Geschichtsforschung Die Spurensuche führt nach Bad Honnef

Bad Honnef · Hanna und Lina Schiemann gehörten Anfang des 20. Jahrhunderts zu den ersten promovierten Medizinerinnen Deutschlands. Ihr Werdegang begann in Rostock, später jedoch lebten die beiden Frauen in Bad Honnef.

 Das historische Foto entstand in einem Laboratorium der Universität Rostock um 1918.

Das historische Foto entstand in einem Laboratorium der Universität Rostock um 1918.

Foto: Familie Dyck-Klosmann

Rund 650 Kilometer trennen Rostock und Bad Honnef. Dennoch recherchieren Gisela Boeck und Tim Peppel für den Festband der Universitätsmedizin zum Jubiläum „600 Jahre Universität Rostock“ im Jahr 2019 auch in Bad Honnef. Das Autorenteam suchte nach Frauen, die um das Jahr 1900 in Rostock im Fach Medizin promoviert und damit zu den Pionierinnen gehörten, die ein solches Studium absolviert hatten.

So soll Hanna Schiemann die erst siebte Frau gewesen sein, die an der Universität Rostock den „Dr. med.“ erlangt hatte. Sie und ihre Geschwister hatten ihre letzten Lebensjahre in Honnef verbracht. Aus diesem Grund möchten die Mitarbeitenden des Archivs der Stadt Bad Honnef die beiden unterstützen und suchen für das Archiv und gleichzeitig für die Universität in Rostock Fotografien von Johanna (Hanna), Lina und Carl Schiemann, ihrem Haus oder ihrer Praxis, damals in der Luisenstraße 17.

Fotos und Dokumente werden gesucht

Die Geschwister haben von 1942 bis etwa 1960 in Honnef gelebt. „Angebotene Fotos oder auch Dokumente werden eingescannt und selbstverständlich zurückgegeben“, heißt es von den Mitarbeitenden des Archivs. Denn die Lebensgeschichte der drei Geschwister war geprägt durch die politischen Wirren des 20. Jahrhunderts: Hanna Schiemann war von 1915 bis 1917 an der Universität Rostock immatrikuliert.

Ihre Schwester Lina promovierte 1908 in Würzburg, Hanna 1918 in Rostock. Lina arbeitete außerdem als Ärztin am Berliner Krankenhaus am Urban – als erste Frau. Später ließ sie sich in Köln als Gynäkologin nieder. Im Zweiten Weltkrieg wurde ihre Wohnung ausgebombt, und so kam sie 1942 nach Honnef in das eigentlich als Sommerhäuschen gedachte Haus in der Luisenstraße. Das Haus gibt es heute nicht mehr.

Praxis an der Luisenstraße

Hanna Schiemann wirkte in Königsberg als Allgemeinärztin. Ihr Bruder Carl war als Landgerichtsdirektor in Königsberg – bis er, wahrscheinlich aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber den Nationalsozialisten, 1933 in den Ruhestand versetzt wurde. 1944 mussten Hanna und Carl ihre Heimat verlassen und zogen zu ihrer großen Schwester nach Honnef. In der Luisenstraße richteten die Schwestern eine Praxis ein.

Sie kümmerten sich sehr um ihren Bruder, führten ihm den Haushalt. So berichtet jedenfalls Zeitzeuge Dr. Franz Georg Weckbecker, der sich noch gut an die Geschwister erinnern kann. 1951 verstarb Carl, 1958 zeigte Hanna den Tod ihrer Schwester Lina an. 1960 suchte Hanna per Annonce nach einer Hausgehilfin. Wann und wo sie gestorben ist, konnte nicht herausgefunden werden.

Gisela Boeck vom Institut für Chemie der Universität Rostock und Tim Peppel vom Leibniz-Insitut für Katalyse in Rostock betonen: „Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass für Frauen die Universitäten, die seit dem 14. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum entstanden waren, bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts für eine reguläre Immatrikulation verschlossen blieben.“

Boeck, die sich mit der Geschichte der Chemie und der Universitätsgeschichte beschäftigt, ergänzt: „Ich finde es sehr wichtig, auch die jungen Menschen auf diese mutigen Frauen aufmerksam zu machen, denen Wissen sehr viel bedeutete, und die sich über die damaligen Konventionen hinweg setzten.“

Informationen, Fotos und Erinnerungen zur Familie Schiemann nimmt das Archiv der Stadt Bad Honnef an, telefonisch unter 02224/184121, per E-Mail an christine.pfalz@bad-honnef.de, oder wiederum telefonisch unter 02224/184177 (Georg Lehmacher).

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