Kräuterwanderung in Adendorf Suche nach Giersch und Gundermann

ADENDORF · Die Kräuterlimonade Almdudler genießt Kultstatus und schafft es damit auf die Getränkekarten angesagter Kneipen. Der Giersch hingegen ist das meistgehasste "Unkraut", gegen das viele Gartenbesitzer einen ebenso erbitterten wie aussichtslosen Kampf führen.

 Auf der Wiese des Schlossparks von Burg Adendorf suchen die Teilnehmer nach geschlossenen Löwenzahnknospen.

Auf der Wiese des Schlossparks von Burg Adendorf suchen die Teilnehmer nach geschlossenen Löwenzahnknospen.

Foto: Bettina Köhl

Aber wer weiß schon, dass die Kräutermischung für Almdudler ursprünglich zur Hälfte aus Giersch bestand? Diplom-Biologe Dirk Holterman erklärte den 30 Teilnehmer bei einer Kräuterwanderung der "Aktionsgemeinschaft für den Schutz der Landschaft in Wachtberg und Umgebung" viel Interessantes über die essbare Natur vor der Haustür. Die Sammler grasten sich dabei regelrecht durch die Wiese im Schlosspark der Burg Adendorf. Kostproben sind bei den Touren mit dem Kräuterpädagogen, der Inhaber der Gundermann-Akademie ist, ausdrücklich erwünscht.

Man käme nicht auf die Idee, das raue Klettenlabkraut in den Mund zu nehmen oder am Stiel des Wiesenbärenklau zu saugen. Holterman zeigt den Teilnehmern seiner Führung, wie man essbare und schädliche Kräuter unterscheidet. Wer sich nicht sicher ist, sollte lieber vorsichtig sein, rät er. Es genügt nicht, sich auf die Augen zu verlassen. "Pflanzen pflücken heißt, immer mit allen Sinnen dabei zu sein", erklärt der Experte. Manches erkennt man sogar mit geschlossenen Augen, wenn man zum Beispiel die folgende Regel kennt: "Ist der Stängel kantig rau, ist es Wiesenbärenklau."

Wildkräuterküche ist zurzeit Mode, laufend kommen neue Bücher auf den Markt. Von einigen kann der Biologe nur abraten. "Da werden zum Beispiel die Früchte der Eibe, deren Kern hochgiftig ist, als nette Köstlichkeit bezeichnet", weiß er. Die Gefahr, sich durch Wildkräuterküche mit dem lebensgefährlichen Fuchsbandwurm anzustecken, ist nach Ansicht des Biologen hingegen gering. Es gebe rund 50 Fälle pro Jahr, von denen zwei Drittel der Betroffenen hauptberuflich in Land- und Forstwirtschaft arbeiten. Der Erreger sei außerdem sehr lichtempfindlich, weshalb er an Kräutern nicht überleben könne.

Die Teilnehmer in Adendorf probieren immer wieder Pflanzen frisch von der Wiese oder schnuppern erst mal daran. "Es riecht nach Suppe." "Ein bisschen wie Knobi." "Lecker." Aber was ist das? Die senfartig duftenden Blätter gehören zur Knoblauchsrauke, klärt Holterman auf. "Sie können damit jede Suppe verfeinern." Die Spitzen des Klettenlabkrauts gibt er mit in einen Salat und erzeugt so einen leichten Erbsengeschmack.

Nicht jedes Kraut schmeckt den Teilnehmern auf Anhieb. "Einzeln probiert sind die alle nicht so toll", gibt Holterman zu, "aber in der Mischung, immer sechs bis zehn Verschiedene, schmeckt es wunderbar." Beherzt beißen die Kräutersammler in den gelben Teil einer Löwenzahnblüten, der ein guter Appetitzügler sein soll. Löwenzahnknospen, die noch nicht geöffnet waren, taucht der Kräuterpädagoge in Eigelb, wälzt sie in Semmelbrösel und backt sie dann in Öl aus. "Ein wunderbares Gemüse." Die gerösteten Wurzeln der vielseitigen Pflanze sind Grundlage für ein kaffeeartiges Getränk und auch dafür geeignet, Schnaps zu aromatisieren.

Auch wenn ein Kräuterlikör nach schwerem Essen gut tut - die heilende Wirkung von Wildpflanzen sollte man nach Meinung des Biologen nicht überbewerten. "Infektionen beispielsweise lassen sich nur durch Hygiene vermeiden", erklärte er.

Betrachtet man die Geschichte der Landwirtschaft, sind viele Wildkräuter die Vorfahren heutiger Kulturpflanzen. "Es wurden viele der Inhaltsstoffe weggezüchtet, was Sie zum Beispiel bei Radieschen aus dem Supermarkt im Vergleich zu Radieschen aus dem eigenen Garten schmecken können", sagt Holterman. Das Urwüchsige sei nur den Wildkräutern geblieben. "Sie sind deshalb natürliche Nahrungsergänzungsmittel."

Wie die schmecken, konnten die Gäste probieren, nachdem sie die gesammelten Pflanzen zu Kräuterquark, Kräuterbutter und Kräuter-Smoothies verarbeitet hatten. Die jungen Blätter des verhassten Gierschs isst Holterman übrigens als Salat, die feinen Triebe schiebt er direkt im Garten in den Mund, denn "das ist die moderne Art der Unkrautbekämpfung: Aufessen."

Info: Infos zu den Angeboten der Gundermann-Akademie gibt es unter 02225/15873 und auf www.gundermann-akademie.com

Löwenzahn-Gelee

Löwenzahnblüten gibt es zurzeit überall. Wer einen Liter davon gesammelt hat (die Blüten sollten voll aufgeblüht sein und am besten zwei Tage keinen Regen bekommen haben) kann damit Gelee herstellen. Dafür einen Liter Löwenzahnblüten andrücken und über Nacht in einem Liter Apfelsaft ziehen lassen. Am nächsten Tag die Blüten aus dem Apfelsaft filtern, mit dem Saft einer Zitrone abschmecken und mit 500 Gramm Gelierzucker 2:1 zu Gelee kochen. Das Gelee kochend in sterile Schraubgläser füllen und verschließe.

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