Berufseinstieg über die Rhein-Sieg-Werkstätten Der lange Weg zurück auf den Arbeitsmarkt

RHEIN-SIEG-KREIS · Er steht von morgens bis abends im Geschäft, an fünf Tagen in der Woche - und ist glücklich dabei. "Wenn ich in den Laden komme, geht mein Herz auf", sagt Matthias Jetter. Vor sechs Jahren hätte er sich das so nicht vorstellen können, er litt unter psychischen Problemen.

 Gelungene Integration: Mattias Jetter (r.) mit seinem Chef Markus Busch im "Bier weltweit"-Laden.

Gelungene Integration: Mattias Jetter (r.) mit seinem Chef Markus Busch im "Bier weltweit"-Laden.

Foto: Arndt

Damals kam er zu Intec, dem Siegburger Standort der Rhein-Sieg-Werkstätten der Lebenshilfe. Als einer von 210 Mitarbeitern mit einer psychischen Behinderung trat er den Weg hin zu einer beruflichen Wiedereingliederung an. Seit dem 1. Februar hat der 43-Jährige es geschafft. Er arbeitet für Markus Busch, in dessen Geschäft "Bier weltweit" in Siegburg.

"Früher hieß es, einmal Werkstatt immer Werkstatt", sagt Gaby Baumann, die Fachkraft für berufliche Integration bei Intec ist. Das Beispiel von Matthias Jetter zeige, dass die Werkstätten keineswegs die Endstation seien müssten. Er ist der zweite Intec-Mitarbeiter, der in diesem Jahr an den ersten Arbeitsmarkt vermittelt wurde. Im vergangenen Jahr waren es drei. Sie alle haben zuvor ein Praktikum absolviert und anschließend einen sogenannten Betriebsintegrierten Arbeitsplatz (BiAP) innegehalten. "Die Teilnehmer arbeiten in einem Unternehmen unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes", erklärt Gaby Baumann. Sie bleiben aber Beschäftigte der Werkstätten und werden von einer Integrationskraft begleitet. 13 BiAP betreut die Intec derzeit.

"Die Mitarbeiter wissen, dass sie jederzeit in den geschützten Raum der Werkstätten zurückkehren können, wenn sie sich den Belastungen nicht gewachsen fühlen", sagt Baumann. Das hat auch Matthias Jetter Sicherheit gegeben. "Das waren schon viele Herausforderungen, denen ich mich stellen musste", erinnert er sich an die sechs Monate, die er auf seinem Betriebsintegrierten Arbeitsplatz in Markus Buschs Bierladen gearbeitet hat. "Anfangs habe ich ganz schön gewackelt", sagt er. Aber er habe sich schnell stabilisiert.

Als Kind wollte Matthias Jetter Staatsanwalt werden, hat dann eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann absolviert. "Danach habe ich angefangen zu studieren und mir das Studium mit der Arbeit für einen Sicherheitsdienst finanziert", erzählt der gebürtige Stuttgarter, der nun in Troisdorf lebt. Damals seien erste psychische Probleme aufgetreten.

Den Weg zu Intec ist Jetter zunächst ungern gegangen. "Ich war nicht begeistert von der Idee, in einer Werkstatt zu arbeiten", sagt er. Relativ schnell habe er dann aber die Vorteile erkannt: "Man nimmt am Arbeitsleben teil, leistet etwas, die Tage bekommen wieder Struktur und man hat soziale Kontakte." Jetter arbeitete für die digitale Archivierung, hat für die Zeitung der Intec geschrieben und sogar einen Tanzkurs geleitet. "Jetzt war er bereit für die Wiedereingliederung", sagt Gaby Baumann. Als Markus Busch an die Intec herantrat und nach einem Mitarbeiter fragte, empfahl die Sozialpädagogin Matthias Jetter - zunächst für ein Praktikum, dann für den Betriebsintegrierten Arbeitsplatz.

Ein Weg, den Busch auch anderen Arbeitgebern ans Herz legt: "Das Risiko für den Arbeitgeber ist gering, die Betreuung durch Intec sehr gut." Er habe sehr schnell erkannt, dass Matthias Jetter ein loyaler und zuverlässiger Mitarbeiter ist. "Dass ich ihn fest anstelle, war mir schnell klar", sagt Busch. In den ersten fünf Jahren erhält er über den Landschaftsverband Rheinland 80 Prozent Lohnkostenzuschuss. Für Matthias Jetter ist der Weg zurück zu Intec immer offen. Doch das ist für ihn keine Option: "Ich identifiziere mich voll mit dem Laden." Ob Verkauf, Lagerarbeiten, Werbung oder Onlineshop, die Arbeit macht ihm Spaß. Gleichwohl sagt Jetter: "Den Kontakt zu Intec werde ich nicht abbrechen lassen."

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