Der große GA-Test Wie fahrradfreundlich ist Siegburg?

SIEGBURG · Mit dem Fahrrad nach und in Siegburg fahren? Das geht, Freude bereitet es aber wenig - zumindest ist dies das Urteil der Befragten des Fahrradklima-Tests 2014 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC): Platz 247 von 292 in der Gesamtwertung, die Note 4,12 ("ausreichend") und der viertletzte Platz im Ranking der Städte unter 50 000 Einwohnern waren das Ergebnis.

Das Gute daran: Siegburg hat viel Potenzial nach oben. Was das in der Praxis bedeutet, zeigt eine Radtour an einem Werktagvormittag zur, durch und in der Kreisstadt.

Wie ein roter Faden wird der auswärtige Radfahrer immer wieder mit drei Fragen konfrontiert werden: Wo führt der Weg hin? Wie soll man hier fahren? Warum haben hier Autos immer Vorrang? Navigation? Nur auf Sicht.

Irgendwie ans Ziel kommt, wer den Auto-Wegweisern folgt. Die im Rheinland üblichen rot-weißen Radwegweiser findet man nur vereinzelt. Überhaupt fehlen die für Touristen wichtigen Hinweise zur Stadtmitte, dem Markt oder dem Michaelsberg. Ebenso sind in der Kreisstadt echte Radwege als "Verkehrsachsen" eine Ausnahme. Man fährt auf gemischten Geh- und Radwegen ohne Trennung, meist aber auf der Straße.

l Von Mülldorf kommend: Bereits auf der Siegbrücke weisen Schilder den Weg nach Siegburg. Der Radweg endet am Ortsschild. Dort fädelt sich der Radfahrer auf einem Schutzstreifen auf der Fahrbahn ein. Am Kreisverkehr endet dieser unvermittelt und trichterförmig: Es wird unangenehm eng. Den Michaelsberg in Sicht, radelt man durch den Kreisel hindurch in die dreispurige Unterführung. Das "Tor zur Stadt" ist kein schönes und für Radfahrer alternativlos: Der parallele Fußweg in der Unterführung ist Fußgängern vorbehalten. Das Zusatzschild "Radfahrer frei" gestattet nur das Radeln in Schrittgeschwindigkeit und mit Vorrang für Fußgänger. Über den Kaiser-Wilhelm-Platz und die Mühlenstraße geht es zur Annostraße, dort zum Stadtmuseum am Fuße des Marktes.

l Von Troisdorf kommend: Der Schutzstreifen entlang der Luisenstraße ist ein Alibi-Streifen. Hier radelt man in der Gosse, wie die gemauerte, gemuldete Regenwasserrinne am beidseitigen Straßenrand heißt. An den Bushaltestellen ist die Rinne nahezu unbefahrbar. Mit Vorsicht kann auf die Fahrbahn ausgewichen werden. Das ist an der Luisenstraße nicht nur bei Falschparkern nötig: Die Parkbuchten in beide Richtungen sind derart schmal, dass nahezu alle Fahrzeuge in den Schutzstreifen hineinragen und dieser damit statt zum "Schutz-" zum "Gefahrenstreifen" wird. An der Ecke Luisenstraße/Roonstraße gibt es ein erstes Schild für Radler, ein Fahrradpiktoramm mit Geradeaus-Pfeil. Wohin er führt, ist unbekannt. Wer der Luisenstraße stoisch folgt, verpasst an der Barbarossastraße die Zufahrt zur alten Bahntrasse (dazu später mehr), auf deren Existenz kein Radfahrer hingewiesen wird. Wirklich unangenehm ist die Fahrt auch an der Kreuzung zur Kaiserstraße, die später in die Fußgängerzone übergeht: Eine Baustelle verengt die Fahrbahn. Wer hier in Gegenrichtung radelt, wird von der Straße im stumpfen Winkel auf den abgesenkten Bordstein hochgeführt - für Radfahrer gefährlich.

l Von Lohmar kommend: Angenehmer als auf der alten Bahntrasse der Aggertalbahn, des "Luhmer Grietche", könnte das Radeln kaum sein. Hinter ruhigen Gärten geht es Richtung Stadtmitte, dem Kleiberg und dem Michaelsberg. An Kreuzungen zu Straßen haben aber stets und auch in ruhigen Seitenstraßen Autofahrer Vorrang. Warum eigentlich? Auch auf der Trasse fehlen Hinweise zur Position und erreichbaren Zielen. Als Murks darf der Radwegweiser an der Kreuzung der Weierstraße gedeutet werden: "Lohmar, 4,8 km" zeigt das Schild und empfiehlt, die sichere und schöne Trasse zu verlassen und über die stark befahrene Aulgasse nach Lohmar zu radeln. Unübersichtlich ist auch die Radführung am Kreisverkehr Zeithstraße/Neuenhof: "Radweg Ende" zeigt das Schild, ergänzt um den Hinweis, als Radfahrer die Kreisfahrbahn zu nutzen. Zugleich ist ein Radfahr-Schutzstreifen neben dem Zebrastreifen für Fußgänger vorhanden, für Radfahrer, die hier laut Schild gar nicht fahren dürften? Wer absteigt, hat zumindest die Chance, rechts den Anfang der Fußgängerzone zu erkennen - die Stadtmitte ist erreicht.

l Von Deichhaus kommend: Nahezu durchgängig gut, wenn auch nicht idyllisch befahrbar ist der Schutzstreifen entlang der Frankfurter Straße bis zum Kaiser-Wilhelm-Platz. Wer bis zum Europaplatz am Bahnhof durchfährt, erreicht hier die Fußgängerzone. Wer die obere Holzgasse als Ziel hat, könnte über die Wilhelm-Oswald-Straße hinter dem Siegwerk vorbeifahren. Ein Tipp ist dies allerdings nicht: Der rechte Straßenrand ist eine brüchige Schlaglochpiste. Im weiteren Verlauf wird der Asphalt besser. Das Licht- und Schattenspiel der Platanen verwirrt offenbar Autofahrer, die dem Radfahrer zum Teil gefährlich nahekommen. Eingeschaltetes Licht und auffällige Kleidung sind ratsam. Besser ist die Abkürzung über die Alfred-Keller-Straße am Siegwerk vorbei Richtung Neuenhof und dem Kleiberg. Schilder, die den Radfahrer leiten, darf man hier nicht erwarten.

l Radeln und Parken im Zentrum: Für Lieferverkehr und auch zum Teil für Linienverkehr sind Teile der Fußgängerzone befahrbar. Das Zusatzschild "Fahrräder frei", dass zumindest das Radeln mit Schrittgeschwindigkeit gestatten würde, fehlt. Da die Polizei die "rheinische Lösung" der Stadt, Radfahrer zu dulden, nicht mitträgt und das Radfahren derzeit offiziell verboten ist, sollte man sein Rad besser schieben, um Unfälle zu vermeiden. Und wo abstellen? Offizielle "Parkplätze" für Radfahrer sind am Markt und in der gesamten Fußgängerzone rar. Die wenigen Fahrradständer nahe des Prangers sind nostalgische "Felgenbrecher": Wer das Vorderrad hier einklemmt, riskiert, es zu verbiegen. Die Absperrgitter vom Markt und Laternen werden daher von den Siegburgern als Ersatz genutzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort