auch schon mal auf „Emmas“ Rücken zurücklegen. Der Esel ist ein wichtiger Bestandteil der Herde. Als Lasttier transportiert er Netze für Zäune und anderes Material, wenn die Anfahrt mit dem Auto nicht möglich ist.

Freymann ist Schäfer aus Leidenschaft. Bereits als kleiner Knirps im Kindergartenalter ist er dem Wanderschäfer, der durchs Dorf zog, hinterhergelaufen. Nicht nur die Tiere hatten es ihm angetan; je älter er wurde, desto mehr faszinierte es ihn, was der Mann leistete: „Er kam aus der Eifel und ist mit seiner Herde bis in den Westerwald gezogen.“ Seitdem stand auch für Freymann fest, was er einmal werden wollte. Seine Eltern bestanden allerdings zunächst auf eine landwirtschaftliche Ausbildung – doch auch in dieser Zeit verbrachte er jede freie Minute bei den Schafen.

Von Mai bis September unterwegs

Einige Flaschenlämmer, die er selbst mit der Hand aufzog, bildeten den Grundstock für die eigene Herde – mit der er dann Anfang 20 in die Selbstständigkeit startete. Seit 2012 ist er nun von Mai bis zum Beginn der Apfelernte Anfang September mit seinen Schafen für die Biostation unterwegs, um 60 Hektar Streuobstwiesen zu beweiden. Im Herbst zieht Freymann dann mit der Herde in den Westerwald um, auch dort gibt es Wiesen, die „abgegrast“ werden müssen.

Etwa zwei Drittel des Jahres ist der Schäfer auf Wanderschaft. „Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um das zu machen“, sagt Freymann. „Schafsbekloppt“, wie er es nennt. Er opfert viel für seinen Traumberuf. Mit der Familie in Urlaub zu fahren hat Seltenheitswert. Abends mal früh bei Frau und Kindern zu Hause zu sein – ein frommer Wunsch. Trotz allem: Freymann liebt die Arbeit mit den Tieren, die Stille und Abgeschiedenheit in der Natur. Und er genießt es, seine Ruhe zu haben: „Am Schönsten wäre es, wenn man Drumherum nicht noch Verpflichtungen und Termine hätte.“

So sehr Freymann auch seinen Beruf liebt, eine Schattenseite gibt es doch: Rund 150 Lämmer bringen seine Mutterschafe jedes Jahr – zumeist zur Hauptlammzeit im Dezember – zur Welt. Während die weiblichen Lämmchen bei der Herde bleiben dürfen, führt für die meisten kleinen Böckchen die Reise schlussendlich zum Schlachter. Das fällt auch einem gestandenen Schäfer nicht leicht. Eines würde er daher nie essen, so lecker es auch sein mag: „Lammfleisch“.

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