Jörg Wilms, FDP-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Wachtberg "Wahlkampf nicht künstlich verlängern"

Wachtberg · Anders als auf Bundesebene konnte die FDP in Wachtberg bei der jüngsten Wahl das Schlimmste abwenden. Mit zwei statt bisher sechs Vertretern sind die Liberalen weiterhin im Gemeinderat vertreten. Der Stimmenverlust von fast neun Prozentpunkten hat das sogenannte bürgerliche Lager geschwächt. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Jörg Wilms spricht im Interview auch über die neue Wahlperiode.

 Sieht künftig mehr Meinungsvielfalt in der Arbeit des Wachtberger Gemeinderats: der Chef der FDP-Fraktion Jörg Wilms.

Sieht künftig mehr Meinungsvielfalt in der Arbeit des Wachtberger Gemeinderats: der Chef der FDP-Fraktion Jörg Wilms.

Foto: Axel Vogel

Herr Wilms, worauf führen Sie die Verluste bei der Wahl zurück?
Jörg Wilms: Es wäre natürlich ein Leichtes, das Ergebnis mit dem Bundestrend zu erklären. Diese Tendenz war zwar auch auf lokaler Ebene erkennbar, in dem Ausmaß hätte ich das Ergebnis jedoch nicht erwartet. Schwer wog für uns Liberale auch, dass den Bürgern mit der Wählergruppe "Unser Wachtberg" eine weitere Alternative zur Verfügung stand, die sich dem direkten Bürgerwillen verschrieben hat.

"Unser Wachtberg" und UWG kommen gemeinsam auf mehr als 20 Prozent. Ist die Stärkung der unabhängigen Wählergruppen in diesem Umfang ein Wachtberger Spezifikum?
Wilms: Meines Erachtens haben wir es hier mit einem allgemeinen Trend zu tun, der von der Idee getragen ist, dass sich viele Bürger von den konventionellen Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Und auf kommunaler Ebene ist Politik nun einmal besonders greifbar. Insofern ist das Wahlergebnis für uns zwar schmerzhaft, zugleich aber auch verständlich und im Sinne der Berücksichtigung des Bürgerwillens auch positiv zu sehen.

Wie wollen Sie denn bei der nächsten Gelegenheit verlorenes Terrain zurückgewinnen?
Wilms: Wir müssen unser Profil stärker herausarbeiten. Der zurückliegende Wahlkampf hat gezeigt, dass sich ein gewisser aggressiver und emotionaler Grundton bezahlt gemacht hat. Wir haben uns hingegen bemüht, ausschließlich mit Sachargumenten zu überzeugen. Das hat diesmal keine Wirkung gezeigt. Wir werden also in Zukunft auch darauf achten, welchen Missverständnissen mitunter die anderen Parteien aufsitzen, und welche Fehlschlüsse von dem einen oder anderen Konkurrenten gezogen werden. Auch werden wir unsere Öffentlichkeitsarbeit verstärken, um besser über unsere Arbeit zu informieren.

Welche Partei ist in Wachtberg denn der stärkste Gegenpol zur FDP?
Wilms: In Wachtberg ganz eindeutig die Grünen. Das merkt man schon am politischen Unterton in den Wortbeiträgen ihrer Vertreter im Gemeinderat, der uns gegenüber immer aggressiv gefärbt ist. Ich habe berufsbedingt häufig mit Verbalattacken zu tun und habe mich gerade deshalb für ein politisches Engagement ausschließlich auf kommunaler Ebene entschieden, weil ich die Kommunalpolitik stets als nicht-aggressiv wahrgenommen habe.

Welche Veränderungen erwarten Sie für die neue Ratsperiode?
Wilms: Ich gehe davon aus, dass der Zuwachs unter den Fraktionen auch dazu führt, dass die Meinungsvielfalt wächst und noch mehr Interessen geltend gemacht werden.

Die neu gewählte Bürgermeisterin Renate Offergeld (SPD) appelliert derzeit intensiv an die Ratsmitglieder, im Sinne der Gemeinde an einem Strang zu ziehen. Was halten Sie davon?
Wilms: Die Bürgermeisterin ist zunächst einmal die vom Volk gewählte Vertreterin der Verwaltung und die erste Repräsentantin der Gemeinde, die zudem die Ratssitzungen leitet. Ihre politische Wirkungsmacht halte ich für begrenzt. So mag sie zwar eine Richtung vorgeben, doch kann sie keinesfalls Entscheidungen des Rats beeinflussen.

Wie sieht die Marschrichtung der FDP und ihrer beiden Mandatsträger im Rat aus?
Wilms: Zunächst einmal: Der Wahlkampf sollte durch die Fraktionen jetzt nicht mehr künstlich verlängert werden. Natürlich haben wir unsere Gedanken und Ideen, die wir auch vortragen werden. Ob sie sich dann mehrheitlich umsetzen lassen, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall werden wir uns an der Entscheidung über die Sache orientieren und stets daran arbeiten, einzelne, für uns wichtige Entscheidungen in unserem Sinne zu beeinflussen. Was wir nicht machen: Opposition um der Opposition Willen.

Was sind denn einzelne, für Sie wichtige Entscheidungen?
Wilms: Hier sind sicher Hochwasserschutz, Sportstättenkonzept und Feuerwehrbedarfsplan zu nennen. Die alles verbindende Klammer bleibt das Thema Haushaltskonsolidierung. Dazu übrigens: Entgegen vieler Unkenrufe ist es seit Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF) gelungen, den Haushalt vernünftig zu gestalten. Ob wir uns weiterhin einem strukturell ausgeglichenen Gemeindehaushalt nähern, hängt auch von der Verwaltungsarbeit unter der neuen Bürgermeisterin ab. Ob die Bürgermeisterin ihre Zusage wird einhalten können, auf Steuererhöhungen zu verzichten, bleibt abzuwarten.

Was fordern Sie mit Blick auf den Hochwasserschutz?
Wilms: Zunächst ist es wichtig, dass wir die Brennpunkte in den Griff bekommen. Akute Hilfe benötigen die stets von Starkregen betroffenen Werthhovener und die unmittelbaren Anrainer am Bachufer. Und wir müssen bei allem, was wir tun, auch an die Mehlemer denken. Größere Maßnahmen wie der Bau von Regenrückhaltebecken und die Schaffung von zusätzlichem Retentionsraum sind wichtig, könnten aber ohne hohe Landeszuschüsse nicht realisiert werden.

Wie ist Ihre Haltung zum Sportstättenkonzept?
Wilms: Was bisher vorgelegt wurde, zeigt gute Wege auf. Es muss aber am Ende den Belangen aller Sportvereine in der Gemeinde gerecht werden. Es darf nicht sein, dass nur der Fußball profitiert und Sportarten wie Schwimmen, Reiten, Tennis oder Badminton das Nachsehen haben.

Was sagt die FDP zur Situation der Feuerwehr?
Wilms: Die ehrenamtliche Arbeit der Feuerwehrleute kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Dass es in Wachtberg Ortsteile gibt, die nicht in der vorgeschriebenen Einsatzfrist erreicht werden können, muss abgestellt werden. Ein neuer Standort im Gewerbepark Villip für Villip und Pech erscheint uns als praktikable Lösung. Wir tragen die Empfehlungen des Arbeitskreises zum Thema Feuerwehr, auch hinsichtlich der Vergünstigungen für Feuerwehrleute, mit. Für sie sollten die Leistungen auch über den Umfang der - von uns ebenfalls unterstützten Ehrenamtskarte - hinausgehen.

Bei welchen Themen sehen Sie die Verantwortlichen in Wachtberg außerdem gefordert?
Wilms: Aufgrund der landschaftlichen Schönheit sind wir die gute Wohnstube Bonns. Um die Gemeinde dauerhaft am Leben zu halten, sollten wir aber auch zusehen, dass wir umweltverträgliche Unternehmen ansiedeln, die zu uns passen.

Wie sehen Sie die aufflammende Diskussion um Bonn als Standort von Bundesministerien?
Wilms: Wir fordern, dass das Gesetz eingehalten wird. Das allein aber wird nicht reichen. Ich würde die Verantwortlichen gern davon überzeugen, dass ein Komplettumzug aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in Berlin teurer würde als die jetzige Lösung.

Zur Person

Jörg Wilms, Jahrgang 1955, stammt aus dem Saarland, wo er auch aufwuchs und studierte. Nach dem Studium verbrachte er zwei Jahre bei der Bundeswehr und ließ sich anschließend in Düsseldorf zum Steuerberater ausbilden. Jörg Wilms ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.Seit 1984 lebt der FDP-Fraktionschef im Gemeinderat mit der Familie in Wachtberg-Werthhoven. In Bad Godesberg ist der Diplomkaufmann als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer niedergelassen. Gefragt nach seinen privaten Interessen, nennt er Politik, Schwimmen, Wandern und die persönliche Fortbildung.

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