Naturschutzgebiet Rodderberg Heimat für gefährdete Arten

WACHTBERG-NIEDERBACHEM · "Biologische Vielfalt ist genau mein Thema", sagt Dorothee Hochgürtel, die in Wachtberg-Züllighoven auf ihrem Hof biologischen Landbau betreibt. Sie gehörte zu den zehn Teilnehmern, die am Freitagnachmittag mit dem Diplom-Biologen Christian Chmela von der Biostation Bonn/Rhein-Erft den blütenreichen Trockenrasen im Naturschutzgebiet Rodderberg genauer unter die Lupe nahm.

 Diplom-Biologe Christian Chmela (mit Hut) erklärt den Teilnehmern die Besonderheiten des Naturschutzgebietes Rodderberg.

Diplom-Biologe Christian Chmela (mit Hut) erklärt den Teilnehmern die Besonderheiten des Naturschutzgebietes Rodderberg.

Foto: Wenzel

"Das ist hier eines meiner Lieblingsgebiete", verrät Chmela und testet als erstes den Hörsinn seiner Teilnehmer. "Sie hören hier Heuschrecken", erläutert er dem lauschenden Zuhörerkreis. "Hört sich an wie das Surren einer leisen Nähmaschine. Das ist der Nachtigall-Grashüpfer. In den Ohren der meisten hört er sich an wie eine Grille. Diese Heuschrecken sind bei diesem warmen Wetter extrem mobil."

Noch Anfang des vorigen Jahrhunderts wurde der Rodderberg durch Tuffabbau stark in Mitleidenschaft gezogen. Um seine Zerstörung zu stoppen, stellte man ihn 1927 unter Schutz. Neben seiner Funktion als geologisches Schutzgebiet dient er heute als wichtiger Rückzugsraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten und nicht zuletzt als Naherholungsgebiet für die Bonner Bevölkerung. Das Naturschutzgebiet Rodderberg erstreckt sich über die Stadtgrenze bis in den Rhein-Sieg-Kreis und nach Rheinland-Pfalz hinein. Überregional bekannt ist das insgesamt 73 Hektar große Gebiet für seine interessante Geologie und für seine seltene Flora und Fauna in einer Vielzahl bedeutsamer Lebensräume.

Das gilt zum Beispiel auch für die Mäusegerste, einem getreideähnlichen Gewächs, das sich durch seine Grannen (Widerhäkchen) auszeichnet. "Für die Ernährung nicht geeignet", stellt der Diplom-Biologe fest, der die beweglichen Grannen am eigenen Arm testet. "Diese typische Pflanze kam früher an jedem Wegesrand vor. Sie braucht viel Wärme." Die "Sichelmöhre" sorgt bei Teilnehmer Hardo Theis aus Pech für Verwunderung: "Da muss ich zu Hause noch einmal nachschlagen", sagt der Ruheständler, bevor ein Exemplar in seiner Tüte verschwindet. "Ich begleite die Touren der Biostation seit Jahren", berichtet er. "Die Pflanzenwelt hier ist zu meinem Hobby geworden."

Als trockene und sonnige Wärmeinsel ist der Rodderberg heute ein einzigartiges Biotop: Arten- und blütenreiche Halbtrockenrasen und flachgründige Trockenrasen wechseln sich ab mit Fels- und Pioniergesellschaften. Allein mehr als 40 Arten der so genannten Roten Liste Nordrhein-Westfalens sind hier zu Hause, darunter Purpursommerwurz (Orobanche purpurea), Aufrechter Ziest (Stachys recta), Kartäusernelke (Dianthus carthusianorum) und Sonnenröschen (Helianthemum nummularium), Bergsandglöckchen und Feldmannstreu.

Außerdem ist der Rodderberg Rückzugsraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten südlicher Herkunft. Besonderheiten unter den Insekten sind dabei der farbenfrohe Schwalbenschwanz, das auffällige Blutströpfchen und die Blauflügelige Ödlandschrecke, eine stark gefährdete Heuschrecke trockener, schütter bewachsener Standorte.

"Jede Tour bringt neue Erkenntnisse für mich", gesteht selbst Botaniker Oliver Schall, der sich, ausgerüstet mit Lexika und Fernglas, darüber freut, "den Rodderberg aus verschiedenen Blickwinkeln näher kennen zu lernen". Für den Referatsleiter der Abteilung Artenschutz im Bonner Umweltministerium ist die Exkursion "eine Tour gegen den Strom des Vergessens". Denn: "Am Schreibtisch bekommt man davon nicht so viel mit."

Seit 15 Jahren wird das wertvolle Magergrünland der Hänge übrigens wieder in traditioneller Weise von einer Herde aus Schafen und Ziegen beweidet, was für die dortige Tier- und Pflanzenwelt optimal ist. Die Herde ist jährlich Ende April und Anfang Oktober für jeweils zwei Wochen anzutreffen und bietet ein malerisches Bild. Wen das interessiert, der sollte sich den 29. August vormerken (siehe Infokasten "Eine Ville, viele Wege").

Eine Ville, viele Wege

Unter der Überschrift "Stadt Land Fluss 2015: Eine Ville, viele Wege" veranstaltet der Landschaftsverband Rheinland (LVR) vom 22. August bis zum 6. September zahlreiche Touren und Exkursionen mit insgesamt 111 Angeboten - darunter Wanderungen, Lesungen, Führungen, Rad- und Bustouren in der Region Kottenforst-Ville-Umland.

Dazu gehören auch Veranstaltungen auf dem Rodderberg wie beispielsweise der Auftrieb der Schafherde auf dem Rodderberg am Samstag, 29. August, unter dem Titel "Pflege durch Nutzung". Die Exkursion der Biostation Bonn/Rhein-Erft beginnt um 14 Uhr. Treffpunkt ist der Parkplatz an der Vulkanstraße am Ortsrand von Mehlem auf Höhe der Hausnummer 7. Die Veranstaltung ist für die Teilnehmer kostenfrei.

Das komplette Veranstaltungsprogramm mit allen Terminen gibt es auch im Internet unter www.rheinische-landschaft.lvr.de.

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