Rundgang in Odendorf Ortsvorsteherin ist stolz auf historische Gebäude und die Vereine

ODENDORF · Die Frage nach einem Treffpunkt im Dorf beantwortet Odendorfs Ortsvorsteherin Elisabeth Kümpel (65) prompt: "An der Alten Kirche! Mit der gebe ich immer an, und auch mit unserem Bahnhof! Der ist ein Glücksfall für ganz Swisttal!"

 Wie ein Postkartenmotiv wirken die Fachwerkhäuser der Familie Lutterbeck am Orbachufer in Odendorf.

Wie ein Postkartenmotiv wirken die Fachwerkhäuser der Familie Lutterbeck am Orbachufer in Odendorf.

Foto: Wolfgang Henry

Gleich zwei katholische Pfarrkirchen stehen in der Odendorfer Ortsmitte am Zehnthof, beide unter dem Namen der gleichen Patrone Sankt Petrus und Paulus. Die zwischen 1901 und 1903 gebaute neugotische Backsteinkirche ist zwar die optisch dominierende, die kleinere und ältere Kirche Sankt Petrus aber das eigentliche Kleinod. Im 12. Jahrhundert am damaligen Ortsende von Odendorf als Wehrkirche gebaut, stand sie ursprünglich auf einem Berghügel mit drei abfallenden Seiten und war mit einer hohen Kirchhofmauer umgeben.

Heute ist sie die einzige Basilika der Region mit gestaffeltem, drei-apsidialem Chor, von dem die flache Rundapsis am Hauptchor noch erhalten ist. Besonders selten und deshalb interessant für Kunsthistoriker ist die Malerei der "Seelenwaage" auf der mittleren Bogenleibung zum südlichen Seitenschiff als Teil eines ansonsten nur bruchstückhaft erhaltenen Freskenzyklus mit Szenen des jüngsten Gerichts.

Dass die romanische Kirche überhaupt erhalten ist, ist ihrer "Umnutzung" zu verdanken: Nachdem die neue Kirche gebaut worden war, wurde die alte 1912 "entweiht" und ein Teil als "Kleinkinder-Bewahranstalt" unter der Leitung der Barmherzigen Schwestern nach der Regel des heiligen Augustinus des benachbarten Klosters beziehungsweise bis in die 50er Jahre als Kindergarten genutzt. Heute wird die alte Kirche wieder regelmäßig für Rosenkranzgebete, Messen und viele Taufen genutzt, so die Küster-Vertreterin Camilla Wisnewski.

Gleich vis-à-vis von Alt Sankt Petrus und Paulus zeigt die Ortsvorsteherin ein weiteres historisches Kleinod: das historische Zehnthaus aus dem Jahr 1726. Dass es sich heute als Schmuckstück präsentiert, ist der Initiative von 46 Odendorfern und Essigern zu verdanken, die zur Rettung des vom Abriss bedrohten Gebäudes 1974 den "Verein Zehnthaus" gründeten. "Heute sind alle dankbar, dass dieses historische Kleinod erhalten ist und als Begegnungsstätte und für Veranstaltungen genutzt werden kann", sagt Konrad Biewald, zweiter Vorsitzender des heute rund 300 Mitglieder starken Vereins.

In den ersten Jahren habe dieser 135.000 Mark an die Gemeinde gezahlt, heute erhält die Gemeinde noch Anteile aus den Vermietungen und zahlt die "Dach- und Fachkosten bis zu einem bestimmten Betrag". Und dann kommt wieder der Verein ins Spiel, der zum Beispiel für einen barrierefreien Zugang und kürzlich für eine akustische Dämmung gesorgt hat.

Auf dem Weg über die Steintreppe von der alten Kirche hinunter zum Orbach erinnert sich Brigitte Haselwanter (geborene Mahlberg), deren Familie schon 1744 in Odendorf lebte, an manche Kindheitsanekdote. Als zum Beispiel der Kanal an der neuen Straße neben der alten Kirche erneuert wurde. "Darunter war ja der alte Friedhof. Und wir Kinder haben auf dem Schulweg immer geguckt, wenn die Toten ausgegraben wurden", erzählt die 1949 geborene. Auch weiß sie noch, dass über den damals noch nicht einbetonierten Orbach neun Brücken führten. Und dass die "Burg" auf der anderen Seite des Bachs eigentlich keine ist, sondern einfach ein großes Haus.

Hatte Ortsvorsteherin Kümpel anfangs die alte Kirche und den Bahnhof genannt, mit denen sie "angebe", so kommen im Laufe des Spaziergangs noch weitere Gebäude dazu: zum Beispiel die liebevoll restaurierten Fachwerkhäuser der Familie Lutterbeck am Orbach-Ufer, die im Ensemble mit der alten Kirche ein Postkarten-Motiv abgeben. Oder die Begegnungsstätte Wilkens-Haus, die Kindergärten und die Grundschule, eine Gaststätte, ein Restaurant mit Hotelzimmern, zwei Imbissbuden und ein Café. Auch von der Infrastruktur mit Ärzten, Apotheke, Banken, Wein-Fachgeschäft und Lebensmittelgeschäft sowie von den Einkaufsmöglichkeiten im Gewerbegebiet und den neuen Wohnbaugebieten schwärmt die Ortsvorsteherin.

Ein neues Seniorenheim steht kurz vor der Fertigstellung. Aber die gute Infrastruktur sei es nicht allein, die Odendorf ausmache, sind sich Elisabeth Kümpel und Brigitte Haselwanter mit dem Ortsausschussvorsitzenden Jörg Freyer einig. Bei einer Tasse Kaffee und hausgemachten Pralinen in seinem Café von Sturm betont der Konditormeister: "Was viele vergessen, was aber das Wichtigste ist in einem Ort, das ist die Vereinsarbeit. Die Vereine sind unglaublich wichtig, auch als Bindeglieder zwischen Alteingesessenen und Neubürgern."

21 von etwa 30 Vereinen aus Odendorf und Essig sind laut Freyer unter dem Dach des Ortsausschusses zusammengeschlossen, von Damenkomitee und Karnevalsgesellschaft über Sportvereine und Junggesellenverein bis zum Förderverein der Grundschule. Dass die Eingliederung von Neubürgern in Odendorf gut funktioniert, weiß Freyer aus eigener Erfahrung als "Zugezogener". Und dass die Odendorfer sich gemeinsam gegen Fremdenfeindlichkeit stellen, haben sie im Frühjahr bewiesen: Als im Mai ein Brandanschlag auf den Imbiss einer türkischen Familie verübt wurde, versammelten sich mehr als 40 Odendorfer vor dem Haus der Familie, um ihre Solidarität zu bekunden: "Ihr seid Odendorfer wie wir! Wir stehen zusammen mit Euch!"

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