Baum des Jahres 2018 Die Esskastanie gedeiht im Siebengebirge

Bad Honnef · Ursprünglich stammt die "Castanea sativa", so der wissenschaftliche Name der Esskastanie aus Kleinasien. Im Siebengebirge gedeiht der Baum des Jahres 2018 besonders gut. Warum, erklärt Forstexperte Stephan Schütte.

 Stephan Schütte an der aufgeforsteten Fläche nahe der Schaaffhausenkanzel.

Stephan Schütte an der aufgeforsteten Fläche nahe der Schaaffhausenkanzel.

Foto: Frank Homann

Sie wirkt fast noch ein bisschen zu kahl für die Jahreszeit, zumindest im Vergleich zu umstehenden Bäumen. „Die Buchen blühen schon wie verrückt. Die heimischen Arten haben bereits mehr ausgetrieben als solche, die etwas mehr Wärme brauchen“, erklärt Forstexperte Stephan Schütte das noch spärliche Grün der Esskastanie. Ein besonders schönes Exemplar dieser wärmeliebenden Art entfaltet oberhalb von Bad Honnef an einem Waldweg seine pittoreske Pracht.

Mit dem Baum mit dem wissenschaftlichen Namen „Castanea sativa“ hat es eine besondere Bewandtnis: Die Esskastanie ist „Baum des Jahres 2018“, dem nicht nur am „Tag des Baumes“ Beachtung gilt. Obwohl von Natur aus nicht hier heimisch, fühlt sich die Esskastanie im Siebengebirge klimatisch pudelwohl, wie Schütte, Fachgebietsleiter Landeseigener Forstbetrieb beim Forstamt Rhein-Sieg-Erft, erläutert.

Ursprünglich stammt die Pflanze aus Kleinasien, wurde durch die Ausbreitung des römischen Reiches eine Art pflanzlicher „Kulturfolger“. Und so brachten die Römer die Esskastanie vor 2000 Jahren über die Alpen und etablierten sie vor allem entlang des Rheins, der Mosel, der Nahe und der Saar – überall dort, wo auch der Wein gedieh.

Weinbau und Esskastanie gehören eng zusammen

Denn: Weinbau und Esskastanie gehören eng zusammen. Das gegen Verrottung besonders unempfindliche Holz wurde von den Römern bevorzugt als Material für Rebpfähle genutzt. Im sogenannten Niederwaldbetrieb wurden dabei die Bäume etwa alle 15 Jahre „auf den Stock gesetzt“, sodass neue Triebe entstanden. Waren diese groß genug, wurden sie abgeschlagen und als Rebpfahl eingesetzt.

„Bäume, die man für Hausbau, Fassdauben oder Masten benötigte, ließ man einfach doppelt so alt werden“, so Schütte. Wenn auch die Bedeutung der Esskastanie für den Weinbau – in Bad Honnef etwa ging dieser zwischen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts von 150 auf etwa 5,5 Hektar drastisch zurück, so Schütte – verloren ging und sie eher als Brennholz herhielt, so ist diese Baumart bis heute doch meist in einem Streifen direkt oberhalb der ehemaligen Weinberge anzutreffen.

Übrigens können Esskastanien durchaus mehrere Hundert Jahre alt werden. „Mit 80 bis 100 Jahren werden sie aber in der Regel forstlich abgenutzt“, so Schütte. Nicht selten würden die Stämme in höherem Alter hohl. Der größte bekannte Baum, der „Kastanienbaum der hundert Pferde“ auf Sizilien, wird von Botanikern hingegen auf mindestens 2000 Jahre geschätzt.

Schon die Römer schätzten den Baum

Und schließlich waren die süßen Maronen der Esskastanie schon zu Zeiten der Römer eine beliebte Nahrungsergänzung. Nicht zu verwechseln sind sie mit den Samen der Rosskastanie, die Baum des Jahres 2005 war: Obwohl es der Name nahelegt, haben Ess- und Rosskastanie aus naturkundlicher Sicht wenig gemein. Die Esskastanie ist mit Buchen und Eichen verwandt, die Rosskastanie gehört zur Familie der Seifenbaumgewächse. Der Inhalt der stacheligen Hüllen, die die Früchte beider Arten umgeben, enthalten im ersten Fall eine Nuss, im zweiten Fall ein großes Samenkorn.

Gerade heutzutage komme der Esskastanie forstlich wieder mehr Bedeutung zu, so Schütte. Das Stichwort lautet: Klimawandel. „Wir brauchen Arten, die besser mit Wärme klarkommen. Und wer breit streut, rutscht nicht.“ Mit Blick also auf den gesunden Artenmix mache es Sinn, durch Stürme oder Borkenkäferbefall entstandene Lücken im Fichtenwald mit Esskastanien aufzuforsten – wie auf einer Windwurffläche nahe der Schaaffhausenkanzel.

Dort wachsen rund 150 junge Esskastanien, noch geschützt durch Wuchshüllen. Im frühen Stadium erzeugen die grünen verrottbaren Hüllen ein perfektes Gewächshausklima. Auch schützen sie die jungen Stämme, wenn Rehböcke ihre absterbende Geweihhaut, den Bast, abreiben. Schütte zur Aufforstung: „Wir werden so etwas in Zukunft vermehrt machen. Wir müssen Vielfalt in den Wald bringen, damit auch die nachfolgenden Generationen noch gute Wälder vorfinden.“

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