Refugium für bedrohte Singvögel Tschilpen, Tscheckern und Trillern

REGION · "Alle Vögel sind schon da, alle Vögel alle" heißt es im Volkslied von Hoffmann von Fallersleben. Das stimmt so längst nicht mehr. Denn im Vogelkonzert bleiben immer mehr Sängerplätze unbesetzt. Nach menschlichen Maßstäben gibt ohnehin nur eine Minderheit der rund 70 in der Region beheimateten Singvogel-Arten (in Europa 116) wohlklingende Lieder von sich.

 Das Rotkehlchen.

Das Rotkehlchen.

Foto: Peter Meyer

Die anderen tschilpen, trillern, piepsen, rätschen, tscheckern, zwitschern oder krächzen mit im gemischten Chor. Ein Refugium bietet der Nabu den Vögeln im Biotop in der früheren Kiesgrube bei Swisttal-Dünstekoven an.

Die winterharten Vögel bleiben das ganze Jahr, andere durchqueren im Frühjahr und Herbst alljährlich auf dem Zug unter großen Strapazen die Sahara. Unterwegs werden Abermillionen von ihnen abgeschossen, gehen in Fanganlagen Wilderern auf den Leim, verfangen sich in fast unsichtbaren riesigen Netzen oder bleiben wegen veränderter Umweltbedingungen buchstäblich auf der Strecke. Trotz aller Sorgen um die gefiederten Sänger: Noch sind Frühling und Frühsommer bei uns nicht stumm. Überraschungen sind angesagt beim genaueren Blick in ihre grünen Kulissen.

Vor etwa 140 Millionen Jahren hoben die ersten Flugsaurier ab. Sie hatten noch Flughäute. Der Archaeopteryx wartete dann mit einem Federkleid auf. Der Beginn einer Erfolgsstory. Wie er zu den Federn kam, ist bis heute weitgehend unklar. Die Wissenschaft ist der Meinung, dass sie sich aus den Schuppen der Reptilien entwickelt haben.

Wie immer hat sich nach diesem etwas unbeholfenen "fliegenden Urvogel" alles in der Evolution weiterentwickelt. Heute sind diese Nachfolger des Urvogels echte Spezialisten, die die Luft und das Wasser beherrschen.

Diese lassen sich in weltweit rund 8600 Vogelarten aufteilen, etwa die Hälfte sind Singvögel. Sie unterscheiden sich durch die Syrinx der Stimmapparat, diesen besitzen auch die Rabenvögel und gehören somit zu den Singvögeln. Der kleinste Singvogel ist das Wintergoldhähnchen, der größte ist der Kolkrabe. Pirol, Nachtigall, Gelbspötter - wo ertönt noch ihr Ruf und Gesang in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis? Wo steigen noch Hauben-, Heide- oder Feldlerche singend in die Lüfte? Ihr Fehlen an zahlreichen, über viele Jahrzehnte angestammten Plätzen fällt nur wenigen, meist älteren Menschen, auf. Wer den arttypischen Gesang nicht mehr im Ohr hat - vermisst er ihn noch? Der Nabu Bonn sieht eine seiner Aufgaben darin, die vorhandene Vielfalt und Eigenart der heimischen Singvögel ins Blickfeld zu rücken, aber auch an jene zu erinnern, die das Feld räumen mussten.

Die Singvögel bei Swisttal
11 Bilder

Die Singvögel bei Swisttal

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Die Amsel kennt jeder, ist sie auch eine der ersten Sänger, in der Stadt schon ab Januar zu hören, genau wie die Misteldrossel. Der Buchfink, einer der häufigsten Vögel zu nennen, schmettert seinen Ruf bis zu 4500 Mal am Tag. Ab März kommt die Singdrossel hinzu, eine der melodischsten Sänger. Knirschende Töne mit Kratzen sind vom Dach zu hören, wenn der Hausrotschwanz sein Lied anstimmt. Der Gesang der Vögel hat sehr viel mit der Fortpflanzung zu tun, hierdurch werden das Revier markiert und die Weibchen angelockt. Gleichzeitig sollen konkurrierende Männchen auf Abstand gehalten und dadurch kräftezehrende Kämpfe vermieden werden. Kurz vor dem Nestbau und der Eiablage ist der Gesang am stärksten, mit der Versorgung der Jungvögel ebbt der Gesang etwas ab. Höhepunkt ist Mitte April bis Ende Mai. Wenn andere weniger singen, kommen noch die späteren Zugvögel hinzu, wie Sumpfrohrsänger, Pirol und Gelbspötter. Doch auch bei den Arten, die schon früh im Jahr begonnen haben, kann die Gesangsaktivität wieder zunehmen, wenn sie nach Abschluss der ersten eine zweite Brut beginnen.

Leider sind bei vielen Arten starke Rückgänge zu beobachten. So ist zum Beispiel die Haubenlerche bei uns nicht mehr anzutreffen (vor 25 Jahren war sie in Meckenheim noch zu sehen). Aber auch Arten wie der Feldsperling haben es zunehmend schwerer zu überleben. Denn Flächen gingen durch Versiegelung verloren, ebenso das Angebot an Insekten oder geeignete Nistplätze. Vieles hat der Mensch negativ verändert, einige Arten sind unwiederbringlich verloren.

Aber auch Positives gibt es zu berichten: In den Schutzgebieten, die der Nabu Bonn betreut, tauchen immer wieder Arten auf, die sonst in der Region nicht mehr oft vorkommen (Heidelerche, Baumpieper, Gelbspötter, Teichrohrsänger).

Auch sind in den Röhrichtzonen des Naturschutzgebietes bei Dünstekoven im Herbst Schlafplätze von mehreren Tausend Staren zu beobachten. Ebenso lassen sich in naturnahen Gärten meist deutlich mehr Arten- und Individuen beobachten oder durch einfache Maßnahmen Brutmöglichkeiten für Arten wie Schwalben schaffen.

Nur die Schaffung und Vernetzung von Schutzgebieten, Brachen, Biolandbau sowie die Verringerung von Insektiziden in der Landwirtschaft und dazu der Schutz der Zugvögel in den Durchzugs- und Überwinterungsländern kann unsere Singvogelbestände langfristig sichern.

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