Überfall auf Troisdorfer Waffengeschäft Verteidiger nennen Überfall "provozierten Suizid"

TROISDORF/BONN · Was der Mann auf der Anklagebank getan hat, steht fest. Aber warum überfiel der 35-jährige Wirtschaftsjurist, der für eine Bundesbehörde in Bonn tätig war, am 12. Oktober 2012 ein Waffengeschäft in Troisdorf?

Die Anklage wirft dem Mann versuchten Raubmord vor, weil er dem Vater des Ladeninhabers eine scharf gemachte Schreckschusspistole auf die Brust setzte und zweimal abdrückte, ohne dass sich jedoch ein Schuss löste. Gestern präsentierte die Verteidigung eine überraschende Erklärung: Die Tat sei wahrscheinlich als "provozierter Selbstmord" zu werten.

Der 35-Jährige sei aus Angst davor, dass sich die Mutter seines Sohnes von ihm trennen wollte, in einer Ausnahmesituation gewesen und habe sich bei dem Überfall wohl erschießen lassen wollen. Doch als er dann vom Opfer angegriffen worden sei, sei sein Lebenswille wieder erwacht.

Bei der Polizei hatte der Angeklagte zunächst eine andere abenteuerliche Geschichte erzählt: Ein Unbekannter habe ihn angerufen und gedroht: Er müsse das Waffengeschäft überfallen, sonst sei seine Familie in Gefahr. Im Sandkasten seines Sohnes habe die scharf gemachte Waffe gelegen und ein Zettel mit vier Waffentypen, die er erpressen sollte. Einen solchen Zettel hatte er bei der Tat dabei.

Nun erklärten die Verteidiger: Die Waffe habe der Angeklagte von einem suizidgefährdeten Freund zur Verwahrung erhalten. Der 35-Jährige selbst schwieg gestern und ließ seine Anwälte reden. Und die erklärten, wie leid dem Angeklagten alles tue. Der Mann, der beim Bund Rekruten an der Waffe ausgebildet habe, habe völlig neben sich gestanden. "Aber nicht so weit, dass er jemanden hätte erschießen können", so die Verteidigung.

Wie weit der Mann wirklich gegangen wäre, und ob die Pistole versehentlich oder absichtlich nicht losging, ist unklar. Der 69-jährige Vater des Geschäftsinhabers jedenfalls glaubte erst an einen Scherz, als der Mann mit der Waffe vor ihm stand, wie er als Zeuge erklärte. Er habe die Waffe direkt als Schreckschusspistole erkannt.

Dass sie scharf war und zwei Patronen im Lauf hatte, ahnte er nicht. Deshalb habe er auch keine Angst gehabt und dem Mann das Gewehr, das er in der Hand hielt, in den Nacken geschlagen. Dann habe der Mann zwei Mal abgedrückt. Mit seinem Sohn habe er den Täter niedergerungen, seine Frau habe dem Mann einen Totschläger abgenommen und das Messer, nach dem der greifen wollte, aus der Tasche gezogen.

Erst als er erfahren habe, dass die Waffe scharf war, habe er den Ernst der Lage erkannt, sagte der 69-Jährige: "Ich hatte einen Schutzengel." Seitdem sei er viel wachsamer: "Man traut fast keinem mehr, der ins Geschäft kommt." Seinem Sohn geht es ähnlich, wie der 34-Jährige vor Gericht sagte. Und die 60-jährige Mutter erklärte: "Die Tat hat unser Leben grundlegend verändert." Daran änderten auch die 10 000 Euro nichts, zu deren Zahlung sich der Angeklagte verpflichtet habe.

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