Zweithärtestes Mountainbike-Rennen der Welt Athleten aus der Region starten in den Alpen

BAD HONNEF/ALFTER · Manchmal genügt die bloße Aufzählung von Zahlen, um ein schmerzhaftes Zwicken im Oberschenkel zu verursachen: 676 Kilometer und 20 242 Höhenmeter, zurückgelegt in acht Tagen und in weniger als 40 Stunden.

 676 Kilometer und 20.242 Höhenmeter strampelten Reiner Ploem aus Alfter (auf dem linken Foto rechts) und André Cappelle aus Linz in den Alpen ab.

676 Kilometer und 20.242 Höhenmeter strampelten Reiner Ploem aus Alfter (auf dem linken Foto rechts) und André Cappelle aus Linz in den Alpen ab.

Foto: GA

Gefahren mit dem Rad - genauer gesagt: mit dem Mountainbike. Nicht über flachen Asphalt, sondern durch die Alpen, über Stock und Stein, auf und ab. André Cappelle aus Linz und Reiner Ploem aus Alfter sind beim zweithärtesten Mountainbike-Rennen der Welt als Zweier-Team gestartet. Und sind ins Ziel gekommen.

Der 50. Geburtstag war noch weit genug entfernt, um den Mund gehörig voll zu nehmen. "Wenn ich fünfzig werde, starten wir bei der TransAlp", tönte Cappelle vor sechs Jahren. Er sagte es zu Reiner Ploem, den er gerade erst bei einem 24-Stunden-Rennradrennen auf dem Nürburgring kennengelernt hatte.

Die beiden freundeten sich an, wurden Wettkampfpartner und fuhren sechs Jahre in Folge die "TransGermany" von Sankt Wendel im Saarland bis nach Oberwiesenthal ins Erzgebirge, eines der härtesten Etappenrennen in Deutschland. Doch sie wollten mehr: Bis sie nun tatsächlich die Chance erhielten. Sie bekamen einen Startplatz im Team "Craft & friends" und legten im Sattel und unter hohem Zeitdruck die Alpenüberquerung hin.

Die Geschichten, die Ploem und Cappelle bei ihrer Rückkehr erzählen, handeln nicht vom malerischen Zillertaler Alpen-Panorama, nicht von den faszinierenden Dolomiten. Sie erzählen von: Qual. Etwa von einem Hagelschauer, der über sie hinabprasselte, bei gerade mal acht Grad. Weil sie nur kurze, dünne Kleidung trugen, kühlten ihre Körper rasant ab. So sehr, dass sie kaum noch Gefühl in ihren Armen und Beinen verspürten.

"Ich habe mir meine Erste-Hilfe-Decke umgewickelt", sagt Cappelle. Oder sie erzählen von einem schmalen Pfad direkt an einer steilen Felswand, dem Passo Avarau, über den das Duo 14 Kilometer hinunter "fahren" musste. Und sie handeln von einem weiteren Begleiter: dem inneren Schweinehund. "Ich habe von der Umgebung kaum etwas mitbekommen. Ich war immer in meiner Welt", sagt Cappelle, der in Bad Honnef als Paketzusteller arbeitet.

90 Kilometer am Tag legten die Athleten zurück. Fünf Stunden hatten sie dafür Zeit. Wer später ins Ziel radelte, schied aus. Jeden Fünften der 1000 Starter ereilte dieses Schicksal. "Wir hatten große Angst und ungeheuren Respekt vor der Strecke", erzählt Cappelle.

Doch das Feuer, das in beiden loderte, war stärker: "Das ist das Größte, was es für Mountainbiker gibt. Es ist ein großes Privileg, dort mitfahren zu dürfen", schwärmt Ploem. Etwa 500 Zweier-Teams aus 40 verschiedenen Nationen sahen das ganz genauso. Noch härter ist nur die "Cape Epic" in Südafrika, weniger Höhenmeter zwar, aber technisch noch deutlich anspruchsvoller.

Als es nach strapaziösen acht Tagen auf die Zielgerade am Gardasee ging, wurden beide Extremfahrer von ihren Gefühlen überwältigt: Ihr gesamtes Team kam nach der eigenen Zieldurchfahrt zurück, stand für die zwei Debütanten Spalier und fuhr mit ihnen gemeinsam erneut über die Linie. "Da kamen die Emotionen der ganzen Woche hoch", erzählt Cappelle.

Ohne eine perfekte Vorbereitung wären wohl auch sie gescheitert. Reiner Ploem, 42, Regierungsamtsinspektor bei der Bundeswehr, steht vier Mal pro Woche morgens um 5 Uhr auf, steigt zwei Stunden auf eines seiner acht Mountainbikes und radelt los. André Cappelle, trainiert sogar 17 Stunden pro Woche. "Ohne die Rückendeckung unserer Frauen wäre das nicht möglich gewesen", sind beide dankbar.

Wird es eine zweite Alpenüberquerung geben? Am Tag der Zieleinkunft sagte der Linzer: "Den Mist fährst du nicht noch einmal." Eine Woche später, die Tort(o)ur und die Qualen waren bereits ein wenig verdrängt, klang das anders: "Die Lust ist jetzt schon wieder da." Doch nun genießen sie erst einmal das Erreichte: "Jetzt kaufen wir uns erst einmal die DVD mit der Tour und machen einen schönen Familienabend", erzählen die beiden. Viele Abschnitte ihrer Tour werden sie da wohl zum ersten Mal genießen können.

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