Selhofer Kirche St. Martin Künstlerin Veronika Fulde stellt ihr neues Kunstobjekt aus

Selhof · Als sie vor dem Krieg floh, damals aus ihrer Heimat Breslau, war sie ein kleines Mädchen. Zu jung, um zu begreifen, was da vor sich ging. Zu jung, um zu leiden oder gar daran zu zerbrechen. Und doch muss sie sich in ihr Unterbewusstsein gebrannt haben, diese Entwurzelung vor nunmehr 68 Jahren. Veronika Fulde schüttelt entschieden den Kopf, ihr kupferrotes Haar schwingt mit: Nein, ihr neues Kunstobjekt sei keineswegs die Aufarbeitung ihres eigenen Schicksals.

 Auf dem Weg in die Kirche: Veronika Fulde mit dem Zypressenbaum.

Auf dem Weg in die Kirche: Veronika Fulde mit dem Zypressenbaum.

Foto: Frank Homann

Für Vertreibung stehe dieser entwurzelte, zehn Meter lange Zypressenbaum aber sehr wohl. Jedoch sind es die aktuellen Fälle aus Mali oder Israel, die sie angetrieben haben. Ab Sonntag ist ihr Kunstobjekt "Wundenmal" vier Wochen lang in der Selhofer Kirche St. Martin zu sehen.

Nichts ist zufällig, nichts willkürlich. Nicht das Objekt selbst: "Der Baum ist das ursprünglichste Sinnbild für Leben und Tod. Er ist eine Verbindung zwischen Himmel und Erde", sagt die 71-jährige Künstlerin, die in Bonn lebt. Nicht der Ort: "Im Mittelschiff, über dem Altar, ist der lichtreichste Ort der Kirche. In der Schwebeposition wirkt der Baum nicht trostlos und orientierungslos, sondern hautnah und lebendig."

Auch nicht das Material: "Zypressenholz, so ist es überliefert, soll Bestandteil des Christuskreuzes gewesen sein." Und schon gar nicht ist der Zeitpunkt zufällig gewählt. Wir sind schließlich mitten in der Passionszeit: "Die steht für Verwundung", sagt Fulde. Deshalb findet die Abschlussfeier folgerichtig am Karfreitag, 29. März, um 15 Uhr im Rahmen der Liturgie statt.

Doch jetzt fiebert Fulde, die von Hans Edingloh unterstützt wurde, zunächst dem Start entgegen. Monatelang hat sie den Baum aufgebahrt, zunächst im eigenen Garten, später in einem Naturschutzgebiet in Niederholtorf. Sie hat ihn vor den Tücken der Natur geschützt und ihn mit blutrotem Hartz behandelt.

Dem gleichen Hartz, mit dem auch Künstler Veit Stoss im 15. Jahrhundert die Oberflächen seiner Schnitzwerke bestrich. Deshalb ist das "Wundenmal" eine Hommage an eben jenen Stoss, den bedeutendsten Bildschnitzer. Nun steht die Eröffnung bevor: Am Sonntag, um 18.30 Uhr, wird Fulde in der Messe eigene Gedanken zur Skulptur vortragen.

Bekannt geworden ist Veronika Fulde unter anderem durch ihre Darbietung "Aschefrauen" in der ökumenischen Nacht 2011 in Bad Honnef. Damals hüllte sie sechs Menschen in Gewänder, bedeckte sie vollständig mit Asche und sorgte so für ein Seherlebnis.

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