Vom Krieg zur Globalisierung Bad Honnefer Heinz-Günter Blöcker veröffentlicht Buch

Bad Honnef · Flakhelfer im Zweiten Weltkrieg, leitender Angestellter bei Bayer: In seinem Buch „Die Überlebenden – ein Zeitzeuge erzählt“ berichtet Heinz-Günter Blöcker von seinem bewegten Leben.

 Heinz-Günter Blöcker kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken: Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er als Flakhelfer, später führte ihn seine Arbeit immer wieder ins Ausland.

Heinz-Günter Blöcker kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken: Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er als Flakhelfer, später führte ihn seine Arbeit immer wieder ins Ausland.

Foto: Frank Homann

Es ist ein bemerkenswertes Zeugnis für den Willen, nach der Stunde Null das eigene Leben in die Hand zu nehmen und ein Land wieder aufzubauen. Heinz-Günter Blöcker ist es gelungen, die Geschichte von mehr als einem halben Jahrhundert spannend zu erzählen – am Beispiel des eigenen Lebensweges mit einer anspruchsvollen beruflichen Aufgabe in einem großen Konzern, die ihn und seine Familie über etliche Jahre in mehrere ferne Länder führte. Das Buch des gebürtigen Kielers unter dem Titel „Die Überlebenden – Ein Zeitzeuge erzählt“ ist jetzt sowohl gebunden als auch in Taschenbuchformat erschienen und enthält viele Details.

Dabei verharrt der Autor nicht im eigenen Schicksal, sondern verknüpft persönliche Erfahrungen in der Wirtschaft mit der Schilderung fremder Kulturen sowie politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

Und auch die Sorge um die Strömungen in der heutigen Zeit lässt der agile Senior, Jahrgang 1927, nicht aus. In seiner Wohnung in der Parkresidenz hat er im Erker sein kleines Büro mit Computer und Blick auf die hohen Bäume, die noch viel älter sind als Heinz-Günter Blöcker. Von hier aus hält er Kontakt in die Welt und beobachtet nach wie vor genau, so wie immer während seines bemerkenswert bewegten Lebens.

Neue Schullektüre?

Eines wünscht sich der Verfasser: „Ich würde mich freuen, wenn das Buch Schullektüre wird. Meine Geschichte beginnt kurz vor dem Zweiten Weltkrieg und reicht bis zur Globalisierung, zur Weltfinanzkrise und zur Bevölkerungsexplosion. In meiner Schulzeit gab es zwei oder drei Milliarden Menschen, heute sind es sieben Milliarden, mit stark steigender Tendenz, besonders in Afrika.“ Blöckers Sorge gilt darüber hinaus dem Verfall von Werten wie Anstand, Würde und Moral.

In seinem Buch schont der Autor sich selbst nicht. Er schreibt von seinen familiären Verhältnissen, vom Vermögensverlust in der Inflationszeit und den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Von der Krankheit der Mutter, die ihn schon früh dazu zwingt, selbstständig zu sein und seine beiden Brüder sowie den Haushalt mitzuversorgen. Blöcker schreibt auch von seinen anfänglichen Schulschwierigkeiten, die durch die häuslichen Belastungen entstanden.

„Diese Art von Pflichten machte ihn zu einem kleinen Leitwolf in der Familie, was sein späteres Leben entscheidend prägte. (…) Vermutlich wählten ihn Weggefährten in Schulen und auch im Beruf nachher deshalb oft zum Sprecher, um gemeinsame Interessen zu vertreten“, legt Heinz-Günter Blöcker, der in Kiel in Hafennähe von Wellingdorf und in Danzig an der Ostsee aufwuchs, in seinem Buch dar.

Flakhelfer mit Günter Grass

„Ich bin noch einer der wenigen Überlebenden des Jahrgangs 1927“, sagt der Autor. Das dramatische Kriegsende erlebte er als Flakhelfer und als Seeoffiziersanwärter der Kriegsmarine. Später bekannt gewordene Flakhelfer-Kameraden in Danzig waren der Schriftsteller Günter Grass und Bundesminister Horst Ehmke.

Blöcker und seine Frau Irmgard, die – ebenso wie die Tochter – noch mit Anfang 50 Geschichte, Völkerkunde und Kunstgeschichte studierte, verschlug es in Länder wie Australien, Libyen, die Türkei und Brasilien.

Als gelernter Kaufmann für Groß- und Außenhandel, schon seit Kindertagen ausgestattet mit der Sehnsucht nach der Ferne und der Neugier nach den Menschen hinter dem Horizont, war er ab 1957 für den Chemiekonzern Bayer AG unterwegs. Anfangs war er für den Wiederaufbau der Auslandsmärkte zuständig, danach für neue Organisationsstrukturen, zuletzt mit dem Schwerpunkt Lateinamerika. „Eine große Region des Konzerns mit 26 Tochtergesellschaften und circa 14.000 Mitarbeitern. Am Ende meines langen Weges durfte ich sie dann zehn Jahre lang bis 1990 leiten – mit der Verantwortung direkt gegenüber dem Vorstand in der Zentrale in Leverkusen. Diese Jahre waren die schwersten meines Berufslebens.“

Das Bemerkenswerte an dem Buch: Es verknüpft galant, ja fast spielerisch persönliche Erlebnisse mit den Ereignissen aus dem beruflichen Umfeld und dem Weltblick des Autors und ist auch Lektion für geschicktes Verhandeln auf dem beruflichen Sektor.

Hochzeit in Australien

Australien als erste Auslandsstation, wohin Blöcker seine Irmgard nachkommen ließ und heiratete, bringt er dem Leser ebenso nahe wie seine Zeit als Delegierter seines Konzerns in der Türkei von 1961 bis 1966. Dass später Brasilien auch solche Überraschungen bot wie altes Motorenfett auf frisch gelegten Fliesen, was den Einzug der Familie ins neue Heim verzögerte, nimmt der Leser schmunzelnd zur Kenntnis.

1980 kehrte die Familie zurück nach Deutschland; dennoch: dass Blöcker die Verantwortung für das Lateinamerika-Geschäft des Konzerns innehatte, bedeutete viele Reisen für ihn dorthin. Spannend! Ein Anhang mit historischen Daten und Entwicklungen rundet das lesenswerte Buch über ein gelungenes, aber nicht einfaches Leben ab.

Das Fazit des Autors am Schluss des Buchs: „Wir müssen endlich anfangen mit einer spirituellen Erneuerung an Haupt und Gliedern in Deutschland, in Europa und in der ganzen globalisierten Welt. Dabei aber müsste jeder Einzelne kritisch auch bei sich selbst beginnen!“

„Die Überlebenden“: Heinz-Günter Blöcker. Im Taschenbuchformat, 560 Seiten, 19,90 Euro; in gebundener Ausgabe, 427 Seiten, 29,90 Euro.

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