Menschen mit geistiger Behinderung Stiftung betreibt drei Wohnhäuser im linksrheinischen Kreis

SWISTTAL · Die Straße "Auf dem Hambach" ist noch nicht asphaltiert, zu beiden Seiten des staubigen Geröllweges entstehen zurzeit Einfamilienhäuser. Das weiße, zweigeschossige Haus mit der Nummer 20 fällt unter den Neubauten kaum auf. Dort leben seit November zehn Männer und Frauen mit geistiger Behinderung.

 Bayern-Fan Jens zeigt in seinem Zimmer in der Wohngruppe der Hephata-Stiftung in Heimerzheim Betreuerin Ellen Sistig voller Stolz ein Fußballmagazin.

Bayern-Fan Jens zeigt in seinem Zimmer in der Wohngruppe der Hephata-Stiftung in Heimerzheim Betreuerin Ellen Sistig voller Stolz ein Fußballmagazin.

Foto: Axel Vogel

Jens Neuendorf ist einer von ihnen. Der FC Bayern-Fan wohnt gerne im Wohnhaus der Evangelischen Hephata-Stiftung. Die Holzmöbel seines rund 15 Quadratmeter großen Zimmers wie Bett, Kommode, Schrank und Tisch hat der 24-Jährige gemeinsam mit seiner Mutter ausgesucht und gekauft. Die Wände hat er in den Farben seines Lieblingsfußballclubs Rot und Weiß streichen lassen. Ins Badezimmer hat er sich einen modernen grünen Lackschrank gestellt. Die Etagenküche nutzen die fünf Bewohner der ersten Etage ebenso gemeinsam wie das gemütlich eingerichtete Wohnzimmer. An den Wänden hängen moderne bunte Bilder.

Jens, der wie die anderen Bewohner des Hauses in den Bonner Werkstätten in Meckenheim arbeitet und dort in der Verpackung tätig ist, hat, wie die anderen, nach seinem Acht-Stunden-Tag noch seinen Haushalt zu erledigen.

"Jeder macht das so, wie er kann. Unser Anliegen ist es, die Selbstständigkeit der Bewohner zu fördern", machte Marion Möller, Hephata-Regionalleiterin und damit zuständig für die Wohnhäuser in Schleiden, Euskirchen, Siegburg, Sankt Augustin, Meckenheim und Swisttal, deutlich.

Seit zehn Jahren ist sie bei der Mönchengladbacher Hephata Stiftung Wohnen GmbH tätig. Eines ihrer ersten Wohnprojekte im linksrheinischen Rhein-Sieg war 2005 das Wohnhaus an der Wormersdorfer Straße in Meckenheim. Stolz ist Möller auf ihr "jüngstes Kind" in Heimerzheim. Das dortige Wohnhaus entspricht neuesten Standards: Es handelt sich mehr um Appartements denn um Zimmer. "Die Menschen, die hier leben, können und sollen ein völlig normales Leben führen. Sie schlafen zum Beispiel am Wochenende länger oder stehen früher auf, ganz wie sie wollen", so Möller.

In die Disco nach Bonn

Und wie bei anderen jungen Menschen auch, geht es einmal im Monat in die Disco nach Bonn. "Dann mache ich mich schick und ziehe Hemd, Hut und Weste an", sagt Jens, der sich jetzt schon auf die nächsten Tänzchen in der "Pauke" freut.

Mit den Bewohnern seiner Etage ist er mittlerweile befreundet. Christopher, Nicole, Leslie, Julia, Melina und Jens treffen sich abends häufiger zum Fernsehgucken. "Das macht Spaß", so Christopher, 24, der bis zum Einzug ins Wohnhaus bei seinen Eltern in Buschhoven gelebt hat.

19 Betreuer

Für den Heimerzheimer Heilerziehungspfleger Raphael Tarnava ist es oftmals spannend zu beobachten, wie seine "Kunden" miteinander klarkommen. "Wir verstehen uns als Dienstleister. Wir gehen auf die Wünsche der Bewohner ein. Die Menschen mit Behinderung sind für uns Kunden", sagt Marion Möller. Während in Heimerzheim ein ganz normales Zusammenleben der Bewohner mit Freundschaften und Streitereien an der Tagesordnung ist, so fällt es den Bewohnern in Odendorf aufgrund ihrer Behinderungen schwerer, stabile soziale Beziehungen zueinander aufzubauen. 19 Betreuer kümmern sich unter Federführung von Teamleiterin Janina Feldmann um zwölf Bewohner auf drei Etagen.

Jeweils zwei teilen sich ein Badezimmer, vier Bewohner gehören zu einer Wohngruppe, die sich Wohn- und Esszimmer teilen. Seit 2009 gibt es das Wohnhaus in Odendorf. "Viele sind aufgrund fehlender Verbalsprache auf unterstützte Kommunikation angewiesen", so Feldmann. Mehr als die Hälfte der Odendorfer Betreuten weist Verhaltensauffälligkeiten auf. Und da, so Heilpädagogin Feldmann, muss man "oft mit Fingerspitzengefühl handeln". "In unserem Leitbild und im täglichen Miteinander spielt der christliche Glaube eine große Rolle. Bei den Mitarbeitern ist auch die Zugehörigkeit zu einer der christlichen Kirchen nötig", sagt Möller.

Vor 20 Jahren hatte sich die Mönchengladbacher Stiftung für eine Einrichtung ihrer stationären Wohnhäuser in der Region ausgesprochen. Möller: "Vor zehn Jahren hat uns ein engagierter Elternverein von Eltern behinderter Kinder in Meckenheim auf die Einrichtung eines solchen Wohnhauses angesprochen. So kamen wir in den linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis." Wann und ob das nächste Hephata-Haus im Rhein-Sieg-Kreis gebaut wird, weiß sie noch nicht. Die Nachfrage an den drei bisherigen Standorten ist groß. Mehr als 30 Männer und Frauen stehen bisher auf der Warteliste

Die Stiftung

Die Evangelische Stiftung Hephata engagiert sich derzeit an der Seite von mehr als 2600 Menschen mit Behinderung in 34 Orten in NRW an über 130 Adressen mit Angeboten zum Wohnen, Arbeit, Bildung und Beratung. Hephata wird 1859 als erste Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung im ganzen damaligen Preußen in Mönchengladbach-Rheydt gegründet. Bis 1995 wurden Menschen mit Behinderung in zentralen Wohnhäusern untergebracht.

Erst 1995 begann Hephata mit der Dezentralisierung der Wohnheime und bezog auch in anderen Regionen von NRW Wohnhäuser. Eine der ersten Einrichtungen entstand 1995 im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis in Meckenheim. Ein zweites Wohnhaus wurde in Swisttal- Odendorf im September 2009 bezogen. In die jüngste Einrichtung zogen Bewohner in Swisttal-Heimerzheim, Auf dem Hambach, im November 2014 ein.

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