Unwetter in Wachtberg Flutwelle hinterlässt Spur der Verwüstung

Wachtberg/Mehlem · Bis Donnerstagmittag war es für viele Wachtberger ein normaler Arbeitstag. So auch für den Niederbachemer Malermeister Hans-Werner Schmitz. Dann jedoch galt es, blitzschnell den Malerkittel gegen Gummistiefel zu tauschen und Wasser- sowie Schlammmassen vor seinem Haus an der Mehlemer Straße zu vertreiben.

 Mit Mann und Maus im Einsatz ist Familie Schmitz in Niederbachem. Normalerweise ist der Mehlemer Bach an dieser Stelle gar nicht zu sehen.

Mit Mann und Maus im Einsatz ist Familie Schmitz in Niederbachem. Normalerweise ist der Mehlemer Bach an dieser Stelle gar nicht zu sehen.

Foto: Silke Elbern

Wie schon beim Unwetter am 3. Juli 2010 war Niederbachem wegen der Lage am Mehlemer Bach auch diesmal am stärksten betroffen. "Allerdings müsste der Pegel etwa einen Meter niedriger sein als damals", meinte Schmitz' Sohn Bastian.

Noch schlimmer als seine Familie, die mit Freunden im Einsatz war, habe es die Nachbarn getroffen. "Die sind erst vor vier Wochen eingezogen und hatten noch Umzugskartons in der Garage", erzählte Bastian Schmitz. Auch die Garage war vor den braunen Fluten nicht sicher.

Genauso schlimm wie vor drei Jahren schätzte ein Mitarbeiter der Gemeinde Wachtberg das Unwetter ein. Er hatte alle Hände voll damit zu tun, Schaulustige und Passanten davon abzuhalten, die gesperrte Mühlenstraße am Bach zu passieren. "Ich wundere mich schon, die Leute lassen trotz der Fluten sogar noch ihre Hunde frei laufen", meinte der Mann.

Und noch etwas gab ihm Rätsel auf. "Die zwei Friedhofs-Container vom Uferrand sind weg", so der Gemeindemitarbeiter. Allerlei Unrat verfing sich auch in den Brückengeländern. Im unteren Teil der Mehlemer Straße waren diese deshalb flachgelegt worden, um einen besseren Abfluss zu garantieren.

Menschen waren am Donnerstagnachmittag nicht in akuter Gefahr. Allerdings herrschte im gesamten Gemeindegebiet über Stunden eine Ausnahmesituation. Auch in Pech, Villip, Werthhoven und anderen Orten waren die Helfer gefragt. In den meisten Fällen waren es überschwemmte Straßen und vollgelaufene Wohnräume und Keller, die der Feuerwehr alles abverlangten.

In Wachtberg zählte die Feuerwehr bis zum frühen Abend 200 Einsätze, um die sich insgesamt 120 Wehrleute zu kümmern hatten. Im Einsatz waren neben der kompletten Wachtberger Feuerwehr auch Einsatzkräfte aus Euskirchen, Rheinbach, Bornheim und Swisttal, die den Kameraden der Nachbargemeinde zur Hilfe eilten. Bis in den Abend war ein Krisenstab eingerichtet.

In Pech kam es zu einem Erdrutsch an der Bergwiese, zudem musste aus Gründen der Statik eine Brücke gesperrt werden - ebenso wie an zwei Stellen in Niederbachem sowie an der Grube Laura in Oberbachem. Zudem haben die Wassermassen an mehreren Stellen Schäden an den Fahrbahndecken verursacht.

In mehreren Gebäuden drang während der sturzbachartigen Regenfälle Wasser durch die Dächer - so auch in mehreren Grundschulen der Gemeinde. Besonders schlimm traf es das Schulzentrum Berkum, wo wegen des Wassereinbruchs in Sekundar-, Haupt- und Grundschule heute kein Unterricht stattfindet.

Für eine Betreuung ist notfalls gesorgt. "Es ist beileibe nicht das erste Mal", berichtete die Mutter eines betroffenen Schülers, "dass bei Starkregen Eimer aufgestellt werden müssen." Auf Burg Gudenau in Villip stand das Wasser zeitweise einen halben Meter hoch im Burghof und hinterließ dort eine 30 Zentimeter dicke Schlammschicht.

Wachtbergs Bürgermeister Theo Hüffel, der die Feuerwehr am Donnerstag bei ihren Einsätzen begleitete, stellte mehrere Schritte der Gemeindeverwaltung in Aussicht: "Wir werden Container aufstellen, in denen Möbel vorübergehend gelagert werden können. Außerdem wird der Bauhof Soforthilfe leisten, wo Gebäude von Schlamm zu befreien sind", sagte der Bürgermeister.

Zudem will er anlässlich der von kommender Woche an stattfindenden Wachtberger Kulturwochen einen Spendenaufruf verbreiten; profitieren sollen davon diejenigen, die das Unwetter besonders stark geschädigt hat oder die womöglich keine Versicherung in Anspruch nehmen können.

Nicht zuletzt kündigte Hüffel eine sorgfältige Manöverkritik hinsichtlich des Hochwasserschutzes an. Der erhitzt bekanntlich seit dem schweren Unwetter vor drei Jahren die Gemüter in Wachtberg und Mehlem. "Ich habe den Eindruck, dass das Wasser jetzt schneller abgelaufen ist, aber solche Mengen kann der Bach nicht aufnehmen", sagte Hüffel.

Zum weiteren Vorgehen meinte er: "Wir werden jetzt genau prüfen, welche beschlossenen Hochwassermaßnahmen im öffentlichen wie privaten Bereich umgesetzt worden sind und wie umgesetzte Maßnahmen gewirkt haben", so der Bürgermeister. Helfen sollen Videoaufzeichnungen und Fotos der gestrigen Situation, die gemeinsam mit der Unteren Wasserbehörde erörtert werden sollen.

In Mehlem hatte Elke Müller-Drexler ein Déjà-vu-Erlebnis. "Jetzt haben wir das ganze Chaos wieder", sagte die Anwohnerin der Rüdigerstraße und ergänzte: "Bei starkem Regen ist es immer dasselbe: Die Kanäle packen es einfach nicht." Ganz so schlimm wie vor drei Jahren seien die Schäden diesmal nicht. Dennoch sei für sie klar, dass die Kapazität der Kanäle und des Mehlemer Bachs dringend auf die Agenda gehöre.

Über Stunden gesperrt war im Godesberger Ortsteil die Mainzer Straße. Die Mitarbeiter des Eiscafés hatten auf Gummistiefel verzichtet und reinigten den Außenbereich kurzerhand barfuß. Auch im Lotto-Toto-Laden von Jürgen Plogmann hatte der Mehlemer Bach ganze Arbeit geleistet. "Aber wenigstens war das Unwetter während der Geschäftszeit, da konnte ich die Ware hochstellen", sagte Plogmann. Wie bei anderen Betroffenen halfen auch hier gute Freunde.

Die Gemeinde Wachtberg hat eine Hotline geschaltet, 0228/9544182, bei der sich vom Unwetter betroffene Bürger melden können.

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