Brauchtum Der Sinn der Laternenumzüge zu Sankt Martin

Region · Sankt Martin, Sankt Martin..." klingt es wieder vielerorts durch die Straßen. Seit 1600 Jahren feiern Menschen in der ganzen Welt das Martinsfest. Wie sich das Brauchtum über Generationen hinweg verändert hat, darüber referierte Norbert Maria Borengässer am Mittwoch bei einem Vortrag im katholischen Pfarrheim in Selhof.

 Sankt Martin lässt Kinderaugen leuchten: Eine junge Zugteilnehmerin in Rhöndorf.

Sankt Martin lässt Kinderaugen leuchten: Eine junge Zugteilnehmerin in Rhöndorf.

Foto: Frank Homann

Laternenumzug, Martinsfeuer, Weckmann - wie ist das heimische Martinsbrauchtum entstanden?

Norbert Maria Borengässer: In der heutigen Konstellation ist es recht jung und der ordnenden staatlichen Hand zu verdanken. Es ging darum, die oft in wilden Raufereien endenden Heischegänge, also Bitt- oder Bettelgänge junger Burschen um Holz für das Martinsfeuer und damals vor allem um Naturalgaben, sowie die zahlreichen unkontrollierten Feuer zu bändigen. Die Weckmänner, das jüngste Brauchtumselement, symbolisieren die Liebesgabe des Caritasheiligen Martin und sollten wohl, wenn auch erfolglos, die Heischegänge der Kinder ganz ersetzen.

Was hat die Gans mit Sankt Martin zu tun?

Borengässer: Zumeist ist Martin als seinen Mantel teilender Reiteroffizier figürlich dargestellt; den wenigen Darstellungen als Bischof ist als unterscheidendes Erkennungszeichen eine Gans beigegeben. Sie gilt als dem römischen Kriegsgott Mars zugehörig, wie auch der Name Martin sich von diesem ableitet. Die in vielen Umzügen mitgeführten Gänse sollen hingegen an jene Gänse erinnern, die das Versteck des zum Bischof Erwählten verrieten. Ein dritter Bezug ist durchs Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres an Martini gegeben: Das Gesinde erhielt den Lohn und auf dem Jahresabschluss- oder Erntedankfest wurde überzähliges Kleinvieh, das man nicht durch den Winter bekam, verschmaust - eben auch Gänse.

Haben Halloween und die Sessionseröffnung am "Elften im Elften" dem Martinsfest den Rang abgelaufen?

Borengässer: Nicht wirklich, sieht man vom Tag des Heiligen selber am 11. November ab. Halloween ist ein Spektakel am Vorabend des keltischen Neujahrs und gibt, wie die Eröffnung der Karnevalssession, Gelegenheit, sich zu verkleiden, auszutoben, über die Stränge zu schlagen. Es sind mithin "Events", die der Natur des Menschen zusagen. Das Martinsfest fällt aus diesem Rahmen; doch es bleiben zwischen dem 4. und 10. November genügend Tage, Martin gebührend an einem Vorabend zu feiern, zumal sein Todestag der 8. November ist.

Werden auch künftige Generationen Sankt Martin feiern?

Borengässer: Solange es engagierte Eltern und Erzieher gibt, die den Kindern den Sinn des Brauchtums vermitteln, wird man weiter Sankt Martin feiern. Der Sinn liegt in der Mantelteilung als Akt der Barmherzigkeit, symbolisiert auch durch die Gabe des Weckmanns. Und: Das Licht wird ins Dunkel dieser Welt getragen, symbolisiert durch den Laternenumzug.

Zur Person

Norbert Maria Borengässer (58) wohnt in Beuel. Er studierte unter anderem katholische Theologie. Er leitet das Dekanat der Katholisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität in Bonn.

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