Eröffnung der Siegburger Literaturwochen Theologe und Arzt mit Biss und Witz

SIEGBURG · Manfred Lütz hatte das Publikum fest im Griff, als er am Sonntagabend im Stadtmuseum die 36. Siegburger Literaturwochen eröffnete. Mit Witz und Biss brachte er die Menschen zum Lachen, während er seine Tiraden über die gesundheitsversessene moderne Gesellschaft und die "neue Weltreligion Gesundheit" abließ.

 Klare Worte, viel Humor: Manfred Lütz gibt den Zuschauern in Siegburg mit auf den Weg, doch auf die eigenen Bedürfnisse zu achten.

Klare Worte, viel Humor: Manfred Lütz gibt den Zuschauern in Siegburg mit auf den Weg, doch auf die eigenen Bedürfnisse zu achten.

Foto: Paul Kieras

Aber die Botschaft dahinter war durchaus eine ernste: "Die Gesundheitsreligion herrscht totalitär", so Lütz. "Und in einer totalitären Regierung kann man die Wahrheit nur satirisch sagen."

Manfred Lütz ist Arzt, katholischer Theologe und Schriftsteller. Am Sonntag referierte er verschiedene Thesen und Ansichten aus seinem Buch "Lebenslust - Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult". Wie der Titel bereits verrät, bekamen an diesem kabarettistischen Abend sämtliche Vertreter einer vermeintlich gesunden Lebensweise ihr Fett weg. "Wenn hier humorlose Fitnessstudio-Besucher im Publikum sitzen, haben sie jetzt noch die Chance zu gehen", warnte Lütz vor Programmbeginn.

Die Vorwarnung verpuffte jedoch in der Luft, und das Publikum zeigte sich überaus dankbar, dass Lütz endlich aussprach, was sich heute kaum einer zu sagen traut: "Ist das nicht frustrierend? Da essen Sie die ganze Zeit nur Körner, rennen mit Stöcken durch den Wald - und sterben schließlich trotzdem." Warum die Zeit, die einem zum Leben bleibt, nicht bewusst genießen, anstatt ungenießbaren Diätfraß zu essen und sich im Fitnessstudio abzuquälen? Eine Botschaft, die ganz offensichtlich breiten Anklang fand.

Chefarztvisite wird zur katholischen Prozession

Lütz' gelungene Analogie zwischen der christlichen Religion und dem modernen Gesundheitskult erntete zahlreiche Lacher. So wurde die Chefarztvisite kurzerhand zur katholischen Prozession umgemodelt, die Ordensschwester zur Stationsschwester mit der heiligen Schrift, und das Oberhaupt sei in beiden Fällen ein älterer Herr mit ehrwürdigem Auftreten, der unter Umständen Dinge erzählt, die ein Normalsterblicher nicht versteht. Der harte Begriff der Sünde, den man in Kirchenkreisen heute eher zu vermeiden versucht, so Lütz, finde man vor allem noch im Zusammenhang mit der Sahnetorte, und jeder Hausarzt sei dazu befugt, einem Kassenpatienten für diese Sünde eine Buße aufzuerlegen.

Ob am Sonntagabend im Stadtmuseum oder in seinem Buch "Lebenslust": Mit einem humorvollen Blick auf beide seiner Fachbereiche - Religion und Medizin - gelingt es Lütz, eine Botschaft zu vermitteln, die Mut macht: sich nicht allzu sehr vom verbreiteten Schönheitswahn gängeln zu lassen und stattdessen wieder mehr auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Um es mit Lütz Worten zu sagen: "Am Ende wachst du doch eines morgens auf und bist tot."

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