Sanierungskosten übersteigen die Mittel Siegburger Kolpinghaus steht vor dem Abriss

SIEGBURG · Es ist ein Haus voller Erinnerungen, doch die Sanierungskosten übersteigen die Mittel. Die Kolpingsfamilie hat Mitte März beschlossen, sich von der Immobilie zu trennen. Ende des Monats kommt sie auf den Markt, in einem Bieterverfahren.

Es ist ein Haus voller Erinnerungen. Sie erwachen unweigerlich, wenn Markus Heep über den Linoleumboden an der "Zunft-Klause" vorbei hinaus auf die Terrasse und dann wieder hinein in das Vorstandszimmer der Kolpingsfamilie Siegburg schreitet. "Schon als Kind habe ich hier mit den Siegburger Funken Blau-Weiß Karneval gefeiert", sagt der Vorsitzende des Vereins Kolpinghaus, der das sichtlich veraltete Domizil an der Mühlenstraße verwaltet. Dessen Tage sind gezählt. Die Kolpingsfamilie hat Mitte März beschlossen, sich von der Immobilie zu trennen. Ende des Monats kommt sie auf den Markt, in einem Bieterverfahren.

"Die Entscheidung für den Verkauf ist uns sehr schwer gefallen", spricht Markus Heep für den Verein. Vom Vorstandszimmer aus geht der Blick hinaus auf den Garten des etwa 1250 Quadratmeter großen Grundstücks. Unter dem Rasen liegt der Luftschutzbunker des alten Siegburger Rathauses, das dort bis 1944 stand. "Den haben wir als Jugendliche ausgebaut und dort Partys gefeiert", erinnert er sich.

Gleichwohl sei der Entschluss aus wirtschaftlichen Gründen unausweichlich gewesen. Das 1959 errichtete Kolpinghaus samt Männerwohnheim mit insgesamt 24 Zimmern in den oberen drei Etagen, Gastwirtschaft, Sälen und Versammlungsräumen im Erdgeschoss ist in die Jahre gekommen. Es bedarf einer Kernsanierung in Millionenhöhe.

Versorgungsleitungen müssten erneuert werden, das Dach repariert und die sanitären Anlagen sowie die Zimmer des Wohnheims, in dem einst wandernde Handwerksgesellen Obdach fanden, modernisiert werden. Allein die Umsetzung der Brandschutzauflagen würden, so Heep, mehrere hunderttausend Euro kosten. "Es bleiben nur Abriss und Neubau", sagt der Vorsitzende des Kolpinghaus-Vereins. Dafür fehlt der rund 50 Mitglieder starken Kolpingsfamilie das Geld. In enger Absprache mit den Behörden hat sie den Brandschutz notdürftig auf das Mindestmaß nachgebessert. Denn das Haus mit der sozialen Ader ist belebt. Die "Zunft-Klause" von Wirtin Sofia Dimitriadu ist gut frequentiert. In den 24 Zimmern des früheren Gesellenwohnheim leben ältere, alleinstehende Männer.

Mitte 2016 könnte der Abbruch des Gebäudes beginnen, sagt Heike Krudewig. Die Geschäftsführerin von Immobilien Krudewig ist mit dem Verkauf der Immobilie betraut. "Wir holen gerade die Grundlagen für das Bieterverfahren ein", sagt sie. Derzeit finden Bohrungen für ein Bodengutachten statt, es gibt Höhenvermessungen, und Abrissunternehmen reichen Angebote ein. Ende Mai gibt sie das Kolpinghaus offiziell auf den Markt. In einem Bieterverfahren können Interessenten dann bis Ende Juni ihr Kaufangebot bei einem Notar einreichen.

"Durch das Verfahren sind Transparenz und Neutralität gewahrt", sagt Markus Heep. Das sei der Familie wichtig. Die will aus dem Verkauf keinen Profit ziehen. Der Erlös fließt daher in eine Stiftung, mit der die Kolpingsfamilie ihre soziale Arbeit in Siegburg fortsetzt. Aber auch ein eigenes Heim möchte der Verein im Herzen Siegburgs behalten. "Im Idealfall würden wir das Erdgeschoss in einem Neubau als Eigentum behalten", so Heep. Dort sollte wie bisher Platz sein für die "Zunft-Klause", die Sofia Dimitriadu seit 18 Jahren betreibt, wie auch für Versammlungssäle. Hinzu könnten altersgerechte Wohnungen kommen. "Für ein Ladenlokal eignet sich der Standort nicht", spricht Heike Krudewig für die Idee.

"Ein neues Heim an alter Stelle wäre unser Wunsch, aber nicht auf Biegen und Brechen", betont Markus Heep. Alternativ könnte er sich vorstellen, dass die Kolpingsfamilie und die aus ihr hervorgegangenen Siegburger Funken Blau-Weiß in einer anderen, adäquaten Immobilie in der Innenstadt ein neues Domizil finden, mit Saal und Gastwirtschaft.

Und auch für die bedürftigen Männer, die bislang im Wohnheim des Kolpinghauses zu Hause sind, muss eine Lösung her. "Wir sind im Gespräch mit der Stadt, dass wir für alle eine entsprechende, neue Unterkunft finden", sagt Markus Heep und betont: "Wir setzen niemanden einfach vor die Tür."

Kolpinghaus Siegburg

Gesellenvater Adolph Kolping selbst gründete 1854 den Siegburger Gesellenverein, die heutige Kolpingsfamilie. Im selben Jahr bot der Siegburger Kaufmann Moritz Fußhöller jungen Handwerkern in seinem Haus an der Sternengasse einen Raum zur beruflichen Fortbildung. Das erste Gesellenhaus bot ab 1878 an der Ringstraße Handwerksgesellen auf Wanderschaft Obdach.

Das 1928 eben dort errichtete Kolpinghaus wurde 1935 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. 1959 errichtete die Kolpingsfamilie auf dem Grundstück an der Mühlenstraße, auf dem bis Dezember 1944 das alte Siegburger Rathaus stand, ein neues Haus. Das ist bis heute Heimstatt und Versammlungsstätte der Kolpingsfamilie, Vereinslokal der KG Siegburger Funken Blau-Weiß, die 1859 aus der Kolpingsfamilie hervorgegangen ist. Es gibt ein Männerwohnheim, die "Zunft-Klause", Säle sowie Versammlungsräume, die der Schubertbund Siegburg, die Siegburger Briefmarkenfreunde und der Schachclub Siegburg nutzen.

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