"Wachtberg für Einsteiger", Teil 4 Giftmüll, Gewächshäuser, Windkrafträder

WACHTBERG · Ein Volo will's wissen - jetzt bei einer Tour durch die Landschaft rund ums Dorf-Dreieck Arzdorf-Adendorf-Fritzdorf.

Keine 400 Einwohner, kein Einkaufsladen, keine Kneipe, aber die Ersten, die sich auf den GA-Aufruf, mir Wachtberg zu zeigen, melden, um ihr kleines Dörfchen vorzustellen. "Eine Führung durch den Ort an die schönsten Plätze", bietet Dieter Klocke, der Vorsitzende des Bürgervereins Arzdorf, an.

Alternativ: "Eine Radtour durch das Umfeld Arzdorfs, allerdings nur bei schönem Wetter, da dank fehlender Radwege die Wege nach Fritzdorf und Adendorf bei schlechtem Wetter unpassierbar sind. Dabei eine Fahrt durch die geplante Konzentrationsfläche für Windräder der Gemeinde Wachtberg."

Ich möchte beides und so treffen sich Klocke und ich schon zeitig vor dem Haus des Lokalmatadoren, von wo aus wir unsere Radtour beginnen. Selbstbewusst, engagiert, stolz auf das, was sie haben und schaffen - so präsentiert mir Klocke anschließend eines der kleinsten Dörfer der Gemeinde: Den mit vereinten Kräften sanierten Gemeindesaal, der nun als Kneipenersatz fungiert.

Den gemeinsam gestalteten Dorfplatz. Die kleine Dorfkapelle mit dem Vorsitzenden des Antoniusvereins Peter Linke. Das Geburtshaus des Lehrer Welsch. Und natürlich die sich um das Dorf herum ausbreitende Natur - auch wenn sich weite Teile der Felder noch unter Plastikfolien verstecken.

"Das sieht nicht schön aus, aber immer noch besser als 200 Meter hohe Windräder", kommentiert Klocke mit Blick auf vor Frost schützende Gewächshäuser und Folienbahnen. Bliebe es dabei, Klocke und "alle Arzdorfer", wie er beteuert, wären hochzufrieden. Doch das ist unwahrscheinlich, schließlich bilden die Obstfelder im Dorf-Dreieck zwischen Aden-, Arz- und Fritzdorf weiterhin die einzige Fläche, für die die Verwaltung eine Bebauung mit Winderrädern ausweisen kann.

Diese Pläne gibt es seit 2011 und sie sind trotz aller Widerstände aus den Dörfern weiterhin aktuell. Im Sommer 2013 hatte der Planungs- und Umweltausschuss beschlossen, einen Vorentwurf für eine 13,1 Hektar große Fläche zu erstellen, auf der 195 Meter hohe Windräder errichtet werden dürften. Bislang passiert anschließend nichts mehr. Jetzt aber teilte die Verwaltung auf Nachfrage mit: "Für 2014 ist die Fortsetzung des Bauleitplanverfahrens eingeplant."

Für das Adendorfer Ratsmitglied Ursula Perkams wären die riesigen Energielieferanten zwar "eine Verschandelung unserer Landschaft", doch immer noch besser als das, was dieser Fläche Ende der 80er drohte. "Eine riesige Giftmülldeponie hätte all das zerstört", sagt sie und zeigt hinaus. In Richtung Fritzdorf, auf Arzdorf und die Burg Adendorf. 1986 wollte die Kölner Bezirksregierung hier eine sogenannte Hochdeponie auf einer Fläche von knapp 60 Hektar anlegen - dagegen wirken einige Windräder auf wesentlich geringerer Fläche wahrlich annehmbar.

Zumal Wachtberg - sollte die Gemeinde tatsächlich die kleinste Fläche mit 1000 Metern Abstand zur nächsten Wohnsiedlung freigeben - deutlich unter der landespolitischen Zielsetzung bliebe. Diese sieht zwei Prozent der Gemeindeflächen für die Windenergienutzung vor, für Wachtberg würde das 100 Hektar bedeuten. Selbst der größtmögliche Plan sieht weniger vor.

Doch wie angekündigt, brennt dem Arzdorfer Dieter Klocke nicht nur das Windrad-Thema unter den Nägeln. Wir sind mit dem Rad unterwegs, haben die mögliche Windrad-Fläche hinter uns gelassen und radeln nun die L267 entlang von Fritzdorf zurück Richtung Arzdorf. "Diese Straße verbindet die Dörfer und seine Vereine", sagt Klocke und zählt auf: Turnen, Schach, Fußball, Karneval und Tischtennis. Doch bei schlechtem Wetter müsse man das Rad stehen lassen. "Dann ist der Wirtschaftsweg zu matschig, um ihn mit dem Rad zu befahren", berichtet Klocke. Seit Jahren warte man auf eine Sanierung der rund 700 Meter langen Verbindung. Nachdem 2013 die eingeplanten 24.500 Euro nach dem Hochwasser zur Beseitigung anderer Schäden benötigt wurden, ist jetzt endlich Schotter in Sicht. "Im neuen Haushalt ist dieser Posten fest vorgesehen. Wenn er verabschiedet wird, kann noch 2014 gebaut werden", ließ die Verwaltung wissen. Auf einer Breite von 3,5 Metern sollen die kleinen Steine aufgetragen und verdichtet werden.

Immerhin. Denn auf die Errichtung eines Radwegs entlang der zweiten wichtigen Anbindung, der L123 nach Berkum, werden die Anwohner weiter warten müssen. Der für die Umsetzung zuständige Landesbetrieb Straßen NRW ließ mitteilen: "Die Maßnahme ist bei uns bekannt, ist aber nicht Bestandteil unserer Prioritätenliste." In den kommenden vier bis fünf Jahren sei ein rund 200.000 Euro teurer Radweg auf dieser Strecke kein Thema. Wer schon einmal auf dem Rad saß und den Windzug spüren durfte, wenn ein Auto mit Tempo 80 knapp an einem vorbei raste, wird das Bedauern der Arzdorfer auf diese Rückmeldung verstehen können.

Zonen für Windräder

Rechtlich sind Windenergieanlagen grundsätzlich ab einem Abstand von 500 Metern zur nächsten Siedlung erlaubt, so lange sie "öffentlichen Belangen nicht entgegenstehen" (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB). Dies tun sie so lange nicht, wie es keine ausgewiesenen Zonen für Windenergie im Flächennutzungsplan gibt. Das bedeutet: Schreibt die Gemeinde keine solche Zone aus, kann jeder interessierte Grundstückbesitzer außerhalb der Radom-Sperrzone Windräder installieren. Die Verwaltung möchte daher, um den Bau steuern zu können, eine Zone einplanen.

Der Volo will's wissen

Clemens Boisserée ist seit Februar GA-Volontär. Die erste Station hat ihn in die Redaktion Bad Godesberg und Wachtberg geführt - in ein Gebiet, in das der gebürtige Kölner zuvor noch nie einen Fuß gesetzt hatte. Das ändert sich nun, der 24-Jährige soll Wachtberg mit all seinen Facetten kennenlernen.

In der nächsten Folge beschäftigt sich der Volo mit der Wirtschaft in Wachtberg.

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