Frauenzentrum Bad Honnef/Königswinter Mehr als 1500 Gespräche mit Gewaltopfern

BAD HONNEF · 456 Frauen und Mädchen suchten auch im vergangenen Jahr im Frauenzentrum Bad Honnef Hilfe wegen physischer, psychischer oder sexualisierter Gewalt. Zur Seite stehen ihnen in der Einrichtung vier hauptamtliche Fachkräfte.

 Engagierter Neuzugang im starken Team um Jacqueline Michal (l.) und Lisa Schulte (r.): Öffentlichkeitsarbeitsbeauftragte Christina Münk.

Engagierter Neuzugang im starken Team um Jacqueline Michal (l.) und Lisa Schulte (r.): Öffentlichkeitsarbeitsbeauftragte Christina Münk.

Foto: Frank Homann

Das Frauenzentrum Bad Honnef hat sich personell verstärkt. Mit Christina Münk gewann das Team eine weitere hauptamtliche Fachkraft. Sie ist Doktor der Philosophie und wird sich um Prävention und Öffentlichkeitsarbeit gegen sexualisierte Gewalt kümmern. Jacqueline Michal aus dem Vorstand des Trägervereins „Frauen für Frauen“ freute sich bei der Vorstellung der neuen Mitarbeiterin: „Wir haben eine ganz neue Stelle bekommen, die zu 85 Prozent vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert wird. Das finden wir grandios. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Land diesen Arbeitsbereich als sehr wichtig erachtet.“

Zwar müsse der Verein die restlichen 15 Prozent der Mittel selbst aufbringen, aber diese Chance habe man sich nicht entgehen lassen wollen. Das Frauenzentrum wird nur teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert: „Frauen für Frauen“ muss deshalb jährlich rund 30 000 Euro aufbringen, vor allem durch Spenden. Die neue Stelle öffnet eine Finanzierungslücke von 5000 Euro.

Fördermittel müssen jährlich neu beantragt werden

Mit Christina Münk stehen im Frauenzentrum nun insgesamt vier hauptamtliche Fachkräfte und eine Teamassistentin zur Verfügung. Speziell für die Problematik sexualisierter Gewalt gibt es bereits seit 1999 eine halbe Stelle. Michal: „Die stand schon ein paar Mal auf der Kippe.“ Denn die Fördermittel müssten jährlich immer wieder neu beantragt werden.

Erfreut ist das Team, dass die neue Stelle nun bereits bis 2018 bewilligt wurde. Michal: „Durch diese Aufstockung kommt nun noch mehr Kraft hinein.“ Diplom-Sozialarbeiterin Lisa Schulte ist beim Thema „Hilfen nach sexualisierter Gewalt“ gefragt, und auch Di-plom-Sozialarbeiterin Michal ist im Zuge der allgemeinen Frauenberatung davon tangiert.

Prävention ist ein wichtiges Ziel

Diese beiden Themenfelder, Prävention gegen und Hilfen nach sexualisierter Gewalt, bilden inhaltlich nun ein eigenständiges Arbeitsgebiet im Frauenzentrum. Michal: „Uns kommt es darauf an, präventiv zu arbeiten, dass es gar nicht erst zu sexualisierter Gewalt kommt, und wenn doch, dass daraus keine großen Folgeschäden entstehen.“ Denn ein Großteil der betroffenen Frauen leide unter psychischen Folgebeschwerden wie Schlafstörungen, Depressionen oder erhöhte Ängste.

In der Bad Honnefer Einrichtung wurden 2016 mehr als 1500 Beratungsgespräche geführt; 456 Frauen und Mädchen suchten Hilfe wegen physischer, psychischer oder sexualisierter Gewalt. Michal: „Der Bedarf an Beratung ist gleichbleibend hoch.“ Die Beobachtung: Heute würden Frauen eher als noch vor einigen Jahren über dieses Thema sprechen.

Michal: „Frauen öffnen sich schneller. Häusliche Gewalt wird heute eher thematisiert.“ Die Klientinnen würden sich im Alter zwischen 14 und über 80 Jahren bewegen. Auch 16 traumatisierte Flüchtlingsfrauen werden betreut.

"Ein Nein ist ein Nein"

Christina Münk erinnerte an das neue Sexualstrafrecht: „Die sexuelle Selbstbestimmung ist ein Rechtsgut. Ein Nein ist ein Nein. Auch Grapschen ist eine Straftat.“ Die neue Mitarbeiterin möchte die Öffentlichkeit sensibilisieren und informieren. Bereits konkret geplant ist eine Kampagne zur Aufklärung über K.o.-Mittel. Sie möchte Informationsveranstaltungen zur sexualisierten Gewalt im Netz und zum neuen Sexualstrafrecht durchführen. Kurse zur Selbstverteidigung und Selbstbehauptung werden in das Programm 2017 Einzug halten. Auch die Zusammenarbeit mit Polizei und regionalen Netzwerken, psychosoziale Beratung, rechtliche Informationen und Traumatherapie sind weitere Punkte.

Christina Münk nannte Zahlen: „35 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr mindestens einmal sexuelle oder körperliche Gewalt erlebt, sind also geschlagen, getreten, geohrfeigt, begrapscht, genötigt oder zum Sex gezwungen worden. Eine von zwanzig Frauen wird vergewaltigt, eine von zehn erlebt andere Formen sexueller Gewalt.“

77 Prozent der von sexueller Gewalt betroffenen Frauen sagten, dass ihnen der Täter bekannt gewesen sei. Münk: „Meistens ist es also nicht so, dass der Vergewaltiger im dunklen Parkhaus einem willkürlichen Opfer auflauere, sondern es ist zum Beispiel der Partner, ein Freund, eine Bekanntschaft aus dem Club, zu Hause, in der eigenen Wohnung. Von den bundesweit 7345 bei der Polizei angezeigten Vergewaltigungen im Jahr 2014 spielte sich gerade einmal ein Fünftel überfallartig in der Öffentlichkeit ab.“

Hinzu kämen strafrechtlich nicht relevante Übergriffe. Zu diesen zählte sie anzügliche Witze, Anstarren, Anfassen gegen den Willen. „Jede zweite Frau wurde mindestens einmal sexuell belästigt“, stellte Münk fest.

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