Unwetteropfer in Wachtberg Auch auf dem Berg wütete die Flut

BERKUM · Im Wohnzimmer trocknen Aktenordner, an Wäscheständern hängen Zeugnisse und Familienfotos. Ein Großteil der Kleidung befindet sich in den Waschmaschinen und Trocknern der Nachbarn. "Deren Hilfe war überwältigend", sagen Maren und Kamal Naber.

Von der Gemeindeverwaltung hingegen sind sie bitter enttäuscht, seitdem bei dem Unwetter am Donnerstag vergangener Woche der als Wohnraum und Waschküche genutzte Keller ihres Hauses geflutet wurde. Ihr Hab und Gut, so schätzen sie, haben sie zur Hälfte verloren.

"Wir waren nicht zu Hause, als uns Nachbarn per Telefon alarmierten. Als ich dann gegen 13 Uhr ankam, war das Treppenhaus zum Keller bereits zur Hälfte geflutet", schildert Maren Naber die Geschwindigkeit, mit der die Fluten ins Haus geschossen waren. Dabei steht das Eigenheim, das die fünfköpfige Familie vor zwei Jahren neu gebaut hat, weder in der Nähe eines Baches noch in einem Tal.

Im Gegenteil: Es handelt sich um das höchst gelegene Haus an der Alten Gasse am oberen Rand des Neubaugebietes Rondo. Vier weitere Wohnhäuser in der vorderen Reihe sind ebenfalls betroffen. Oberhalb liegt lediglich ein freies Feld, auf dem einst das Wohn- und Geschäftsviertel Wachtberg-Mitte entstehen soll. Diese Wiese, deren Neigungswinkel auf den Neubau der Nabers gerichtet ist, wurde der Familie nun zum Verhängnis.

[kein Linktext vorhanden]Der Vorwurf von Kamal Naber hat es in sich: "Die Gemeinde Wachtberg hat mein Haus unter Wasser gesetzt", schimpft er und deutet auf die Wiese. Sie gehört im Wesentlichen dem Investor für das neue Gewerbegebiet. Ein unmittelbar an das Privatgrundstück angrenzender Streifen hingegen ist Gemeindegebiet. "Hätte man auf den Flächen einen Wasserrückhalt wie einen Wall oder Graben gezogen, wäre die Situation nicht entstanden", sagt Naber, selbst Bauingenieur.

Darauf, dass zudem die Alte Gasse entlang seines Grundstücks über keine Regenrinne verfügt, während sich die Straße aber in Richtung seines Hauses neigt, und ein Gully höher gelegen ist als der Großteil des Straßenniveaus, habe er das Bauamt schon beim Bau der Straße hingewiesen - die Reaktion habe sich im Verweis auf die vorliegenden Pläne erschöpft.

"Hätte die Gemeinde 500 Euro investiert, wäre uns dieses Drama erspart geblieben", sagt Kamal Naber, der den Schaden auf 100.000 Euro schätzt. Neben der Heizungsanlage befanden sich Hausgeräte, Möbel, Kleidung, Spielzeug, Bücher, Computer und sämtliche Familiendokumente im Keller - ebenso wie Erinnerungsstücke, von Fotoalben bis zum Hochzeitkleid. Das meiste davon befindet sich jetzt in einem Müllcontainer vor dem Haus oder liegt im Garten. Die verschlammte Waschmaschine, die für die Dokumentation der Versicherung dort stand, wurde zu allem Überfluss über Nacht gestohlen.

[kein Linktext vorhanden]Der Keller sieht aus wie im Rohbau, auf Bautrockner wartet man derzeit ähnlich lang wie auf Versicherungsmakler. Ihre Kapazität ist knapp in diesen Tagen. Immerhin: Eine Elementarschadenversicherung hatte die Familie abgeschlossen. Und ein Statiker sagt, dass das Haus nicht in seinen Grundfesten beschädigt wurde.

Ohne Heizung hat die Familie seit einer Woche kein warmes Wasser. Geduscht wird im Schwimmbad oder bei Nachbarn. Der vierte Geburtstag des Jüngsten der drei Kinder fand am Dienstag unter "besonderen Bedingungen" statt. Herb enttäuscht ist die Familie von der Verwaltung, von der bislang niemand vorbeikam, um sich ein Bild zu machen. "Stattdessen verliest der Bürgermeister in der Ratssitzung einen Brief an den Bonner OB", schimpft Naber.

Theo Hüffel, vom GA zu dem Fall befragt, belässt es am Freitag bei einer allgemeinen Antwort und verweist auf die Ausnahmesituation, der die Kanäle nicht gewachsen gewesen seien. Hüffel: "Wir stehen aber im engen Dialog mit unseren Bürgern und sind für Hinweise dankbar, da wir aus solchen Extremsituationen auch lernen wollen. Es wird aber nicht möglich sein, Überflutungen bei solch extremen Regenereignissen ganz zu verhindern." Auf ihrer Internetseite gibt die Gemeinde seit Freitag Spendenkonten für Wachtberger Flutopfer bekannt.

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