"Aktionsgemeinschaft Christen" Ein Brief stiftet Verwirrung

WACHTBERG · Eine alteingesessene Niederbachemerin war überrascht, als sie vor wenigen Tagen ihren Briefkasten leerte. Dort fand sie einen frankierten Brief, dessen kurzer Inhalt sie schlicht ärgerte.

 Die Niederbachemerin hält den dubiosen Brief in der Hand.

Die Niederbachemerin hält den dubiosen Brief in der Hand.

Foto: Axel Vogel

Nach der namentlichen Anrede wurde sie in dem Schreiben kurz und knapp aufgefordert, einen Teil "ihres großen Hauses" doch bitte "den Flüchtlingen" zur Verfügung zu stellen. Mit einem Dank und Gruß verabschiedeten sich die Unterzeichner dann auch schon wieder. Dabei handelt es sich um die "Aktionsgemeinschaft Christen in Niederbachem". Die kennt in Niederbachem allerdings bislang niemand. Auch ist unklar, ob und wie viele Briefe noch in der Gemeinde und vielleicht anderswo verschickt wurden.

"Ein solcher Vorfall ist den Kollegen vom Ordnungsamt bisher nicht gemeldet worden", sagt Gemeindesprecherin Margrit Märtens. "Ich höre erstmals von einem solchen Vorgang", erklärt auch Günter Schmitz-Valadier, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Wachtberg.

Er habe weder Kenntnis noch irgendeine Ahnung "von dieser dubiosen Aktion". Zudem stellt Schmitz-Valadier klar, "dass die Evangelische Kirchengemeinde Wachtberg mit diesem und ähnlichen anderen Schreiben nichts zu tun hat". Natürlich beschäftige man sich auch vor Ort mit dem Schicksal von Flüchtlingen.

So gibt es laut Schmitz-Valadier eine rege ökumenische Tätigkeit vor allem in Gestalt des ökumenischen Arbeitskreises Wachtberg zur Betreuung von Aussiedlern und Asylbewerbern. Auch dessen Vorsitzender Kurt Zimmermann betont: "Ich kenne keine “Aktionsgemeinschaft Christen in Niederbachem„. Mir sind auch keine Briefe in dieser Art bekannt."

Grundsätzlich ist die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus Sicht von Pfarrer Schmitz-Valadier zunächst "eine staatliche Aufgabe, die ja auch kommunal geregelt erfolgen muss". Dies werde "von allen Beteiligten so gesehen und in Bonn und Wachtberg gehandhabt".

Danach sei es Aufgabe der Politik mit bestem Wissen und Gewissen die Grenzen abzustecken und alle gesellschaftlichen Fragen und auch Vorbehalte vernünftigerweise einzubeziehen. Ob das Engagement zur Aufnahme von Flüchtlingen von der Gesellschaft mitgetragen wird, ist für Schmitz-Valadier "eine moralische Frage".

Die Antwort hänge damit zusammen, inwiefern Bürger Sympathie, was übersetzt so viel wie Mitleiden bedeute, walten lassen: "Aussagen der Bibel dazu sind umfangreich und eindeutig", sagt der Pfarrer. Gleichwohl gehe die Briefaktion völlig an der Sache vorbei, weil es in Wachtberg bisher keinen offiziellen Aufruf zur Wohnraumüberlassung gegeben habe. "Wieso also wird der eine Haushalt daraufhin angesprochen", fragt sich Schmitz-Valadier. Auch will er wissen, was die Briefschreiber selbst "bisher für Kriegsflüchtlinge getan haben?"

Für die Adressatin steht auf jeden Fall fest, dass das Ganze ungeachtet aller christlichen Nächstenliebe ein mehr als fragwürdiges Verfahren ist: "Es ist keine Empfehlung für das Anliegen, da ich mich regelrecht überwacht fühle." Außerdem hat die Frau, die namentlich nicht genannt werden möchte, Sorge, dass der Brief nur ein "freundlicher Schreckschuss" und Auftakt zu weitergehenden Aktionen sein könnte.

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