Wachtberger engagiert sich in Westafrika Banale Erkrankungen werden zur Gefahr

Wachtberg · Der Wachtberger Allgemeinmediziner Clemens Wagner hatte den westafrikanischen Staat Benin Anfang der 90er Jahre während seiner Arbeit für den Entwicklungsdienst kennengelernt.

 Das medizinische Team ist geschult: 80 Kilometer nördlich der Hafengroßstadt Cotonou hat der Verein "Agromed" in einem Dorf im Busch den Aufbau einer Krankenstation ermöglicht.

Das medizinische Team ist geschult: 80 Kilometer nördlich der Hafengroßstadt Cotonou hat der Verein "Agromed" in einem Dorf im Busch den Aufbau einer Krankenstation ermöglicht.

Foto: Privat

Die vielen Erlebnisse haben Wagner veranlasst, sich seit über zehn Jahren mit seinem gemeinnützigen Verein "Agromed" für eine bessere medizinische Versorgung vor Ort zu engagieren. Anlässlich des Ausbruchs der Ebola-Seuche in einigen westafrikanischen Staaten wollte Axel Vogel von dem Arzt wissen, mit welchen Schwierigkeiten das Gesundheitssystem in der Region grundsätzlich und sein Verein Agromed im Besonderen zu kämpfen hat.

Doktor Wagner, Benin grenzt an Nigeria, das auch von der Ebola-Seuche betroffen ist. Machen Sie sich Sorgen, dass die Seuche auch dort ausbrechen könnte?
Clemens Wagner: Die Sorge muss man haben, da Benin mit Nigeria über die grüne Grenze regen Handel treibt und hier Kontrollen kaum umsetzbar sind.

Was macht die Bekämpfung der Seuche so schwierig?
Wagner: Eigentlich ist Ebola deutlich weniger ansteckend als die Grippe. Die Gefahr liegt in der hohen Todesfolge der Krankheit und der nicht flächendeckenden Gesundheitsversorgung in den betroffenen Ländern. Grundsätzlich erreichen viele Patienten im ländlichen Raum aus eigener Kraft die Gesundheitsstationen nicht. Sie vertrauen sich dann traditionellen Heilern oder religiösen Sekten an. Oft sind auch die Ansteckungswege nicht bekannt und können bei einer Analphabetenrate von um die 50 Prozent auch nicht rasch vermittelt werden.

Wäre das Gesundheitssystem in Benin besser auf eine Seuchenbekämpfung vorbereitet?
Wagner: Im Gegensatz zu Nigeria, das nach jüngsten Berechnungen als reichstes Land Afrikas gilt, verfügt der Agrarstaat Benin über keine nennenswerten Bodenschätze. Diese fehlenden Begehrlichkeiten durch heimische Clans und ausländische Konzerne haben dem Land zwar keinen Reichtum beschert, dafür aber eine einigermaßen intakte traditionelle Gesellschaftsstruktur erhalten. So konnte sich auch dezentral ein rudimentäres Gesundheitssystem entwickeln.

Wir stehen vor der paradoxen Situation, dass sich die Erschließung finanziellen Ressourcen einiger Länder Westafrikas auf die gesundheitliche Versorgung der breiten Bevölkerung eher kontraproduktiv auszuwirken scheinten. Insgesamt verfügt aber keines der westafrikanischen Länder auch nur annähernd über westliche Versorgungsstandards. Wer kein Geld hat, stirbt zu früh und schnell oft an banalen Erkrankungen. Dies betrifft insbesondere die Landbevölkerung. Genau dort, fernab von geteerten Straßen, steht unser Zentrum. 80 Kilometer nördlich der Hafengroßstadt Cotonou haben wir in einem Dorf im Busch vor zwölf Jahren eine Krankenstation aufgebaut.

Sie hat das Land nach Ihrer Arbeit für den Entwicklungsdienst nicht mehr losgelassen.
Wagner: So ist es. Mit den Menschen in Benin bin ich seit über 20 Jahren eng verbunden. Unverhofft wurde mir Anfang der 90er Jahre die medizinische Versorgung von etwa 30 000 Einwohnern in einem Distriktkrankenhaus in Nordbenin am Rand der Sahara mit einem Beniner Arzt übertragen. Und das zwei Jahre lang. Es folgte eine der prägendsten Zeiten meines Lebens.

Tod und Duldsamkeit sowie Leben und Dankbarkeit begleiteten meine Arbeit in ungeahnter Intensität. Als meine Frau und ich mit unserem Kind im Juli 1993 Benin verließen, war klar, dass dies kein Abschied für immer sein würde. Mit Freunden habe ich darum im Februar 2001 den Förderverein Agromed in Bonn gegründet.

Konnte Agromed die medizinische Lage vor Ort weiter verbessern?
Wagner: Wir verfügen in unserer Kranken- und Entbindungsstation derweil über gut geschultes Personal und können Medikamente zu erniedrigten Kosten abgeben. Auch Entbindungen und mehrtägige Infusionstherapien sind möglich. Da wir in der über 6000-Seelen-Gemeinde das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen haben, steigt die Frequenz der Patienten. Auch ohne fließendes Wasser oder ein festes Stromnetz können wir mit einem Generator elektrisches Licht bei nächtlichen Entbindungen und Ultraschalluntersuchungen zu festen Zeiten anbieten, um erheblich autarker zu werden.

Sollte dennoch eine Evakuierung Schwerstkranker über die schlechten Straßen in die nächste Distriktstadt notwendig sein, so steht seit letztem Jahr ein Krankenwagen aus Deutschland zu Verfügung. 2009 haben wir im Dorf 500 Moskitonetze verteilt, um vor allem Kleinkinder vor Malaria, der Todesursache Nummer eins, zu schützen.

Mit welchen Problemen haben Sie noch zu kämpfen, was braucht Ihr Verein dringend?
Wagner: Anfang 2013 haben wir unsere landwirtschaftlichen Aktivitäten in Dorfnähe auf Eis legen müssen. Die Absicht, über den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte eine Co-Finanzierung unserer Krankenstation zu erwirtschaften, ließ sich nicht umsetzen. Neben hausgemachten Problemen verhagelten uns immer wieder instabile Preise der Eier unserer 1000 Legehennen den Gewinn. Wie wir herausbekamen, waren Eier-Exporte aus der EU die Ursache.

Die Erkenntnis, dass eine hochsubventionierte europäische Landwirtschaftspolitik die Gewinne einer heimischen Landwirtschaft in Benin konterkariert, war bitter. In den nächsten Jahren werden wir, wenn es unser Spendenkonto zulässt, ein neues Grundstück kaufen, um darauf ein größeres Zentrum zu errichten. Unsere Lehmhäuser platzen jedenfalls aus allen Nähten.

Bald besucht eine Delegation aus Benin Wachtberg. Was hat es damit auf sich?
Wagner: Manchmal muss man Glück haben. Die evangelische Kirchengemeinde in Wachtberg unterstützt unseren Verein seit vielen Jahren immer wieder durch Kollekten. Nun hat sie sich entschieden, zugunsten unseres Projekts vom 17. bis 21. September ein paar festliche Afrikatage unter dem Motto "Wir helfen Afrika" auszurichten.

Das wollten wir unseren afrikanischen Partnern nicht vorenthalten und auch Interessierten Gelegenheit bieten, sich bei zwei afrikanischen Projektmitarbeitern aus erster Hand zu informieren. Mir persönlich liegt zudem am Herzen, unseren afrikanischen Partnern aufzuzeigen, dass auch in einem der reichsten Länder dieser Erde ein rein spendenfinanziertes Gesundheitsprojekt ein mühseliges Geschäft sein kann.

Zur Person

Clemens Wagner ist 56 Jahre alt, stammt aus Koblenz, studierte in Aachen und Bonn Humanmedizin. Seine Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner absolvierte er in Bonn und Remagen. Seit 1994 ist der Vater von zwei Kindern, der mit einer Gynäkologin verheiratet ist, niedergelassener Hausarzt in Wachtberg-Oberbachem. 1991 absolvierte Clemens Wagner beim Deutschen Entwicklungsdienst einen tropenmedizinischen Lehrgang, um bereits wenige Monate später die stellvertretende Leitung eines Distriktkrankenhauses in Nordbenin zu übernehmen. Aufgrund seiner Erfahrungen vor Ort gründete er mit Freunden 2001 den Hilfsverein "Agromed", der seitdem dank Spenden beim Aufbau einer Krankenstation in Benin hilft.

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