Interview mit Wirtschaftsförderer Hermann Tengler "So wichtig wie Straße oder Strom"

Wenn es um die Versorgung mit schnellem Internet geht, findet sich der Rhein-Sieg-Kreis im landesweiten Ranking im hinteren Drittel wieder: Bei insgesamt 53 kreisfreien Städten und Kreisen in NRW liegt der Rhein-Sieg-Kreis auf Platz 38. Bonn steht an erster Stelle.

 Hermann Tengler ist Wirtschaftsförderer des Kreises.

Hermann Tengler ist Wirtschaftsförderer des Kreises.

Foto: Dominik Pieper

Das geht aus den neuesten Zahlen hervor, die jetzt von Breitband.NRW herausgegeben wurden und die den Stand von Mitte 2014 widerspiegeln (siehe Grafik). Im Kreis gibt es Bestrebungen, die Breitband-Versorgung flächendeckend auf eine zeitgemäße Übertragungsgeschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) auszubauen. Der Wirtschaftsförderungsausschuss soll dazu heute auf Antrag von CDU und Grünen 100 000 Euro für externe Berater bewilligen. Hermann Tengler ist Wirtschaftsförderer des Kreises. Mit ihm sprach Dominik Pieper.

Warum steht der Kreis bei der Breitband-Versorgung landesweit nur auf Platz 38?
Hermann Tengler: Das ergibt sich aus unserer teilweise sehr ländlichen Struktur. Auf den ersten Plätzen stehen ja ausschließlich Städte, die viel dichter besiedelt sind als unser Kreisgebiet.

Wo ist Breitbandversorgung im Kreis gut, wo lässt sie zu wünschen übrig?
Tengler: Gut ist sie zum Beispiel in der Rheinschiene. Wir nehmen aber auch teilweise innerhalb der Kommunen Gefälle wahr. Schauen wir uns mal das Siebengebirge an: Im Tal ist die Breitbandversorgung gut, in den Berggemeinden gibt es dagegen Probleme. Oder nehmen wir das Bergische und die obere Sieg: Die Kommunen Hennef, Lohmar, Neunkirchen-Seelscheid, Much, Ruppichteroth, Eitorf und Windeck, die sich jetzt für das EU-Förderprogramm "Leader" bewerben, bestehen aus insgesamt 600 Ortschaften. Nicht wenige davon haben eine schlechte Anbindung, genau wie einige Gegenden im Linksrheinischen. In Swisttal-Odendorf hat sich sogar eine Bürgerinitiative gegründet, die schnelleres Internet fordert.

Aber es gibt doch überall eine Grundversorgung, oder?
Tengler: Als Grundversorgung gilt immer noch eine Geschwindigkeit von 2 Mbit/s. Wer weniger hat, kann Fördermittel beantragen. Das kommt für uns nicht in Frage, weil wir inzwischen eine nahezu kreisweite Versorgung mit 2 Mbit/s haben. Damit kommt man aber nicht mehr weit. Ein leistungsfähiges Internet ist heute so wichtig wie ein Straßenanschluss oder Strom.

Wer keins hat, wird in Zukunft nicht mehr mithalten können?
Tengler: So ist es. Ein Beispiel: Im Bereich Fortbildung laufen viele Angebote nur noch online, mit Videos. Wer die zu Hause nicht abspielen kann, ist im Nachteil. So werden unter Umständen ganze Orte unattraktiv. Wer zieht in ein Haus, in dem die Internetverbindung lahm ist? Auf diese Weise verlieren Immobilien ihren Wert. Außerdem müssen wir an die Gewerbestandorte denken. Die Digitalisierung der Wirtschaft ist in vollem Gange. Wer wettbewerbsfähig sein will, braucht eine gute Anbindung ans schnelle Datennetz.

Wie definieren Sie "schnell"?
Tengler: Wir streben an, die Breitband-Versorgung bis zum Jahr 2018 flächendeckend auf 50 Mbit/s auszubauen. Dieses Niveau haben wir aber erst in 58 Prozent des Kreisgebiets erreicht.

Stehen Sie in Kontakt mit Telekommunikationsunternehmen? Für die muss es doch vor allem wirtschaftlich sein, oder?
Tengler: Das ist richtig, und genau deshalb müssen wir in Erfahrung bringen, wo es auch in Zukunft keinen Ausbau mit schnellerem Internet gibt, weil es sich für die Telekommunikationsbetreiber nicht rechnet.

Wie wollen Sie dabei vorgehen?
Tengler: Unser Ansatz ist der: Wir legen das Augenmerk auf die Kabelverzweiger. Es gibt kreisweit etwa 1900 dieser grauen Kästen. Indem man sie mit einem Glasfaserkabelanschluss ausrüstet, schafft man die Voraussetzungen für die Datenübertragungen von 50 MBit/s - und sogar noch darüber hinaus. Der Wirtschaftsförderungsausschuss berät nun das weitere Vorgehen. Wenn er zustimmt, ziehen wir fachliche Unterstützung von außen hinzu. Im ersten Schritt würde dann eine Bestandsaufnahme der Versorgungssituation gemacht. An diese würde sich dann ein sogenanntes Markterkundungsverfahren anschließen, in dem die Telekommunikationsunternehmen nach ihren Ausbauplänen befragt werden. So würden wir Klarheit darüber bekommen, welche Standorte zukünftig nicht vom Markt versorgt werden.

Würde der Kreis an den Orten, die nicht vom Markt versorgt werden, selbst in den Ausbau investieren?
Tengler: Das steht nicht zur Debatte. Die Landesregierung hat angekündigt, Fördermittel für den Breitband-Ausbau auf der Basis von 50 Mbit/s bereit zu stellen. Dafür sind genau die vorbereitenden Maßnahmen notwendig, über die wir nun im Ausschuss sprechen.

Die Sitzung des Wirtschaftsförderungsausschusses beginnt heute um 16 Uhr im Siegburger Kreishaus, Sitzungssaal 1.16.

Zur Person: Hermann Tengler (58) stammt aus Kalenborn bei Gerolsteinin der Eifel. Er studierte Volkswirtschaftslehre in Bonn, späterarbeitete und promovierte er am Institut für Mittelstandsforschungin Bonn. Das Thema seiner Promotion lautete "Die Shift-Analyse alsInstrument der Regionalforschung". Seit 1989 ist Tengler, der inSankt Augustin lebt, Leiter der Wirtschaftsförderung desRhein-Sieg-Kreises. In deren Aufgabenbereich fallen etwa dieBetreuung von Unternehmen, regionales Marketing, die Beratung undUnterstützung von Existenzgründern (u.a. Business Campus),Tourismus (u.a. Natursteig Sieg) und die Koordinierung vonFörderprogrammen (aktuell EU-Programm "Leader").

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