Handy-Fasten an der Jugenddorf Christophorusschule „Jetzt weiß man wieder, was Langeweile ist“

KÖNIGSWINTER · Wie eigentlich haben die Menschen aus der IT-Steinzeit ihr Leben gemeistert? Jedenfalls müssen sie unglaublich viel Langeweile gehabt haben. Gestern endete die Fastenzeit der Siebtklässler der Jugenddorf Christophorusschule (CJD).

 „Erweckungszeremonie“: Gestern wurde das Handyfasten am CJD offiziell beendet und die Smartphones aus den Umschlägen befreit. FOTO: HOMANN

„Erweckungszeremonie“: Gestern wurde das Handyfasten am CJD offiziell beendet und die Smartphones aus den Umschlägen befreit. FOTO: HOMANN

Foto: Frank Homann

Die Aktion „Fünf Tage ohne“ – genauer: fünf Tage ohne Handy – wurde mit einer kleinen „Erweckungszeremonie“ in der Aula abgeschlossen. Da durften alle 214 Schüler aus acht siebten Klassen des CJD ihre versiegelten Umschläge aufreißen und ihr Handy aus der „Schlaf“-Box nehmen, die in den Tagen zuvor in elterlicher Obhut lag.

Anna, Simon, Marie, Laura, Alex, Leander, Nicola und Justus stellten sich den Fragen von Sabine Kottmann-Körver, der Lehrerin für Informationstechnische Grundbildung (ITG) am CJD, die das Handy-Fasten initiiert hatte. Langeweile hatte etliche Schüler beschlichen, wenn sie während der Bus- oder Bahnfahrt nicht auf das Smartphone zurückgreifen konnten. Und auch so fehlte es in allen möglichen Lebenslagen.

Zum dritten Mal verzichteten CJD-Schüler während der österlichen Fastenzeit auf ihr Handy. Diesmal beteiligten sich drei Realschulklassen und fünf Gymnasialklassen an der technischen Askese. Und als Kottmann-Körver, Hand aufs Herz, fragte, wer denn wirklich durchgehalten hat, da gingen die meisten Hände nach oben.

Aus Elternkreisen hatte die Pädagogin schon erfahren, dass das Kind „ohne“ viel netter, das andere viel zickiger war, dass in der Familie über die Handy-Entsagung diskutiert wurde und das Durchhalten ein bisschen schwerer war, wenn Geschwisterkinder fleißig drauflossimsten, während es den Abstinenzlern in den Fingern juckte. „Das war echt in Ordnung. Ich habe mir den Verzicht schlimmer vorgestellt“, sagte Laura. Beim Busfahren hätte sie gleichwohl schon gerne Musik gehört. „Da habe ich das Handy wirklich vermisst.“ Ein Schüler meinte: „Jetzt weiß man wieder, was Langeweile ist.“

Aber: Die Schüler hatten ein Gegengift. „Ich habe meine Hausaufgaben direkt gemacht, ehe Langeweile aufkam“, sagte ein Mädchen. Ein Klassenkamerad nahm sich ersatzweise ein Buch zu Hand. Führten diese Tage „ohne Anschluss“ zu mehr Zeit und mehr Konzentration? Während die einen keinen großen Unterschied ausmachten, fühlten sich andere bei den Hausaufgaben nicht mehr so abgelenkt. „Ich habe nicht mehr die ganze Zeit auf WhatsApp geguckt.“ Mehrere Mädchen waren zwar schneller mit den Hausaufgaben fertig, sie quälte danach allerdings die Langeweile. Und ein Junge sagte: „Ich konnte mich besser konzentrieren, das Gerät machte nicht laufend ping ping.“

Absprachen, die normalerweise mit dem Griff zum Handy in kurzer Zeit erledigt sind, bereiteten ebenfalls Probleme. Festnetz oder ein Gang zu Fuß? Kaum denkbar! Simon fehlte das Handy vor allem für Absprachen. Mal hätte er gern seinen Cello-Lehrer angerufen, dann hätte er sich gern telefonisch über die Hausaufgaben informiert. „Ich mache viel Sport, da schaue ich zumeist erst abends auf das Gerät“, sagt Simon. Und: „Ein Handy ist da, um den Alltag zu vereinfachen. Diese fünf Tage haben den Nutzen eines Handys verdeutlicht.“

Nicola hat seit Klasse drei ein Handy: „Ich benutze es, um an Freundinnen zu schreiben, zu telefonieren, zu spielen und für Youtube. „Manchmal habe ich mir das Handy herbeigesehnt.“ Aber Nicola wird weitere zwei Wochen „ohne“ sein: Sie fährt während der Osterferien auf einen Reiterhof, auf dem es kaum Netz gibt.“ Zuvor wird sie wohl ihre 330 WhatsApp-Nachrichten studieren, die aufgelaufen sind. Rekordhalter war Taleja: Während der fünf Tage erhielt sie 3.268 Mitteilungen.

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