Firas Alshater liest in Bad Honnef Deutschland-Erfahrungen eines syrischen Youtubers

BAD HONNEF · In Syrien wurde der Journalist vom Assad-Regime verfolgt, in Berlin kam er auf skurrile Weise mit deutscher Bürokratie in Berührung. Bei seinem Besuch in Bad Honnef zeigt Firas Alshater aber Sympathien für die Deutschen und sagt: "Wir alle sind verschieden - na und?"

Viele wollten den syrischen Youtuber in Bad Honnef erleben: Firas Alshater hatte ein großes Publikum.

Viele wollten den syrischen Youtuber in Bad Honnef erleben: Firas Alshater hatte ein großes Publikum.

Foto: Frank Homann

„Ich hätte nie gedacht“, sagte Firas Alshater Mitte 2014 in seinem ersten Youtube-Video aus Deutschland, „dass ich einen Helikopter sehen würde, der versucht, jemanden ins Krankenhaus zu bringen statt Zivilisten zu töten.“ Vom Assad-Regime wegen seiner systemkritischen Arbeit verfolgt, verließ der syrische Kameramann, Journalist und Videoaktivist seine Heimat, baute sich in Deutschland ein neues Leben auf – und probierte sich als Buchautor. „Ich wollte schon immer ein Buch über meine Erlebnisse schreiben, aber ich dachte, ich wäre dann längst über 50“, sagte er, als er nun auf Einladung der Evangelischen Jugend in Bad Honnef zu Gast war. Er berichtete mit Charme und Humor von Erfahrungen in seiner neuen Heimat, von der Bedeutung der Komik und den Unterschieden zwischen Deutschen und Syrern.

Verhör am Flughafen

Seine Ankunft in Deutschland, meinte Firas Alshater, sei eigentlich total langweilig gewesen: „Ich kam mit dem Flugzeug, hatte ein Arbeitsvisum, um einen Dokumentarfilm über den Krieg in Syrien zu schneiden und fertigzustellen. Ja, echt jetzt. Meine Familie hat es nicht glauben können, und die Polizisten haben's mir natürlich erst recht nicht abgekauft.“ Immerhin, erinnerte er sich, sei das mehrstündige Verhör am Flughafen deutlich entspannter gewesen als seine Zeit im syrischen Staatsgefängnis: „In Damaskus hat man aus den angrenzenden Räumen die Schreie gefolterter Insassen gehört. Beim Verhör in Deutschland war es bloß die Kaffeemaschine im Nebenzimmer.“

Nach dem Filmprojekt entschied er sich, in Deutschland Asyl zu beantragen. Daheim in Syrien, erklärte er, habe er die Wahl zwischen Pest und Cholera gehabt: Assad-Regime oder IS-Herrschaft. Drei Bedingungen habe er bei der Antragsunterzeichnung zustimmen müssen. Erstens: die Stadt nicht zu verlassen. Zweitens: nicht zu arbeiten. Und drittens: keinen Sprachkursus zu besuchen. „Ein paar Tage später bekam ich dann im Flüchtlingsheim Post. Auf Deutsch. Nicht mal normales Deutsch, sondern Beamtendeutsch, das haben selbst Einheimische nicht verstanden. Und da stand meine Steuernummer drin.“ Ein Begrüßungsgeschenk der Bürokratie: „Ich durfte also kein Deutsch lernen, aber sollte irgendwie behördliche Schreiben verstehen. Und ich durfte nicht arbeiten, aber bekam trotzdem eine Steuernummer.“

Der Typ aus dem Video

Mittlerweile studiert Firas Alshater an der Filmuniversität Babelsberg, arbeitet fürs Fernsehen. Und oft bekomme er zu hören: „Du bist doch der Typ von dem Video!“ Immer wieder werde er gelobt, wie integriert er doch sei. „'Firas, du bist so integriert', sagt man mir, als ob es ein Kompliment für mich wäre.“ Seit vier Jahren lebe er nun schon hier, fuhr er fort, aber er wisse bei bestem Willen nicht, wie er sich in der Zeit als Person großartig verändert haben sollte. „Bin ich integriert, weil ich Piercings habe? Weil ich jetzt Deutsch spreche?“ Es gebe umgekehrt ja auch eine Menge Deutsche, die selbst alles andere als integriert seien, die andere nicht akzeptieren könnten. „Wir alle sind verschieden – na und? Ein Kreuzberger ist anders drauf als jemand aus Spandau, und jemand aus Idlib ist anders drauf als jemand aus Damaskus. Ist doch klar, dass jemand aus Damaskus auch anders drauf ist als ein Berliner.“

Dass er überhaupt zum Youtuber wurde, habe er in gewisser Hinsicht Pegida zu verdanken. „Die waren damals überall in den Nachrichten, und ich habe mir Gedanken gemacht: Sind etwa alle Deutschen so?“ Nein, natürlich nicht: „Ich persönlich bin noch nie einem echten Rassisten in Deutschland begegnet.“ Tragikomisch sei es dennoch, dass ausgerechnet in Dresden, wo weder Boko Haram noch der IS vertreten seien, der Ausländerhass grassiere. Und wie kam der Umschwung vom ernsten Dokumentarfilm zum lustigen Onlineclip? „Nach meinem ersten Video habe ich unzählige Kommentare bekommen, der Tenor war immer: 'Endlich mal kein Hass'.“ Da habe er gemerkt, dass sich mit Humor so viel mehr erreichen lasse. „Und“, schob er grinsend hinterher, „du glaubst nicht, wie viele Heiratsanträge ich seitdem bekommen habe. “

Die Videos des Youtubers sind hier zu sehen.

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