Strategien von Salafisten Geringes Selbstwertgefühl als Nährboden

SIEGBURG · Großes Interesse fand am Donnerstagabend eine Veranstaltung auf Initiative des Kreiskatholikenrates Rhein-Sieg in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk Rhein-Sieg im Siegburger Stadtmuseum, zu der auch zahlreiche muslimische Mitbürger gekommen waren. Dort referierte der Religionswissenschaftler und Dozent der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Augustin, Thomas Lemmen, über "Salafistische Bestrebungen als Herausforderung für den interreligiösen Dialog".

 Radikalislamische Salafisten in Aktion: Ein Islamist verteilt kostenlose Koran-Exemplare.

Radikalislamische Salafisten in Aktion: Ein Islamist verteilt kostenlose Koran-Exemplare.

Foto: dpa

Aufgrund des brisanten Themas kontrollierte Sicherheitspersonal den Eingang und auch die Polizei war mit zwei Beamten unter Sicherheitsaspekten vor Ort. Lemmen, hauptberuflich Referent für Islamfragen im Referat Dialog und Verkündigung des Erzbistums Köln und für die Kontakte zu islamischen Organisationen verantwortlich, gab zunächst einen Überblick über den Status Quo der salafistischen Szene in Deutschland. Er erklärte, dass Salafisten mit dem Anspruch aufträten, den Islam genau zu kennen.

"Auf jede Frage wissen sie sofort die richtige Antwort und zitieren einen passenden Koranvers, den sie in der Regel aus dem Zusammenhang reißen", so Lemmens Erfahrung. Die Extremisten seien Körnerpicker, die im Koran alles fänden, wonach sie suchten. Charakteristisch für sie sei, dass sie sich "als einzig wahre Gemeinschaft der Gläubigen" sähen, "obwohl der Islam wie das Christentum pluralistisch gestaltet ist", so der renommierte Experte für christlich-muslimischen Dialog in Deutschland.

Ihre Welt bezeichnete er als dualistisch, nur in Gut und Böse geteilt, und sie predigten die Unvereinbarkeit von Islam und Demokratie. In diesem Zusammenhang verwies Lemmen darauf, dass dagegen für die überwiegende Mehrheit der Muslime in der Bundesrepublik Demokratie und Menschenrechte "keinen Widerspruch zu ihrer Religion" darstellten.

Als Aktivitäten der radikalen salafistischen Gruppierungen, zu denen er vor allem "Einladung zum Paradies" (EZP), "Die wahre Religion" (DWR) und die Islamschule Braunschweig zählt, nannte Lemmen beispielsweise die Unterwanderung von Moscheegemeinden oder öffentliche Veranstaltungen zu Missionszwecken. Zielgruppen seien muslimische wie nichtmuslimische Jugendliche, die nach dem "Konzept aufsuchender Sozialarbeit" angesprochen oder über das Internet und soziale Netzwerke erreicht würden. Dabei setzten die Werbenden gezielt auf Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen bei den Angesprochenen, stärkten deren Selbstwertgefühl und zeichneten sich bei ihrer Mission durch Abwertung und Abgrenzung Andersdenkender aus.

Außerdem wüssten sie bestens, wie sie die Medien einspannen könnten, die er zum Teil scharf kritisierte. So sei ein muslimischer Freund zu einer Fernsehsendung zunächst ein-, später mit der Begründung wieder ausgeladen worden, er wäre "nicht radikal genug". Wenn ein Pierre Vogel irgendwo auftauche, könne er sich auf gewaltige Medienpräsenz verlassen. "Sein Auftritt wird mit dem Islam gleichgesetzt, so funktionieren aber nur schlechte Talkshows", so Lemmen. Damit würden eher die Vorurteile gegen als der Dialog mit Muslimen gefördert. Den Dialog zwischen Christen und Muslimen sieht er aber als unabdingbar an. Auf Augenhöhe und gleichwertig, wie er betonte. "Die Deutungshoheit über die Religion und das Verhältnis zu Nichtmuslimen darf man nicht den Salafisten überlassen", nahm Lemmen die muslimischen Gemeinden in die Pflicht und warnte auch davor, Salafisten als Sprecher des Islams oder der Muslime einzuladen. Nichtmuslimen gab er zu bedenken, dass "Muslime nicht als Problem, sondern als Teil der Lösung" anzusehen seien.

Sich besser zu informieren, auf Muslime zuzugehen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, um sie und ihre Religion kennenzulernen, empfahl auch Jürgen Weißberg, Kontaktbeamter muslimische Einrichtungen, von der Polizei Rhein-Sieg, der den Abend verfolgte und das Publikum einlud, mit ihm zusammen Moscheen zu besuchen.

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