Flüchtlinge in Swisttal "Vor allem die Sprache ist wichtig"

SWISTTAL · In ihren Heimatländern herrscht Krieg, sie fürchten Folter und Verfolgung. Deshalb geben sie alles auf, um in der Fremde eine neue Heimat zu finden. Die Zahl der Flüchtlinge steigt global an, und auch Swisttal nimmt immer mehr Menschen auf.

 Jony Eywan ist aus Syrien nach Swisttal gekommen. Der 19-Jährige möchte gerne Zahnmedizin studieren.

Jony Eywan ist aus Syrien nach Swisttal gekommen. Der 19-Jährige möchte gerne Zahnmedizin studieren.

Foto: Axel Vogel

Viele sprechen kein Deutsch, brauchen Orientierungshilfen in dem ihnen unbekannten Land. Einer der Flüchtlinge in Swisttal ist Jony Eywan (19). Seit etwa einem Jahr ist der Syrer mit seiner Familie in Deutschland.

"Zuerst konnte ich gar kein Wort Deutsch reden", erzählt er. "Zwei Monate war ich ohne Freunde zu Hause." Im Februar 2014 begann Jony mit einem Deutschkursus, mit den Sprachkenntnissen veränderte sich seine Situation. Er ging in den Fußballverein, fand Freunde. Er machte wieder Zukunftspläne: Wenn er alle nötigen Sprachkurse absolviert hat, möchte er Zahnmedizin studieren. Sein Abitur hat Jony noch in Syrien abgelegt, mit der höchstmöglichen Punktzahl. Es wurde in Deutschland anerkannt.

Jürgen Hein, Axel Fuhs und Michael Schleupner wollen Menschen wie Jony Eywan und seiner Familie helfen. Bereits in den 90er Jahren leitete Hein als Sozialarbeiter einen von der Evangelischen Kirchengemeinde Swisttal gegründeten "Arbeitskreis (AK) Flüchtlinge". Mittlerweile ist Hein, der auch Vorsitzender der Swisttaler Tafel ist, im Ruhestand, hat den AK aber mit Fuhs und Schleupner wieder ins Leben gerufen. Mehr als 30 Swisttaler haben sich der Initiative angeschlossen, darunter auch soziale Träger, Sportvereine und Schulen. Die Zahl der Flüchtlinge verändere sich täglich, berichtet Jürgen Hein. Im Dezember waren es noch 51 Personen, die in Übergangswohnheimen der Gemeinde untergebracht waren. Vergangene Woche war ihre Zahl auf 63 angestiegen, davon 32 in Ludendorf, 14 in Odendorf und 17 in Heimerzheim. Sie kommen aus 21 Herkunftsländern, der größte Teil aus Syrien und afrikanischen Staaten.

Für viele sei Swisttal Übergangsstation, weil sie zu Verwandten und Freunden wollten, die meist in größeren Städten leben, sagt Hein. Neben den amtlich zugewiesenen Flüchtlingen wohnen auch sogenannte Kontingentflüchtlinge in Swisttal, die als Gäste bei Familien aufgenommen wurden, so auch Jony und seine Familie, die auf Einladung eines Kölners nach Deutschland kamen. Die Gastgeber stellen Unterkunft und Verpflegung. Die Krankenversicherung wird von der öffentlichen Hand übernommen.

Als Christen haben die Eywans in Syrien um ihr Leben gefürchtet. Mit seiner Schwester Joel (15), seinen Eltern und seiner Tante sowie deren Familie floh Jony mit dem Auto in die Türkei. Dort kam das Visum für Deutschland, die Familie konnte einreisen. "Wir hatten viel Glück", sagt Jony. Mit seiner Familie wohnte er zunächst in beengten Verhältnissen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, dann konnten sie in eine größere umziehen. Die Evangelische und die Katholische Kirchengemeinde in Odendorf haben die Mietkosten für ein Jahr übernommen. Jonys Eltern haben Minijobs, die Mutter als Putzhilfe, der Vater übernimmt Garten- und Handwerksarbeiten. In Syrien war er Maurer.

"Was ist das Dringlichste an Hilfen für die Flüchtlinge?", hatte sich der Arbeitskreis bei seinen ersten Treffen gefragt, so Axel Fuhs. Schnell war klar: "Die Sprache ist wichtig." Für die Erwachsenen werden Sprachkurse und ehrenamtliche Sprachlehrer gesucht. Die Kinder bekommen an den Schulen teils zusätzliche Förderung. Fuhs ist didaktischer Leiter an der Georg-von-Boeselager-Sekundarschule Heimerzheim, auf die sieben Flüchtlingskinder gehen. Fünf Stunden pro Woche fördert eine Lehrerin der Schule die Kinder, vier weitere Stunden werden von Lehrerinnen im Ruhestand ehrenamtlich abgedeckt.

Die restlichen 25 Stunden an der Ganztagsschule nehmen die Kinder am regulären Unterricht teil. "Das ist eine enorme Herausforderung", so Fuhs. Jedes Kind hat seine eigene Vorgeschichte. Ein zweites Ziel des Arbeitskreises ist es, für jedes Übergangswohnheim einen Ansprechpartner zu finden. Er soll auch Kontaktperson für das Sozialamt sein, mit dem der AK eng zusammenarbeitet. Mit Ortsvorsteher Hermann Leuning und dem Ortsvereinsvorsitzenden Michael Gadow sind für Heimerzheim und Essig-Odendorf schon Ansprechpartner gefunden, für Ludendorf sucht der AK noch jemanden. "Wir möchten den Leuten helfen, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden," sagt Fuhs. Deshalb macht der AK mit allen Interessierten eine Tour durch Swisttal. Die Kinder und Jugendlichen können in Sportvereine eintreten oder die offenen Angebote der Jugendzentren nutzen. In Zusammenarbeit mit dem Sozialamt werden Infobroschüren in verschiedenen Sprachen gedruckt.

Jony macht sich Sorgen um Verwandte, die noch in Syrien sind. Es sei schwierig, den Kontakt zu halten. Oft gibt es in seiner Heimatstadt Al-Hasaka in Nordsyrien kein Wasser und keinen Strom. Etwa einmal pro Woche klappe es mit der Internetverbindung. "Meine Verwandten wollen raus, aber sie können nicht", sagt er.

Kontakt zum Arbeitskreis: Jürgen Hein, Tel. 02255/1856, E-Mail: swisttalertafel@gmail.com

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort