Naturschutz im Siebengebirge Die Raupe frisst sich durch den Hang

Rhöndorf · Naturschutzgroßprojekt Chance 7: Am Rhöndorfer Adenauerweg entsteht jetzt ein Biotop für seltene Tiere und Pflanzen.

Meter für Meter bahnt sich das Gerät seinen Weg. Mit lautem Krachen „frisst“ die ferngesteuerte Kettenmulchraupe, so der sperrige Fachbegriff der Maschine, Buschwerk und herabgefallenes Gehölz und wirft die Kleinteile hinter sich auf den Hang. Das Gerät leistet wichtige Vorarbeit für einen weiteren Baustein des Naturschutzgroßprojektes „Chance 7“: Auf der ehemaligen, in Jahren zugewucherten Weinbergsbrache am Adenauerweg entsteht mittel- und langfristig ein vormals verloren gegangenes Biotop für seltene Tier- und Pflanzenarten.

Einiges ist schon passiert auf der insgesamt rund 3000 Quadratmeter großen Fläche, die in Zukunft zusätzlich von Weinbergpfirsichbäumen gesäumt werden wird – eine Anregung des Rhöndorfer Bürger- und Ortsvereines, der für die Weinbergspfirsiche darüber hinaus die Pflegepatenschaft übernehmen wird. Innerhalb nur eines Tages haben Günter Wilken und Hubert Dunker einen großen Teil der Fläche unweit des Waldfriedhofes bearbeitet. Der ferngesteuerte Forstmulcher wird dabei zusätzlich von einer aus der Ferne kaum sichtbaren Seilwinde gehalten – eine Sicherheitsmaßnahme in dem steilen Gelände, auch wenn die Kettenraupe ein Gefälle bis zu 55 Prozent problemlos bewältigen könne, berichtet Stefan Eiken von der mit den Arbeiten beauftragten Firma Holzhof Aschendorf aus dem Emsland.

Gemeinsam mit Eiken machten sich Georg Persch, Projektleiter „Chance 7“, und Projektreferent Ralf Badtke ein Bild vom Fortgang der Arbeiten. „Entlang des Rheins gibt es nur noch wenige offene Weinbergsbrachen und Obstlagen. Allerdings sind diese die Heimat vieler seltener Tier- und Pflanzenarten“, erläutert Badtke den Sinn und Zweck der auf den ersten Blick ungewöhnlichen Rekultivierung. Alte Fotos belegen es: Die Landschaft an den Hängen des Siebengebirges hat sich in den vergangenen 100 Jahren extrem verändert. Wo früher weite Teile durch Weinberge, Obstwiesen und Weiden geprägt waren, sind diese – dem rheinischen Klima gemäß – wärmebegünstigten Flächen oftmals weggefallen und zugewuchert. Nicht nur das Gesicht der Rheinhänge hat sich dadurch verändert. Auch ist der Lebensraum vieler in dem trockenen, warmen Klima des Mittelrheintals vorkommenden Tierarten immer kleiner geworden.

„Chance 7“ will daran etwas ändern. Und das, so Persch, wie im vorliegenden Fall mit Unterstützung auch privater Eigner: Ein Großteil der Fläche am Adenauerweg gehört dem Verschönerungsverein für das Siebengebirge (VVS), ein Teil indes ist Privatbesitz. „Die Maßnahme ist ein schönes Beispiel dafür, dass wir auch von Privaten unterstützt werden“, resümiert Persch. Ein weiteres Beispiel sei die Maßnahme am Korfer Berg in Bad Honnef, wo sich ähnlich wie am Adenauerweg wieder seltene Tiere wie Mauereidechse und Zippammer und seltene Pflanzenarten vermehrt wohl fühlen sollen – dort handele es sich um private Flächen, die „Chance 7“ zur Verfügung gestellt werden. Grundsätzlich gibt es – basierend auf der Freiwilligkeit der Eigentümer – zwei Möglichkeiten der Beteiligung Privater: Verkauf oder Verpachtung der Flächen für 30 Jahre. Die Kosten kommen aus dem „Chance 7“-Fördertopf; jene für die aktuellen Arbeiten in Rhöndorf beziffert Persch mit etwa 2000 Euro.

Ebenfalls wieder angehen wolle man die Maßnahme am Menzenberg, einer weiteren ehemaligen Weinbergsbrache, sagt Persch. Andernorts wie in Königswinter werden mit demselben Ziel – der Reaktivierung von Flächen im Biotopverbund – Robinien entfernt. Bei Robinien handele es sich um eine nicht heimische Baumart, die allerdings an vielen Stellen zu finden sei. Und die zudem die Angewohnheit habe, sich über ihr Wurzelwerk fast unkontrolliert zu vermehren, was besondere Fällmaßnahmen nötig mache.

Dafür, dass die Büsche am Adenauerweg künftig besser „im Zaum“ gehalten werden und nicht wieder alles zuwuchert, wird übrigens die Beweidung durch Schafe und Ziegen sorgen, erläutern Persch und Badtke. „Würde man nichts tun, wäre die Fläche bald wieder zugewuchert“, so Badtke. Eine gezielte Beweidung mache Sinn. Badtke: „Wenn man das richtige Maß findet, entwickelt sich ein sehr großer Artenreichtum.“

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