Wahlkampf in Rheinland-Pfalz Die kleinen Elefanten

Kamp-Bornhofen/Sinzig · Am 13. März stehen in Rheinland-Pfalz 14 Parteien zur Wahl. Laut aktuellen Umfragen könnten sechs Parteien in den Landtag einziehen. Doch auch acht weitere Parteien mischen im Wahlkampf kräftig mit – so etwa Freie Wähler und die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA).

 Die in den Kommunen bereits stark vertretenen Freien Wähler mischen an Rhein und Mosel den Wahlkampf auf und zeigen bei vielen Themen Flagge. Sie wollen nach Bayern nun in das zweite deutsche Landesparlament einziehen. FOTOS: FABIAN VÖGTLE

Die in den Kommunen bereits stark vertretenen Freien Wähler mischen an Rhein und Mosel den Wahlkampf auf und zeigen bei vielen Themen Flagge. Sie wollen nach Bayern nun in das zweite deutsche Landesparlament einziehen. FOTOS: FABIAN VÖGTLE

Foto: Fabian Vögtle

Der Kuppelsaal des Jägerhofs in Kamp-Bornhofen strahlt an diesem Tag in Orange. Fähnchen, Blumen, Tischdecken und Servietten. Auch das Schnitzel wird statt mit Zitrone diesmal mit einem Orangenschnitz serviert. Dazu gibt’s Marschmusik und die Jagdhornbläser. Es ist der größte Wahlkampfauftritt der Freien Wähler (FW), die auf den Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag hoffen. Ihr Spitzenkandidat Stephan Wefelscheid spricht mit den Worten der Bundeskanzlerin: „Wir schaffen das.“ Er freue sich, dass gerade alles in Bewegung und die Unzufriedenheit im Land groß sei. „Dadurch haben wir die Chance, gehört zu werden“, sagt der 37-Jährige, der seit sechs Jahren im Koblenzer Stadtrat sitzt und die Freien Wähler in das zweite Landesparlament Deutschlands führen will.

Bisher hat es den Freien Wählern genügt, dass sie einige Ortsbürgermeister stellen und in vielen Kommunen seit Jahrzehnten präsent sind. Doch mittlerweile sei die Zeit gekommen, so Wefelscheid, um auch außerhalb Bayerns, wo die Freien Wähler seit 2008 im Landtag sitzen, nach politischer Verantwortung zu streben. Vor allem die chronische Unterfinanzierung in Rheinland-Pfalz, die „großpolitische Wetterlage“ und die Rolle der AfD seien Gründe dafür. „Diese Typen sitzen da jetzt und haben keine Rezepte für die Kommunen“, sagt Wefelscheid zur viel umstrittenen Partei.

„Wir haben den Umgang mit Geld in den Gemeinden dagegen gelernt, und das wollen wir jetzt im Land beweisen“, ruft er den rund 200 Zuhörern zu, die an diesem Abend in den Loreley-Ort gekommen sind. Unterstützt wird Wefelscheid dabei von Hubert Aiwanger. Der FW-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag und Bundesvorsitzende ist so etwas wie die Galionsfigur der Partei. Auf der Wahlkampfveranstaltung im Wirtshaus fühlt er sich heimisch. „Es ist mir ein Herzensanliegen hier zu sein“, ruft er in die Menge und gibt Wefelscheid recht: „Wer noch kein Rathaus von innen gesehen hat, der hat im Landtag nichts zu suchen.“

Die FW hingegen, die 33 Kandidaten nominiert haben und mit vier Bezirkslisten antreten, wollen genau da rein. „Es darf niemals eine große Koalition geben“, findet Wefelscheid. Neben einer gesunden Finanzpolitik wolle man vor allem zwei Bauprojekte vorantreiben: die Mittelrhein-Brücke und den Westerwald-Taunus-Tunnel. „An der Mosel und am Mittelrhein leidet man am Bahnlärm, die Güterzüge werden immer länger“, sagt er. Eine weitere Forderung ist der Ausbau von Polizei und Justiz. Einige Polizeidienststellen seien in desolatem Zustand, viele Beamte würden Überstunden machen und in ihrem Revier völlig allein gelassen. Das sieht auch Lennart Siefert so. Der FW-Direktkandidat aus Lahnstein ist selbst Polizist und tritt im Wahlkreis 8 gegen seinen Chef – den amtierenden Innenminister Roger Lewentz (SPD) – an. Siefert sagt, das Land brauche rund 1000 Polizisten mehr. Außerdem fehlten Richter und mindestens 25 Staatsanwälte. Auch in der Flüchtlingspolitik bezieht die Partei Stellung. So will sie Auffangklassen für Flüchtlingskinder, die den ganzen Tag über Deutschunterricht bekommen sollen und einen Asylkoordinatoren für jeden Landkreis und jede Stadt.

Wie auch die anderen kleinen Parteien, die wohl erst recht keine Chancen haben, sind die Freien Wähler trotz ihrer kommunalen Bedeutung nicht in die Elefantenrunde des SWR am 10. März eingeladen worden. Darüber haben sie sich mehrfach beim SWR beschwert. „Die sagen uns: Ihr seid kein großer Elefant. Das sehen wir als sportliche Herausforderung“, sagt Wefelscheid. Denn die Freien Wähler sehen ihr Recht auf Chancengleichheit verletzt.

Wirkliche Chancen in den Landtag einzuziehen, rechnet sich die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA) nicht aus. Dennoch präsentieren sich die AfD-Aussteiger als bürgerliche Alternative auf Landesebene und touren mit ihren bekanntesten Gesichtern durch Rheinland-Pfalz. Das Problem vielerorts: die Alpha-Tiere Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty werden von den Passanten oft nicht klar von ihrer ehemaligen Partei unterschieden. Aus dieser ausgetreten ist wegen des Rechtsrucks im letzten Jahr auch Martin Hofmann-Apitius. Jetzt hängt der langjährige Ahrweiler Kreistagsabgeordnete von FDP und AfD nach Feierabend Wahlplakate auf und auch mal ab. „Hier am Marktplatz in Sinzig dürfen wir nichts aufhängen“, erklärt er und reißt die ALFA-Plakate in der Dämmerung brav wieder ab, während das Konterfei von CDU- und SPD-Kandidaten weiter von der Laterne angestrahlt wird.

Warum tut er sich all den Aufwand an, wo ALFA doch gar nicht im Landesparlament mitreden wird? „Mich treibt die blanke Verzweiflung“, sagt der 54-Jährige, der den ALFA-Wahlkampf im Norden von Rheinland-Pfalz koordiniert. Nach dem Austritt aus der AfD habe er erstmal genug gehabt von der Politik. „Ich habe keine Ambitionen auf Ämter“, sagt der Professor für Bioinformatik am Fraunhofer-Institut in Sankt Augustin. Aber man müsse der Alternativlosigkeit etwas entgegensetzen und wieder mit den Menschen ins Gespräch kommen. „Alle motzen, keiner tut was.“ Die Politikfähigkeit und das Vertrauen im Land soll durch Volksentscheide, qualifizierte Zuwanderung, kommunale Obergrenzen, mehr Polizeipräsenz und mit Investition in Bildung und Wissenschaft erreicht werden. Ob ALFA auf Landesebene nach der Wahl weiter Debatten anstoßen wird, ist jedoch mehr als fraglich. Denn die Aufmerksamkeit und die Plakate sind dann erst einmal weg.

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