91 angezeigte Fälle im Rhein-Sieg-Kreis Mehr Gewalt gegen Polizisten

RHEIN-SIEG-KREIS · Als am Rosenmontag in Siegburg-Kaldauen mehrere Männer einen 25-jährigen Polizisten verprügeln, sorgt der Fall kreisweit für Aufsehen:

 Ein Demonstrant schlägt auf einen Polizisten ein.

Ein Demonstrant schlägt auf einen Polizisten ein.

Foto: dpa

In seiner Freizeit besucht der Beamte eine Karnevalsparty. Fast schon auf dem Heimweg, wird er Zeuge, wie zwei Männer einen 22-Jährigen schlagen, schreitet ein - und wird daraufhin selbst zum Opfer: Als er den Tätern nachsetzt und ihre Personalien aufnehmen will, überrascht ihn eine Gruppe von mindestens sechs Männern. Obwohl der 25-Jährige sich als Polizist zu erkennen gibt, treten ihn die Täter und prügeln unter anderem mit einem Schlagring auf ihn ein. Erst als der Beamte bewusstlos wird, lassen die Schläger von ihm ab. Unter anderem Kopfverletzungen, ein Krankenhausaufenthalt sowie rund sechs Wochen Dienstunfähigkeit sind die Folgen für den jungen Mann.

Das Ausmaß des Falls ist in dieser Form wohl eher eine Ausnahme - dennoch versinnbildlicht er ein Problem, mit dem die Kreispolizei zunehmend zu kämpfen hat: "Die steigende Zahl von Angriffen auf Polizisten macht uns große Sorgen. Die Übergriffe sind nicht nur Zeichen für mangelnden Respekt gegenüber dem Staat und den rechtsstaatlichen Prinzipien, sondern natürlich auch gegenüber den Menschen hinter der Uniform", sagt Günter Brodeßer, Leitender Polizeidirektor.

Was er meint: 91 angezeigte Fälle von Gewaltdelikten gegen Polizeivollzugsbeamte hat die Behörde laut Kriminalstatistik 2014 im Rhein-Sieg-Kreis registriert. 2013 waren es noch 71 Fälle. Zahlen, die im Rahmen einer Studie auf Landesebene erhoben wurden, lassen aber schon seit rund zehn Jahren eine negative Entwicklung erkennen.

Nicht immer wird bei Übergriffen wie in Siegburg ein Polizist gleich krankenhausreif geschlagen. Auch Drohungen oder Beleidigungen fallen unter den Begriff der Gewalt, werden jedoch von den Beamten oftmals nicht angezeigt. Bernd Thienel von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Siegburg geht deshalb davon aus, dass die tatsächliche Zahl noch höher liegt: "Aus meiner Sicht lassen sich die Kollegen oftmals zu viel gefallen. Aber wenn jemand betrunken ist oder erst 17, dann drückt man eben mal ein Auge zu. Hängen bleibt dennoch vieles", so der stellvertretende Ortsgruppenvorsitzende. Auf der anderen Seite sei die Bereitschaft, sich von der Polizei etwas sagen zu lassen, stark gesunken: "Wenn ich heute eine Anzeige schreibe, dann kommt als Reaktion oft eine Dienstbeschwerde oder eine Gegenanzeige. Viele Leute wissen da mit den entsprechenden Instrumenten ganz genau umzugehen", so Thienel.

Die Konsequenzen des Ganzen sind nur schwer zu bemessen: Insgesamt 160 Polizisten waren laut Kreispolizei in den genannten Fällen betroffen. 53 Beamte wurden körperlich verletzt, acht von ihnen bis zur vorübergehenden Dienstunfähigkeit. Eine durchschnittliche Ausfallzeit von 32 Tagen hat die Behörde in diesem Zusammenhang errechnet. Wie hoch der persönliche Schaden bei den Betroffenen oder auch der wirtschaftliche Schaden für alle ist, lässt sich aber kaum sagen.

"Erschüttert bin ich auch darüber, dass es vielen Menschen an Solidarität und Hilfsbereitschaft mangelt", ergänzt Brodeßer. Nicht selten würden Beobachter entsprechender Szenen nicht nur nicht einschreiten. Auch als Zeugen, so der Polizeidirektor, stellten sich viele von ihnen später nicht zur Verfügung. Von den Bürgern wünscht Brodeßer sich deshalb, sich verstärkt mit den Polizeibeamten zu solidarisieren - "denn sie leisten ihren Dienst zum Wohl aller. Opfer der Gewalttäter kann jeder werden."

Geholfen hätte dies vermutlich auch dem verletzten 25-Jährigen. Wie die Polizei mitteilt, ist er seit Kurzem wieder im Dienst. Die Täter allerdings sind immer noch nicht ermittelt - es fehlt an Zeugen.

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