Weichenstellung auf dem Müllmarkt Die Bratpfanne in der gelben Tonne

TROISDORF · Die Bundesregierung hat die Verpackungsverordnung nachgebessert. Ein Blick in die Sortieranlage in Troisdorf:

Ein modrig-süßlicher Geruch liegt in der Luft, aber wie auf einer Müllkippe fühlt man sich beim besten Willen nicht. In der Sortieranlage für Verpackungsabfälle in der Troisdorfer Josef-Kitz-Straße kommen jeden Tag unzählige Laster mit Verpackungsabfällen aus den gelben Tonnen und Säcken an.

Seit 1991 werden in Deutschland Verkaufsverpackungen über ein sogenanntes Duales System erfasst und verwertet. Für den Verbraucher scheint das System problemlos zu funktionieren: Er hat sich in den vergangenen 23 Jahren daran gewöhnt, seinen Müll zu trennen und muss sich über die rechtlichen und praktischen Hintergründe keine Gedanken machen.

"Intelligente Fehlwürfe nennen wir so etwas", erläutert Niederlassungsleiter Nicolas Müller und hält eine arg ramponierte Bratpfanne in den Händen. "Dass die genauso wenig in die gelbe Tonne gehört wie die ausgediente Gummiente des Sprösslings oder die kaputte Plastikgießkanne, wissen die meisten entweder gar nicht oder ignorieren es einfach." Denn eigentlich gehören in die Tonnen und Säcke nur Verpackungsabfälle und die müssen die "Einpacker", also Industrie und Handel bei einem der inzwischen elf Dualen Systeme anmelden.

"Rein technisch haben wir mit Gummienten und Bratpfannen keine Probleme - unsere Sortieranlage recycelt problemlos auch Kunststoff- und Metallprodukte, die keine Verpackungen sind. Daher nennen wir diese Fehlwürfe ja ?intelligent'", sagt Müller. Diese "stoffgleichen Nichtverpackungen" sind aber noch nicht einmal das größte Problem des Systems der dualen Abfallerfassung:

Vor allem gibt es viele Verpackungen, für deren Entsorgung niemand bezahlt. Immer mehr Unternehmen nutzen Schlupflöcher in der Verpackungsverordnung, um Kosten zu sparen. Sie lizenzieren nicht alle Verpackungen bei einem Dualen System, sondern geben stattdessen an, die Verpackungen selbst im Laden zurückzunehmen. Diese "Eigenrücknahme" war bislang erlaubt. Doch die Käufer werfen die Verpackungen trotzdem meist zu Hause in die gelbe Tonne, weil es so natürlich viel bequemer ist.

Dieser Missstand wird noch befördert durch die Konkurrenz unter den Betreibern der verschiedenen Dualen Systeme. Oft werden gesetzliche Schlupflöcher gesucht, um sich im Preiskampf besser gegenüber Mitbewerbern positionieren zu können.

Vergangene Woche hat der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause gleichzeitig der sechsten und siebten Novelle der Verpackungsverordnung zugestimmt. Kernpunkt der Änderungen sind der Wegfall der Eigenrücknahme sowie die deutliche Einschränkung der Branchenlösungen.

"Das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, löst aber nicht die grundsätzlichen Probleme des dualen Systems. Wichtig ist jetzt die Entwicklung eines Wertstoffgesetzes, das die Erfassungs- und Recyclingquoten massiv heraufsetzt", erläutert Remondis-Sprecher Michael Schneider und verweist auf eine Studie des Infa-Instituts, nach der das im Restabfall verborgene Potenzial bis zu 95 Kilo je Einwohner jährlich betragen soll.

Die Sortiertechnik scheint dafür jedenfalls bereits gerüstet: Die Troisdorfer Anlage funktioniert beinahe vollautomatisch. Mit modernster Infrarot-Technik sind die Sortierbänder ausgestattet und trennen zuverlässig die unterschiedlichen Materialfraktionen wie Metall, Kunststoff oder auch Tetrapaks.

Menschen sind an der Anlage kaum noch zu sehen; die 21 Mitarbeiter des Standortes bedienen die Maschinen oder fahren die gewonnenen Sekundärrohstoffe mit dem Gabelstapler zum Zwischenlager. "Mitarbeiter, die Störstoffe aussortieren müssen, benötigen wir eigentlich fast gar nicht mehr", erläutert Müller.

Bei Remondis hat man aus der Lage trotz der Novellierung inzwischen Konsequenzen gezogen: Der Konzern stellt sein Duales System Ecopunkt zum Jahresende ein, will sich in Zukunft nurmehr als Makler beteiligen. "Zwischen den Systembetreibern herrscht ein unheiliger Wettbewerb, bei dem es sich lohnt, seinen eigenen Marktanteil möglichst klein zu rechnen", sagt Schneider.

Nach dem Marktanteil werden im System nämlich die anteiligen Kosten der Erfassung und Verwertung berechnet. Remondis setzt auf ein neues Wertstoffgesetz, bei dem die Organisationsverantwortung wieder den Kommunen zufallen soll.

Die Dualen Systeme

Seit 1991 gibt es in Deutschland die getrennte Erfassung von Verpackungsabfällen: Wer hierzulande Waren vertreibt und dazu Verpackungsmaterialien nutzt, der muss Vorsorge für ein ordnungsgemäßes Recycling der Verpackungen treffen. Das ist in der Verpackungsverordnung geregelt.

Bis 2004 war das Duale System Deutschland (DSD) der einzige Anbieter, sein Zeichen, der "Grüne Punkt", signalisierte dem Verbraucher, dass die Verpackung lizenziert war. Seit 2004 herrscht Wettbewerb auf dem Markt der Dualen Systeme und die lizenzierten Verpackungen können, aber müssen nicht mehr den "Grünen Punkt" tragen. Für den Verbraucher fallen keine Gebühren an, die Entsorgung ist mit dem Kaufpreis der Waren abgegolten. Die Verordnung weist die Verantwortung für die Verwertung den Herstellern und Vertreibern zu; dazu müssen sie sich bei einem der inzwischen elf Dualen Systeme lizenzieren lassen.

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