Katholiken in Siegburg Themenabend: Wie lässt sich die Kirche verändern?

SIEGBURG · Siegburger Katholiken gehen der Frage nach, lässt Er gilt als Hoffnungsträger für reformwillige Katholiken und gläubige Christen in aller Welt. Doch Papst Franziskus weiß mit seinen neuen Impulsen auch zu polarisieren, Vertreter der Kurie wenden sich zum Teil gegen ihn.

 Papst Franziskus: Für viele Katholiken ist er ein Hoffnungsträger.

Papst Franziskus: Für viele Katholiken ist er ein Hoffnungsträger.

Foto: dpa

Auch in Siegburg macht man sich Gedanken über den Papst, der seine Kirche verändern will. Ein Themenabend in der Rhein-Sieg-Halle zeigte, wie sehr der Papst mit seiner Forderung nach Veränderung die Sehnsüchte der Menschen vor Ort trifft.

Missbrauch, Intrigen, Prasserei - allerhand Skandale haben in den vergangenen Jahren die katholische Kirche und ihre Gläubigen erschüttert. Zahlreiche Mitglieder haben ihrer geistlichen Heimat den Rücken gekehrt. Die Zahl der Kirchenaustritte schnellte in Deutschland auf ein nie dagewesenes Hoch. Papst Franziskus selbst hat die zahlreichen Affären als "Schande für die Kirche" bezeichnet und deutliche Signale für einen Neuanfang gesetzt.

Das katholische Dekanat Siegburg/Sankt Augustin nahm das als Anlass für einen Vortragsabend mit Hans-Joachim Höhn, Theologe an der Universität Köln. Thema war der neue Papst, dessen Agenda und Reformwünsche, und die Frage danach, was sich unten an der Basis tut.

Höhn griff das Bild des sterbenden Patienten auf und begann seinen Vortrag mit dem Bekenntnis, dass die Skandale seiner Kirche allesamt selbstverschuldet seien. "Was ihren Gegnern nicht gelang, hat die Kirche ganz allein geschafft", so Höhn. "Sie hat sich ihr eigenes Grab geschaufelt." Doch das Grab sei noch leer, der Patient Kirche noch nicht tot. Die Wende des neuen Papstes könne gelingen, die Kirche wiederbelebt werden.

"Doch dazu muss das wirkliche, wahre Leben in die Kirche zurückkehren", so der Theologe. Es müsse jedoch schnell gehen, dem 77-jährigen Kirchenoberhaupt blieben wahrscheinlich nur wenige Jahre.

Die Schuld für den Riss zwischen der klerikalen Obrigkeit und dem geistlichen Fußvolk sieht Höhn in der Entfremdung beider Seiten. Für die gibt es laut seiner Analyse vielerlei Gründe. Eine auf Moral und Dogma pochende Kirche etwa, die sich in Sachen Sexualmoral von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt habe. Weihrauchgeschwängerte Gottesdienste, die vernunfts- und wirklichkeitsfern blieben. Entwurzelte Gläubige, deren Begriff von Kirche sich in Kindheitserinnerungen verliere. Kirche sei zu einer verlorenen Heimat geworden, so Höhn.

Gegen die Entfremdung führt Höhn einen Mentalitätswandel ins Feld. Ein neuer Ton müsse nun die Musik machen. Auch Papst Franziskus habe bislang keinen strukturellen Wandel in Gang gesetzt, sondern als ersten Schritt lediglich Zeichen gesetzt. Für den zweiten Schritt sei nun die Basis der vielen Millionen Gläubigen gefragt. "Die Entscheidende Frage ist nun, dass die neuen Wege von unten beschritten werden", so Höhn. Eine Gesinnung der Nächstenliebe und der Dienst am Nächsten seien die Grundlage dieser Veränderung.

Die Kirche müsse zudem doppelt Maß nehmen und sich sowohl am Evangelium als auch am Zeitgeist messen. Ein Vorbild für Kirche als Graswurzelbewegung nannte Höhn das Beispiel der Bürgerbewegungen, die in kleinem Format und überschaubarem Aufwand Aufmerksamkeit und Veränderung herbeirufen würden. "Wir brauchen gar nicht mehr die XXL-Gemeinden, in denen wir nur noch in homöopathischer Menge vorkommen", so der Kölner Theologe.

Der frische Wind aus Rom, er fand Anklang beim Publikum. Doch auch Skepsis wurde darüber geäußert, wie eine Neubelebung der katholischen Kirche von unten gelingen könne, wenn sich konservative Reformverweigerer von oben dagegen wehrten. Hierarchische Strukturen würden dem Wandel im Weg stehen. Den Mut zur Veränderung müssten nun einmal alle Seiten zeigen. So einige Wortmeldungen aus dem Publikum.

Auch Theologe Höhn teilte die Sorge, dass Reformen versanden könnten. Er bezog sich dabei auf einflussreiche Kreise innerhalb der Kurie, die sich lieber als heiliger Rest hinter Kirchenmauern zurückziehen würde, um darauf zu warten, dass alles wie früher werde. Es komme deshalb um so mehr darauf an, dass die Basis aus den veralteten Strukturen austritt. Durch Dezentralisierung und Stärkung der Ortskirchen müsse das "Volk Gottes" wieder aufgewertet werden, so Höhn.

"Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist", zitierte Höhn den Papst.

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