GA-Karikaturist Burkhard Mohr Immer ein paar Eisen im Feuer
SWISTTAL-HEIMERZHEIM · Es gibt wohl nur wenige Künstler, die beides beherrschen: den eleganten Federstrich einer Karikatur und die kraftvolle Arbeit mit Hammer und Schweißgerät an einer schweren Eisenskulptur. Burkhard Mohr ist in beiden Genres zu Hause und hat sie zur Perfektion entwickelt.
Als politischer Karikaturist ist der 56-Jährige den Lesern des General-Anzeigers seit 1991 bekannt. Außerdem zeichnet er für die Süddeutsche Zeitung, die Stuttgarter Zeitung und das Handelsblatt.
Aus seinem plastischen Werk ragen die Büsten von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie der früheren Bundeskanzler in Eisen heraus. Das Haus der Geschichte in Bonn hat die Arbeiten vor Jahren gekauft. Seit gut zwei Jahren hämmert, schneidet und schweißt Mohr, der in in Oberdollendorf lebt, seine großen Werke in der Heimerzheimer Dorfschmiede von Peter-Josef Blumenthal zusammen. Rentner Blumenthal ist immer noch jeden Tag in seiner Schmiede. Mohr leistet ihm drei Mal die Woche für ein paar Stunden Gesellschaft. Die Schmiede ist groß genug, um sich nicht ins Gehege zu kommen. Während Blumenthal noch Hacken schmiedet und Rasenmäher repariert, bearbeitet Mohr seine Stahlblechplatten. Der Kontakt kam durch den Swisttaler Künstlerkollegen Reinhard Puch zustande.
Nach dem Studium der Malerei und der Bildhauerei in München (1978 bis 1984) setzte Mohr sein Studium in Charleroi/Belgien fort, wo er sich auch mit dem Bronzeguss befasste. Nach einem DAAD-Stipendium jobbte er dort in einer Schmiede als Handlanger. "Da habe ich dann im wahrsten Sinn des Wortes Feuer gefangen für diese elementare Arbeit", erzählt Mohr. Denn allein vom Honorar für die politischen Karikaturen, die er damals schon in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichte, konnte er nicht leben.
Nach den belgischen Lehr- und Wanderjahren errichtete er seine erste Schmiede an der Godesberger Allee in Bonn, wo Anfang der 90er Jahre auch die ersten eisernen Politiker-Porträts entstanden: Helmut Kohl, Richard von Weizsäcker, Joschka Fischer, Hans-Dietrich Genscher, Roman Herzog, Rudolf Scharping. In einem Nebengebäude seines gerade erworbenen Hauses in Oberdollendorf richtete Mohr sich später eine eigene Schmiede ein.
Doch es gab Ärger mit den Nachbarn, die sich über Lärm und Rauch beschwerten. So mietete er dann von 2002 bis 2012 eine Halle der Firma Metallbau Wiehlpütz in Bonn-Dransdorf, ehe er nach Heimerzheim weiterzog. Dort entstand zuletzt eine eine Großskulptur, die die Hand samt Daumen eines Unternehmers aus Taunusstein darstellt. Eine Auftragsarbeit, erläutert Mohr. Der nach oben zeigende Daumen soll die optimistische Philosophie des Firmenchefs symbolisieren.
Mohrs Interesse für politische Themen wurde im Elternhaus geweckt. Seine Mutter Brigitte Mohr war bildungspolitische Korrespondentin der FAZ, sein Vater Wolf Mohr, Beamter und Statistiker, nahm als Hofschüttelreimer "Thomas Berg" das politische Bonn aufs Korn. Für Burkhard Mohr ist es nach wie "lustig und interessant", mit dem Zeichenstift am Lack der Politiker zu kratzen, hinter die Kulissen zu schauen. "Ich versuche, die Wahrheit hinter den Lügen herauszukitzeln", sagt er, "aber manchmal wird mir schlecht dabei". Er weigert sich, "im Infotainment-Mainstream mitzukraulen", wendet sich gegen "Geschwindigkeitswahn und Effizienzstreben", seiner Ansicht nach ungesunde Erscheinungsformen des Neoliberalismus. Deshalb fühlt er sich auch in der Bildhauerei wohl, bei der es nicht auf Tempo ankommt. Eine Eisenskulptur wächst und gedeiht von der ersten Idee bis zum Feinschliff über Monate. Mohr: "So gewinne ich Zeit und das sichere Gefühl, dem Sog der Schnelllebigkeit zu entkommen."
Mohr karikiert zwar spitz und pointiert, aber ohne zu beleidigen. Er sagt: "Warum sollte ich das tun? Ich will keine religiösen Gefühle verletzen. Ich schlage nicht unter die Gürtellinie. Meine Arbeit ist an Werten orientiert." Und die wurzeln nicht in der Spaßgesellschaft. Der "galoppierende Egoismus", den er allenthalben feststellt, ist ihm zuwider Er macht keine Comedy, denkt lieber um die Ecke, baut kleine Fallen ein. Er sagt: "Ich bin auch Moralist." Jüngstes Beispiel aus seiner Feder: Fifa-Chef Sepp Blatter in einem Meer von Geldscheinen (GA, 29. Mai).
Die Liebe zur harten Arbeit in der Schmiede erklärt Mohr so: "Mich reizt dieser scheinbare Gegensatz zur Arbeit mit der Feder. Ich brauche das, um mich abzureagieren. Ich liebe es, Dinge dreidimensional dazustellen. Ich schätze besonders den Aufwand. Ich opfere Zeit und Kraft, stehe lange am Feuer und warte auf die richtige Glut. Dann bin ich ganz bei mir. Für mich ein Ausscheren aus dem Zeit-Raum-Korsett."
Eher grobe Anstrengung leistet Mohr, wenn er das Stahlblech mit dem Schneidbrenner in Stücke schneidet und die dann mit Hilfe des Schmiedefeuers am Amboss in Form bringt. Er arbeitet nach Skizzen in Originalgröße. Mit Meißel oder Brenner schafft er Risse oder Fältchen. Seine Kunst liegt in der Reduktion. Erstaunlich, wie es Mohr gelingt, aus einem Material, das sich nicht wie Knetgummi modellieren lässt und keinen Fehler verzeiht, lebendige Köpfe zu erschaffen, dem Stahlblech eine Seele einzuhauchen, wie er selbst sagt. Er erwischt den Wesenskern, das Typische seiner Figuren punktgenau: Merkels hängende Mundwinkel, Schröders diabolisches Grinsen und Kohls sture Selbstzufriedenheit.
Bei den Politiker-Porträts stieß Mohr hin und wieder auf das Problem, dass die Auserwählten während seiner Arbeit ihren Typ veränderten. So hatte er an der Merkel-Büste begonnen, als die Dame noch einen Pagenschnitt trug. Doch wenig später legte sie sich eine neue Frisur zu. So musste Mohr noch mit Blech und Lötkolben nachbessern.
Künftig will sich der Künstler stärker auf "Zeichen der Zeit" konzentrieren. Ihm schwebt eine lebensgroße Darstellung einer anonymen Person vor, die in ein Smartphone starrt. Die allgegenwärtige Telekommunikation, prägend für die moderne Gesellschaft und leicht zu handhaben, in schwerem Eisen gearbeitet. Größer könnte der Kontrast nicht sein.
Schmiedemeister Peter-Josef Blumenthal: Einer der Letzten seiner Zunft
Der Heimerzheimer Schmiedemeister Peter-Josef Blumenthal, 75, in dessen Schmiede Burkhard Mohr seine Kunstwerke formt, ist einer der letzten seiner Zunft im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. Dabei gab es bis in die 60er Jahre allein in Heimerzheim drei Schmieden. 1907 gründete Blumenthals Großvater Peter den Betrieb im alten Ortskern und führte ihn bis 1942.
In den 50er Jahren hatte fast jede Heimerzheimer Familie eine kleine Landwirtschaft oder einen Garten. Entsprechend hoch war der Bedarf an landwirtschaftlichen Geräten, die im Kohlefeuer der Blumenthal-Schmiede geformt wurden. Es waren jede Menge Pferde zu beschlagen und die Räder der Ackerwagen mit Stahlbändern zu bespannen. "Echte Knochenarbeit", sagt Blumenthal. Mitte der 60er Jahre ging es mit der Landwirtschaft bergab.
Die Pferde hatten als Zugtiere ausgedient. Damit fiel für den Schmied eine wichtige Erwerbsquelle weg. Blumenthal spezialisierte sich auf Schlosserarbeiten wie die Herstellung von Treppengeländern. Sein Vater Peter arbeitete bis ins hohe Alter. Noch mit 81 Jahren stand er am Schmiedefeuer. Den Niedergang seines Handwerks macht Blumenthal mit Zahlen deutlich: In den 60er Jahren verbrauchte er 50 Zentner Kohlen im Jahr, heute sind es nur noch etwa zehn Zentner. Blumenthal stellt immer noch Feldhacken her. "Die halten ewig und knicken nicht gleich um, wenn man sie in die Erde steckt, wie die aus dem Baumarkt." Als zweites Standbein verkauft und repariert er Hackfräsen. Solange er fit bleibt, will Blumenthal weiter täglich in seiner Schmiede arbeiten. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht, denn, so sagt Blumenthal: "Am Amboss ist kein Geld zu verdienen."